Evolutionstheorie
Hegemonie statt Biologie
In der Türkei soll Darwin vom Lehrplan gestrichen werden, der US-Vizepräsident Mike Pence beharrt auf der biblischen Schöpfungsgeschichte – wieso haben Autoritäre ein Problem mit der Evolution?
Von Stefan Schmitt | zeit.de
Was ist das bloß mit der Evolutionstheorie, dass sie manche Gemüter so erhitzt? In Recep Tayyip Erdoğans Türkei wird sie aus dem Lehrplan gestrichen. In den USA sitzt mit Mike Pence ein Vizepräsident im Weißen Haus, der sich einst dafür ausgesprochen hat, dass "andere Theorien für den Ursprung der Arten" unterrichtet werden. Und in Großbritannien finden sich in der nordirischen, protestantischen Königsmacher-Partei DUP Parlamentarier, die gegen Evolution im Biologieunterricht Front machen – da sie "die Schüler korrumpiert".
Drei Beispiele aus ganz verschiedenen Ländern. Auf der Suche nach dem gemeinsamen Nenner ist es verlockend, der Religion die alleinige Schuld zuzuschieben. Verträgt sich doch Darwins Idee mit keinem wörtlichen Verständnis der Genesis oder entsprechender Suren.
Diese Deutung hat aber Schwächen. Zum einen erklärt sie nicht, warum so viele Gläubige unterschiedlicher Konfessionen cool bleiben und kein Problem mit der Evolutionstheorie haben. Zum anderen bleibt die Frage: Warum stören sich die politisch Autoritären ausgerechnet an der Evolutionstheorie? Weder an Daltons Atommodell noch am Standardmodell der Teilchenphysik hätte eine Partei oder Regierung je Anstoß genommen, nicht einmal an der hirnverknotenden Quantenphysik.
Vielleicht liegt es ja daran, dass sie in Charles Darwin vor allem eines sehen – eine Ungehörigkeit. Steht doch sein Erbe wie keine andere Erkenntnis dafür, was die Naturwissenschaft den Zartbeseelten zumutet: Die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt, die Sonne ist nur ein unscheinbarer Stern wie unzählige andere. Jede neue Erkenntnis verzwergt den Menschen relativ zum großen Ganzen. Immerhin ist die Erde noch der einzige Planet, auf dem es Leben gibt. Aber ausgerechnet das, so zeigt es die Evolutionstheorie, ist nur zufällig entstanden? Es verdankt seine Fülle einzig natürlicher Selektion? Und alles hat einen gemeinsamen Ursprung? Inklusive des Homo sapiens, früher auch "Krone der Schöpfung"? Wenn das keine narzisstische Kränkung ist, dann wurde dieser Begriff umsonst erfunden.
Nun ist die zeitgenössische Synthetische Evolutionstheorie, zu der Darwins Geniestreich mithilfe von Erkenntnissen aus Genforschung, Paläontologie, Populationsbiologie, Zoologie und Botanik weiterentwickelt worden ist, eine ziemlich überzeugende Erklärung für das Geschehen in der Natur – sozusagen eine Grammatik des Lebens. Das müsste eigentlich auch anerkennen, wer eingeschnappt ist. Aber egal, denn die Halsstarrigkeit von Kreationisten und Evolutionsleugnern wirkt als Symbol. Es geht um Deutungshoheit, um kulturelle Hegemonie: Wer wir sind, von wem wir stammen, was uns einzigartig macht – das bestimmen wir immer noch selbst! Vielleicht missfällt Autoritätsfans und Vergangenheitsfreunden ja einfach, dass auf der Erde alles Lebende miteinander verbunden ist, wie in einer Biologischen Internationale.
Nun könnte man meinen, es müsse die vernünftige Mehrheit nicht kümmern, was einige sich zurechtdenken. Aber den Stand des rationalen Erkenntnisgewinns abzulehnen ist inzwischen zur politischen Agenda geworden. Ebenso erscheinen längst überwunden geglaubte Fantasien von eigener Größe wieder sagbar.
Aus der Geschichte wissen wir, wie die plumpe Übertragung biologischer Konzepte auf menschliche Gesellschaften einst der Euthanasie und dem Rassenwahn den Weg bereitet hat. Wer nun Darwins große Idee in der Schule nicht kennenlernt, für den wird es schwerer, "sozialdarwinistische" Parolen als Unfug zu erkennen. Nicht jeder Schüler muss Biologe werden, aber jeder sollte ein aufgeklärter Bürger sein können.
Womit wir beim Thema Herzensbildung wären. Ästhetisch und ethisch sind die Gegenstände der Evolutionstheorie ja ebenso relevant: Wie das Leben sich seinen Weg sucht. Wie Arten sich an ihre biologischen Nischen anpassen. Was die geringen Unterschiede zwischen Menschen- und Schimpansen-Genom ausmachen. Das zu verstehen oder wenigstens eine Ahnung davon zu haben ruft Respekt hervor für die Grundlagen unseres Daseins und macht sensibel für deren Verletzlichkeit. Und erst solches Wissen ermöglicht ein ganz neues Staunen, eines über Tatsachen.
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Hinweis auf weitere Erläuterungen zu Charles Darwin - Sozialdarwinismus - Eugenik - Rassenlehre - Volksgemeinschaft:
http://sozialdarwinismus.com/
Hegemonie statt Biologie
In der Türkei soll Darwin vom Lehrplan gestrichen werden, der US-Vizepräsident Mike Pence beharrt auf der biblischen Schöpfungsgeschichte – wieso haben Autoritäre ein Problem mit der Evolution?
Von Stefan Schmitt | zeit.de
Der Begründer der Evolutionstheorie Charles Darwin | coloriertes foto nach: © Richard Milner/dpa | zeit.de |
Was ist das bloß mit der Evolutionstheorie, dass sie manche Gemüter so erhitzt? In Recep Tayyip Erdoğans Türkei wird sie aus dem Lehrplan gestrichen. In den USA sitzt mit Mike Pence ein Vizepräsident im Weißen Haus, der sich einst dafür ausgesprochen hat, dass "andere Theorien für den Ursprung der Arten" unterrichtet werden. Und in Großbritannien finden sich in der nordirischen, protestantischen Königsmacher-Partei DUP Parlamentarier, die gegen Evolution im Biologieunterricht Front machen – da sie "die Schüler korrumpiert".
Drei Beispiele aus ganz verschiedenen Ländern. Auf der Suche nach dem gemeinsamen Nenner ist es verlockend, der Religion die alleinige Schuld zuzuschieben. Verträgt sich doch Darwins Idee mit keinem wörtlichen Verständnis der Genesis oder entsprechender Suren.
Diese Deutung hat aber Schwächen. Zum einen erklärt sie nicht, warum so viele Gläubige unterschiedlicher Konfessionen cool bleiben und kein Problem mit der Evolutionstheorie haben. Zum anderen bleibt die Frage: Warum stören sich die politisch Autoritären ausgerechnet an der Evolutionstheorie? Weder an Daltons Atommodell noch am Standardmodell der Teilchenphysik hätte eine Partei oder Regierung je Anstoß genommen, nicht einmal an der hirnverknotenden Quantenphysik.
Vielleicht liegt es ja daran, dass sie in Charles Darwin vor allem eines sehen – eine Ungehörigkeit. Steht doch sein Erbe wie keine andere Erkenntnis dafür, was die Naturwissenschaft den Zartbeseelten zumutet: Die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt, die Sonne ist nur ein unscheinbarer Stern wie unzählige andere. Jede neue Erkenntnis verzwergt den Menschen relativ zum großen Ganzen. Immerhin ist die Erde noch der einzige Planet, auf dem es Leben gibt. Aber ausgerechnet das, so zeigt es die Evolutionstheorie, ist nur zufällig entstanden? Es verdankt seine Fülle einzig natürlicher Selektion? Und alles hat einen gemeinsamen Ursprung? Inklusive des Homo sapiens, früher auch "Krone der Schöpfung"? Wenn das keine narzisstische Kränkung ist, dann wurde dieser Begriff umsonst erfunden.
Nun ist die zeitgenössische Synthetische Evolutionstheorie, zu der Darwins Geniestreich mithilfe von Erkenntnissen aus Genforschung, Paläontologie, Populationsbiologie, Zoologie und Botanik weiterentwickelt worden ist, eine ziemlich überzeugende Erklärung für das Geschehen in der Natur – sozusagen eine Grammatik des Lebens. Das müsste eigentlich auch anerkennen, wer eingeschnappt ist. Aber egal, denn die Halsstarrigkeit von Kreationisten und Evolutionsleugnern wirkt als Symbol. Es geht um Deutungshoheit, um kulturelle Hegemonie: Wer wir sind, von wem wir stammen, was uns einzigartig macht – das bestimmen wir immer noch selbst! Vielleicht missfällt Autoritätsfans und Vergangenheitsfreunden ja einfach, dass auf der Erde alles Lebende miteinander verbunden ist, wie in einer Biologischen Internationale.
Nun könnte man meinen, es müsse die vernünftige Mehrheit nicht kümmern, was einige sich zurechtdenken. Aber den Stand des rationalen Erkenntnisgewinns abzulehnen ist inzwischen zur politischen Agenda geworden. Ebenso erscheinen längst überwunden geglaubte Fantasien von eigener Größe wieder sagbar.
Aus der Geschichte wissen wir, wie die plumpe Übertragung biologischer Konzepte auf menschliche Gesellschaften einst der Euthanasie und dem Rassenwahn den Weg bereitet hat. Wer nun Darwins große Idee in der Schule nicht kennenlernt, für den wird es schwerer, "sozialdarwinistische" Parolen als Unfug zu erkennen. Nicht jeder Schüler muss Biologe werden, aber jeder sollte ein aufgeklärter Bürger sein können.
Womit wir beim Thema Herzensbildung wären. Ästhetisch und ethisch sind die Gegenstände der Evolutionstheorie ja ebenso relevant: Wie das Leben sich seinen Weg sucht. Wie Arten sich an ihre biologischen Nischen anpassen. Was die geringen Unterschiede zwischen Menschen- und Schimpansen-Genom ausmachen. Das zu verstehen oder wenigstens eine Ahnung davon zu haben ruft Respekt hervor für die Grundlagen unseres Daseins und macht sensibel für deren Verletzlichkeit. Und erst solches Wissen ermöglicht ein ganz neues Staunen, eines über Tatsachen.
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Hinweis auf weitere Erläuterungen zu Charles Darwin - Sozialdarwinismus - Eugenik - Rassenlehre - Volksgemeinschaft:
http://sozialdarwinismus.com/
darwin - immer wieder der olle darwin ...: dabei gehören seine erkenntnisse zu menschlichem grundwissen - zur allgemeinen orientierung in zeit und raum.
darwin relativiert auch unseren familien-begriff: "die familie steht unter dem besonderen schutz des staates", turteln doch noch alle parteien vor jeder wahl ... - als "keimzelle" des staates !!! - also doch "sozialdarwinismus" ???: "nachtijall - ick hör dir trapsen") ...
familie - besonders auch jetzt angesichts der "ehe für alle" - die "ehe", die nun endlich dahin gerückt wird wo sie seit ehedem hingehört: nämlich das versprechen zweier menschen - sich gegenseitig zu unterstützen in allen lebenslagen ... - und solche "ehen" findet man sogar im tierreich - und vielleicht sogar bei den pflanzen ... - und solche ehen haben mit finanziellem kalkül oder "zugewinn"-gemeinschaft und "familien-grünndung" erst einmal wenig zu tun ...
autoritäre regime haben darwin immer gern als vehikel benutzt für sehr verschwurbelte theorien zu einem "sozialdarwinismus" mit zuchtprägung und rassenlehre und erhöhung der eigenen "art" oder der eigenen über-"zeugung" gegenüber konkurrierenden systemen ...
all diese extremisten haben darwin missverstanden, denn der hat auch immer wieder auf die fähigkeit zur assimilation der natur hingewiesen, auf die "natürliche" integration und auch "inklusion" all der unterschiede ... auch das gibt es im tierreich: während vögel oft ihre schwächsten jungen zwar aus dem nest befördern - habe ich neulich im tv eine herzzerreißende "ungestellte" szene gesehen, wie eine elefantenkuh um ihr sehr schwaches kränkliches kälbchen gerungen hat - und wie eine vorbeikommende herde sofort eine "elefantenburg" - einen schutzwall - um kuh & kalb zur abwehr gegen raubtiere gebildet hat ... - meist all die "tanten" - weniger die "väter" und "geschwister" ... (!)
aber auch der mensch als ziehendes, wanderndes wesen wird bei darwin geschildert ... er ist gar nicht so sesshaft, wie immer behauptet wird - und sein "heimat"-begriff findet individuell im kopf durch entsprechende hirnschaltungen statt: denn der aufrechtgehende mensch stammt wahrscheinlich ursprünglich aus afrika und zog im laufe der jahrtausende als "wirtschaftsflüchtling" durch die lande auf weideplätze und futtersuche bis hierhin oder da hin ... - und ich behaupte mal: die usa sind doch der prototyp für ein "volk" von "wirtschaftsflüchtlingen" ... - warum wanderte denn der ur-urgroßvater sonst aus und legte sich mit den indianern an ... ???: "america first" ...👦
das ist ja immer die frage an die "bürger": wo wohnte dein opa - zog er zu seiner frau - oder sie zu ihm - und wie und warum kommst du heute hierhin - und bist nicht da ... ??? (... und behalten sie das stichwort: "wirtschaftsflüchtlinge" immer dabei im hinterhaupt ...).
um mal all die fragen, die sich daraus ergeben für den "tourismus" und den fast schon zu den "grundbedürfnissen" zählenden mehrwöchigen "urlaub" und die damit empfundene "erholung" - und die allgemeinen begriffe der "globalisierung" sowie "die welt ist doch ein dorf" mal hintanzustellen ... - S!