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Panikattacken, PEGIDA, AfD, Erna Kronshage - und die Spiegelneuronen - eine Rechtfertigung

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„Die Vergangenheit ist vorbei, 
und doch tragen wir im Jetzt unseres Seins 
vieles aus der Vergangenheit mit uns, 
doch nur soweit wir 
unerledigte Situationen haben. 
Was in der Vergangenheit geschah, 
wurde entweder assimiliert 
und zu einem Teil von uns, 
oder wir tragen es als unerledigte Situation, 
als unvollendete Gestalt 
mit uns herum.“
"Veränderungen finden von alleine statt. 
Wenn wir tiefer in das eindringen, 
was wir sind, 
wenn wir akzeptieren, was da ist, 
kommen die Veränderungen von alleine." 
Fritz Perls *1893-1971 Mitbegründer der  Gestalttherapie

Neulich war ich wieder einmal in einer Einrichtung in einer Nachbarstadt und habe dort einem interessierten Kreis von Mitarbeitern von der NS-Opferbiographie meiner Tante Erna Kronshage berichtet ... Mit Powerpoint-Präsentation saßen wir dazu fast 2 Stunden zusammen.

Infos zu Infos in Wort & Bild - hier clicken - Foto: Antje Strohdeicher 
Oft werde ich gefragt, warum ich die NS-Opferbiographie meiner Tante Erna Kronshage, die ich ja persönlich gar nicht kennenlernen konnte, so intensiv bemühe - und sie so intensiv beforsche ...

Ich habe natürlich versucht, mir das auch selbst zu beantworten - und da das Thema Erna Kronshage in der Familie fast vollständig tabuisiert war, hat es sicherlich etwas mit meiner persönlichen und beruflichen Sozialisation zu tun...               

Ich bin Jahrgang 1947 - verweigerte bei der Bundeswehr den Kriegsdienst mit der Waffe 1969 [!] - machte meinen Zivildienst in Bethel und war ab dann in meiner dem folgenden Berufstätigkeit 40 Jahre sozial- bzw. heilpädagogisch tätig - u.a. fast 20 Jahre in der Heimleitung bei geistig behinderten Menschen - und habe Fortbildungen u.a. in Kreativer Gestaltarbeit (Fritz Perls) abgeschlossen.

Hierbei sind latent auch immer Techniken von Biographiearbeit, Selbsterfahrung, Familientherapie und Familienaufstellung zugegen, von deren individuellen und allgemeinen Nutzen ich gelernt habe, fest überzeugt zu sein.

Insofern gibt es aus meiner Sicht individuell-familiäre und persönliche sowie allgemein-öffentliche - sicherlich letztlich auch prophylaktische - Aspekte, dem tragischen Lebensweg meiner Tante Erna nachzugehen. Ich habe dieses ungeheuerliche Opferschicksal weniger gezielt "gesucht" - als vielmehr allmählich Stück für Stück "gefunden" und so immer offensichtlicher freigelegt - und ich gehe ihm nun seit 1986 - also seit über 30 Jahren - in unterschiedlichen Intensitätsphasen nach ...

Dieses Ausgrenzen und Verschweigen ist nämlich nicht nur ein individuelles und familiäres Verweigerungsverhalten: es ist und bleibt auch ein gesellschaftlich-nationales Phänomen - das bis heute nachwirkt: Alexander und Margarete Mitscherlich haben das zu Genüge belegt in ihrem Werk "Die Unfähigkeit zu trauern" (1967) - nämlich am Beispiel der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands und der unzulänglichen Auseinandersetzung und Bewältigung dieser beschämenden und mörderischen Epoche sowie in der Abwehrhaltung des Einzelnen und der Masse gegenüber Schuld und Mitschuld an politisch bzw. weltanschaulich motivierten Verbrechen und Verstrickungen.

Sozusagen trifft eine "Posttraumatische Belastungsstörung" (Abkürzung: PTBS; englisch: posttraumatic stress disorder, Abkürzung: PTSD) nicht nur Einzelne - sondern kann ganze Gesellschaftsteile erfassen, wenn sie es versäumen, solche traumatischen Geschehnisse wie in der NS-Zeit genügend aufzuarbeiten und zu bewältigen ...

Für mich ist das aktuell auch an solch gesellschaftlichen Phänomenen wie AfD, PEGIDA und die NSU und alle weiteren Schattierungen rechtsradikaler Verirrungen festzumachen ...

Der Zweite Weltkrieg liegt über 70 Jahre zurück. Doch er ist nicht verschwunden. Wie die Forschung heute weiß, lebt er weiter. In den Seelen derer, die ihn miterlebt haben, aber auch noch in vielen Seelen der Nachgeborenen.

Bei Vielen zeigt sich das als 
  • fehlende Verankerung im Leben, 
  • mangelnde Geborgenheit,
  • Burn-out-Syndrom 
  • Gefühlsstörungen oder 
  • verdeckte Schuldgefühle oder
  • "unerklärlichen" Panikattacken 
Aber auch in unerklärlichen körperlichen Schmerzen oder ernsthaften psychischen Krankheiten. Sind wir für immer seelisch verflucht, obwohl die heutigen Generationen doch unschuldig sind?

Natürlich sagt der gesunde Menschenverstand klar: 

Kein Deutscher, der den Krieg als Kind erlebt hat oder erst nach dem Krieg geboren wurde, ist an den deutschen Verbrechen schuld. Und doch sind sie noch da, die subtilen Schuldgefühle. 

Es zeigt sich an vielen Stellen: Zum Beispiel -
  • Wenn auch bei harmlosen politischen Diskussionen verlässlich noch immer zumindest latent die rassistischen oder nationalsozialistischen Argumente aus der Tasche gezogen werden.
  • Wenn verächtlich über die vermeintlich charakteristischen deutschen Eigenschaften wie
  • Gefühlsarmut,
  • Kontrolliertheit,
  • einem Hang zum Negativen oder
  • übersteigerte Angst gespottet wird.
  • Wenn über Migrationsfragen noch immer kaum sachliche Diskussionen geführt werden können.
  • Und der NSU 10 Jahre mitten in Deutschland unerkannt mordet und morden kann ...
  • Und wenn plötzlich viele Tausende "Bürger" in den PEGIDA („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“)-Montagsspaziergängen und die Wahlbereitschaft für die populistisch-rechts daherkommende AfD ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen "Angst" Ausdruck verleihen ...
In Wahrheit sind das alles für mich typische Anzeichen von nicht bewältigten Traumata.

Denn: Nach dem Krieg bekamen die allerwenigsten eine Hilfe, das Grauen zu verarbeiten. Die Traumata unserer Eltern haben uns auf verschiedenen Wegen erreicht. Direkte rigide Erziehungsprinzipien etwa, wie übertriebene äußere Ordnung oder unbewusste Botschaften, zwischen den Zeilen: "Bloß nicht auffallen" oder "Ein zufriedenes erfülltes Leben steht uns (noch) nicht zu"...
Typische 68-er Bildikone - die mich zumindest prägte ...
Gesellschaftlich hat dann im Westen nach meinem Erleben die 68-er "Revolution" zu einer gewissen Entlastung geführt - mit dem teilweise kollektiven Aufstand und dem "Abrechnen" gegen die Eltern- und Tätergenerationen und gegen die alten NS-Seilschaften. Diese Entlastung in diesem Sinne blieb dem Osten Deutschlands verwehrt - ohne dass ich damit die Ex-DDR sozial diskreditieren will - aber vor lauter "Solidarität" wurden vielleicht die notwendigen psychohygienischen Grenzziehungen im zwischenmenschlichen Bereich vermieden. 
Fataler und"immer weitreichender" sind aber individuelle innerpsychische Abläufe: die Wirkung der Spiegelneuronen im Gehirn. Ob die Eltern traumatisiert wurden oder das Kind selbst – für dieses betreffende Kind ist es das gleiche Gefühl. Denn das kindliche Gehirn erlebt ja Bilder und Gefühle der Eltern und gerade auch verdrängte Erlebnisse wie seine eigene Erfahrung. Oder die Reinszierungstendenzen etwa einer Mutter, die als Säugling allein gelassen wurde: sie tut dies nicht selten unbewusst bei ihrem eigenen Kind genauso. Mittlerweile weiß man, dass sich bei traumatisierten Menschen häufig sogar die Schaltstellen der DNA verändern, Traumata können also tatsächlich buchstäblich vererbt werden.

Ein weiteres Phänomen greift deshalb immer mehr Platz: Ein Phänomen, das die Psychoanalyse "Transgenerationale Weitergabe" von unverarbeiteten oder ungenügend verarbeiteten Kriegserlebnissen nennt. Auch die Kinder und die Enkel und Urenkel - also ganz biblisch ausgedrückt: tatsächlich "bis ins 3. und 4. Glied" - "leiden" oft genug noch unbewusst an den oft furchtbaren Traumata-Gefühlen, die der Bombenkrieg, die Vertreibung, der Nazi-Holocaust oder eben auch die von Nazis und der NS-Psychiatrie zu verantwortende Vernichtung "unwerten Lebens" mit all ihren Gräueltaten mit sich bringen ...: 

Oft sind das Nuancen, 
  • ein unbewusstes Schaudern oder 
  • eine Unfähigkeit - 
  • Ängste, die bei besonderen Situationen plötzlich "wie aus dem Nichts" kommen, 
  • eigenartige Traumsequenzen usw. -

Das vererbte Leiden, die Traumata-Weitergabe zwischen den Generationen durch (üb)erlebte Kriege, Terroranschläge, Gewalterfahrungen, Flucht und Vertreibung, Katastrophen - sie lösen über Generationen hinweg oftmals traumatische Erfahrungen aus, die die Betroffenen ein Lebenlang belasten können.

Und deshalb ist für mich eine Auseinandersetzung mit dem Opferschicksal meiner Tante Erna Kronshage und ein Aufdecken all der Fakten, die von Familie und Elterngeneration in oft vergeblichen Abspaltungs-Versuchen unbearbeitet verschüttet werden soll(t)en, eine wichtige - und in gewisser Weise sicher auch "selbst-therapeutische", psychohygienische Aufgabe, die mich immer wieder umtreibt ...

Und insofern ist das "Verraten" und Aufarbeiten traumatischer Familiengeheimnisse eine der Möglichkeiten, sich vor dem biblisch-alttestamentlichen "Fluch" einer Schuld "bis in die dritte und vierte Generation" (Exodus - Kap. 20) vielleicht erfolgreich zu schützen ...


Und da Du - verehrte Leserin - verehrter Leser - ja sowieso das hier Gelesene mit Deinem persönlichen Kontext abgleichst - mögen Dich diese Zeilen anregen, Deinen Familien-Annalen nachzuspüren ... - vergelt's Gott - denn Du weißt ja: "Denn alle Gesetze werden in einem Wort erfüllt, in dem: "Liebe deinen Nächsten ... [und - jetzt kommt's:...] ... wie Dich selbst!" Galater 5.14 [also wie Du Dich selbst zu lieben vermagst ... - und das wiederum hat mit Deiner Familiengeschichte zu tun ... - ganz bestimmt ...]



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