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gottes identitäten ...

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Im September 2017 habe ich in diesem Blog (click here) ein Interview mit dem Vorsitzenden der "Gesellschaft für eine Glaubensreform" Prof. Klaus-Peter Jörns wiedergegeben - aus "Publik-Forum" Nr. 17|2017 | S. 32/33 - Darin heißt es u.a.:

...

Das würde bedeuten, dass es Erlösung weder gibt noch braucht.

Jörns: Nur in dem Sinn braucht es Erlösung, dass man von sich selbst als gefühltem Zentrum der Welt wegkommt. Es geht darum, die Empathie mit dem Leben zu lernen. Das Leben ist ein Ganzes, und Gott entfaltet sich in der Evolution. Unbegreiflich bleibt, dass das Leben so schön und schrecklich ist, wie es ist.

Nach dem Sinn darf man nicht fragen?

Jörns: Einen für alle und alles zutreffenden Sinn im Leben gibt es nicht. Sinn ist entsprechend unseren Wahrnehmungsmöglichkeiten immer etwas perspektivisch Begrenztes. Als Geist und Liebe schafft, erhält und wandelt Gott das vielfältige Beziehungssystem, in dem wir leben und in dem »Sinn« millionenfach variiert.

Ein Atheist würde das Leben vielleicht ähnlich beschreiben, nur Gott weglassen.

Jörns: Denkbar. Für mich hat der Gottesglaube etwas Einleuchtendes: Das Leben ist aus einer unglaublichen Verdichtung von Quanteninformation entstanden und hat sich entfaltet in einem immer differenzierter werdenden Beziehungssystem. Dass dies alles Zufall gewesen sein soll, mag ich nicht denken. Diese Vorstellung ist mir zu kalt. Denn ich weiß aus Erfahrung: Geist hellt das Gemüt auf, und Liebe wärmt das Herz. Das ist und hat Sinn.

Viele Theologen halten an der Personalität Gottes fest, weil sie den Gedanken der Gerechtigkeit nicht aufgeben wollen. Das »Letzte Gericht« ist ein Hoffnungsbild für Opfer, dass Mörder am Ende nicht triumphieren.

Jörns: Die Personalität Gottes ist ein Produkt unserer Wahrnehmungsmuster, die sich an unserem Selbstbild orientieren. Übertrügen wir unser Selbstbild auf Gott, müssten wir von einer Menschenebenbildlichkeit Gottes reden. Aus meiner Sicht gibt es kein Weiterleben von Personalität, weil die ja mit der irdischen Existenz und ihrer Leiblichkeit zusammengehört. Meine Hoffnung ist eine andere: Alles, was in einem Leben gedacht, geglaubt, gehofft und geliebt wird, ist Energie, und Energie geht im Kosmos nicht verloren. Jeder Mensch wirkt durch diese geistigen Kräfte evolutiv-schöpferisch, über seinen Tod hinaus. Ich glaube, dass sich alle Potenzen von Geist und Liebe, die wir in dieses Leben hineingeben, nach allen Toden miteinander verbinden und neue Lebensgestalten schaffen. Aber es gibt keine Hoffnung auf eine wie auch immer gedachte Gerechtigkeit bei Gott, die etwas Furchtbares »wieder gut« machte. Die einzige Kraft, die mit erlittenem Unrecht leben lässt, ist die Vergebung. Sie kann selbst IS-Terroristen, die zum Morden radikalisiert worden sind, zugestehen, was Jesus seinen Kreuzigern zugestanden hat: »Vater, vergib ihnen. Denn sie wissen nicht, was sie tun« (Lukas 23, 34).

...


... und schwupps - hat Stephan Schaede, Leiter der Evangelischen Akademie Loccum, dazu eine Stellungnahme abgegeben - in "Publik-Forum" Nr. 18|2017 | S. 38/39 - aber lesen Sie selbst:

Gott ist mehr als Energie

Warum der biblische personale Gottesglaube nicht unvernünftig ist. Eine Erwiderung auf Klaus-Peter Jörns

Von Stephan Schaede

Ist Gott Person? Diese Frage ist heikel. Denn von Gott zu reden hat es in sich. Gott ist zwar ein Wort unserer Sprache. Aber: »Niemand hat Gott je gesehen«, schärft der erste Johannesbrief (4, 12) ein. Die Instanz, die das Wort bezeichnet, entzieht sich prinzipiell menschlichem Zugriff. Zugleich sollte das Wort »Gott« religiöser Willkür entzogen werden. Wer es mit Gott ernst meint, beansprucht mehr, als über eine fromme private Fantasie zu sprechen. Deshalb meinte der evangelische Theologe Karl Barth (1886-1968): »Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen beides, unser Sollen und unser Nicht-Können, wissen und eben damit Gott die Ehre geben.«

Noch einmal unter dieser Prämisse: Ist Gott Person? In einem Gespräch mit dieser Zeitschrift und in seinen zahlreichen Publikationen hat der evangelische Theologe Klaus-Peter Jörns die Vorstellung von Gott als Person als ewiggestrig, unrettbar anthropomorph und naiv charakterisiert. Sie sei verknüpft mit einer altorientalischen Gottkönigsideologie und mit überholter philosophischer Metaphysik. Allein die biblischen Bildwelten: Gott, der ewige Gärtner, der wütende Kriegsherr, der gütige Vater, Gott als Mutter, als Gebärende … Vielen Dank! Das seien alles lediglich Projektionen menschlicher Selbstbilder.

Jörns schlägt vor, stattdessen von Gott als einer »Energie« zu sprechen, und er sieht die Gesellschaft für eine Glaubensreform (GfGR) als christliche Spitze dieser Bewegung an. Glaubensreform klingt, zumal im Jubiläumsjahr 2017, nach Reformation. Und die Gesellschaft für Glaubensreform hat mit der Reformationsbewegung gemeinsam, dass sie sich gegen theologische Denkverbote ausspricht. Es geht ihr um die Glaubwürdigkeit des Glaubens, einsehbar auch für aufgeklärte Nichttheologinnen und Nichttheologen. Das wollte Luther auch. Es sei ein Fluch, wenn Menschen nicht verstehen können, was sie glauben. Aber das war es dann auch mit den Gemeinsamkeiten. Denn der Reformation ging es darum, zu den inspirierenden Quellen des Glaubens zurückzukehren. Hinter das Wort Gottes zu kommen ist eine Lebensaufgabe – täglich zu üben.

Die Gesellschaft für Glaubensreform aber sieht die Kirchen als Gefangene der Bibel und will das Gegenteil. Ihr Leitbild sind die Lehren der evolutionären Anthropologie und die Erkenntnisse der Human- und Naturwissenschaften. Die Religion, so die Forderung, müsse sich mit der kulturellen Evolution verändern. Es gelte, Gott in eigenen Erfahrungen wahrzunehmen.

Jetzt beziehe ich die Gegenposition und sage: Es ist das Allermindeste, Gott als Person zu denken! Darunter macht es Gott in keinem Fall. Ihn lediglich als Energie zu beschreiben geht gar nicht. Wie komme ich darauf? Auch ich nehme meine Erfahrungen mit Gott als Ausgangpunkt – und stelle fest: Ich sinne ihm nach, spreche ihn an während des Gottesdienstes, am Tisch zu Haus, wenn ich zu Bett gehe, ich trage ihm Fragen vor, die – hart zu ertragen – nicht beantwortet werden. Aber zu diesen Erfahrungen hat mich nicht die Evolutionsbiologie gebracht. Meine christlich bestimmte Gotteserfahrung ist geprägt durch das kulturelle Vermächtnis und Gedächtnis der Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin. In diesem Kontext werden für die Frage, wer Gott ist, biblische Texte zentral.

Dabei gilt: Die christliche Religion ist eine Religion des Wortes Gottes, aber sie ist keine Buchreligion! Das Christentum nimmt den Geist Gottes nicht in Texthaft und macht ihn nicht zum Knecht eines Buchstabens, der unfehlbar sei. Was in der Bibel steht, haben Menschen aufgeschrieben. Sie dokumentieren darin, zum Teil sehr widersprüchlich, was sie vom göttlichen Leben in ihrer Geschichte oder der Geschichte ihrer gesellschaftlichen Umgebung wahrgenommen haben. So ist sie zu lesen. Auch hier gilt: »Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig« (2 Korinther 4, 6). Das Wort Gottes nimmt Gestalt an im vitalen Deutungsprozess von Menschen. Sie lesen nach, denken nach, gleichen die Bibel mit ihren Einsichten und Erlebnissen ab. So wird das Wort Gottes als Gottes Wort manifest. Der Vorwurf Jörns’, christliche Kirchen und die akademische Theologie seien einem strikten Biblizismus verfallen, ist unhaltbar. In der gegenwärtigen Gesprächskultur gibt es über hundert Spielarten der Bibelinterpretation. Man kann die Bibel lesen, ohne Biblizist zu sein. Die Alternative, entweder fanatischer Biblizist oder aufgeklärter Kulturwissenschaftler zu sein, ist nicht redlich.

Auch die Gesellschaft für eine Glaubensreform kann die Bibel nicht einfach beiseite legen. Auch die GfGR spricht von Jesus. Von dem wird jedoch nur in der Bibel, genauer in den Schriften des Neuen Testaments, berichtet. Von Jesus weiß die GfGR erstaunlich viel. Zum Beispiel, dass wir, wenn wir gut sein wollen, Hilfe brauchen. Sie weiß, dass sein Tod am Kreuz nicht die Relevanz hat, die von den Evangelien und den Aposteln behauptet wird. Sie weiß auch, dass Gott Geist, Leben und Liebe sei – eine Einsicht, die ihr die Evolutionsbiologie schwerlich eingeflüstert haben kann, auch nicht die Summe der zusammengetragenen Lebenserfahrungen, die für Menschen tragisch zwielichtig bleiben müssen.

Und deshalb frage ich mich: Warum sollte der biblische Gott auf eine bloße Energie hinuntergedimmt werden? Gott ist Geist, ist Kraft, Leben, Energie. Ja, das ist er wohl auch, wobei erst einmal genauer zu fassen wäre, was Energie überhaupt bedeutet. Aber in jedem Fall ist Gott unterbestimmt, wenn man ihn mit einer bloßen apersonalen Kraft gleichsetzt. Was ist damit gewonnen, wenn Gott als physikalische Kraft oder biodynamische Energie gefasst wird? Das ist biomorph oder physikomorph gedacht. Weshalb aber sollte »biomorph« aufgeklärter sein als »anthropomorph«?

Ich hänge übrigens nicht an dem Ausdruck Person. Wenn dafür ein besserer gefunden wird, der Missverständnisse vermeidet, ist es mir nur recht. Person hängt jedenfalls nicht, wie unterstellt wird, an der Bindung an einen endlichen Leib oder menschlichen Körper. Es sind folgende Züge, die in meinen Augen Person zu einer Bestimmung machen, die wichtige Züge des christlichen Gottesverständnisses aufschlüsselt und beschreibt: Personen haben ein komplexes Selbstverhältnis. Personen verfügen über eine lebensbiografische Dynamik. Personen sind in der Lage, etwas zu erleben. Das vermögen Energien nicht. Personen können versprechen und vergeben. Energien erinnern sich an nichts. Sie haben weder mit sich noch mit anderen etwas vor. Personen stehen in einem dialogischen Verhältnis zu anderen und zu sich selbst. Sie können sich korrigieren. Davon sind apersonale Energien weit entfernt.

Was für ein herber Verlust für das christliche Gottesbild, wenn ihm seine Substanz genommen wird und Gott auf Lebensenergie reduziert wird. Und welch ein Widerspruch, wenn dieser als unpersönlich definierte Gott gleichzeitig als Liebe und Geist beschrieben wird. Das ist von hinreißender Inkonsequenz. Wie soll denn Liebe apersonal gedacht werden? Liebe ist, wie Leibniz als Kenner der Bibel einmal fein formuliert hat, die Fähigkeit, sich an der Freude der anderen zu freuen. Wie soll ein Lebensenergiefeld dazu in der Lage sein? Geist ist immer schon als eine Instanz gedacht, die ein Selbstverhältnis hat. Welches Verständnis von Geist ist also gemeint?

Was bringt es, frei flottierbare Lebensenergie religiös zu beschwören, gelebte Lebensenergien von irdischen Lebewesen zu summieren und darauf zu hoffen, dass daraus überschäumend eine Gotteskraft herausspringe? Es ist an der Zeit, den Beziehungsreichtum, der Gott selbst ist, also die faszinierende »Lebensbiografie« Gottes, die sich grundlegend von einer menschlichen Lebensbiografie unterscheidet, so zu fassen, dass Zeitgenossen etwas damit anfangen können. Vielleicht wird dann auch wieder deutlich: Jesus hat versprochen, mir einen neuen, heilsam unterschiedenen Lebensentwurf anzubieten, nämlich Person im vitalen Beziehungsgeflecht mit Gott als Person sein zu dürfen.

Noch ein Wort zur Evolutionsbiologie, für die ich von Herzen dankbar bin. Denn sie lässt mich über die Entstehung und Entwicklung des Lebens staunen. Und sie steht in keiner Konkurrenz zu den biblischen Schöpfungserzählungen, die als hinreißende Gottespoesie nie eine naturwissenschaftliche Theorie über die Entstehung von Leben abgeben wollten. Meinen Zugang zur Gottesfrage haben Gespräche mit Naturwissenschaftlern geschärft. Die Naturwissenschaften warnen mich vor einem falschem Export theologischer Vorstellungen in die naturwissenschaftliche Welt. Sie machen aber auch klar. Ein Import naturwissenschaftlicher Einsichten in die Theologie hilft nicht weiter. Denn Naturwissenschaften müssen per se einem methodischen Atheismus folgen. Es gibt keine biologische oder physikalische Gotteslehre.


Stephan Schaede, geboren 1963, studierte evangelische Theologie in Tübingen, Rom und Göttingen. Er ist Leiter der Evangelischen Akademie Loccum.


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In Publik-Forum" Nr. 20|2017 | S. 34/35 nun ein paar Leserbriefe zu der spannenden "Kontroverse" zum "Sein - oder Nichtsein, das ist hier die Frage“ - oder so ähnlich ...:

Gott – Person oder Energie?

Die Vorstellung von Gott als Person sei naiv, alles im Kosmos sei Energie, sagte Klaus-Peter Jörns im Interview in Publik-Forum 17/2017. Im darauffolgenden Heft widersprach ihm Stephan Schaede. Reaktionen unserer Leserinnen und Leser


Stephan Schaede setzt Energie mit einer nichtintelligenten Kraft gleich, die sich folglich völlig zufällig verhält. So gesehen hat er aber die Erkenntnisse der Quantenmechanik außer Acht gelassen, die nicht nur von Energie als einem Zufall, sondern von Information, also einer Intelligenz, spricht, die den gesamten Kosmos durchdringt. Herr Schaede sieht einen unüberwindbaren Widerspruch zwischen einem apersonal gedachten Gott und Liebe beziehungsweise Geist. Ich halte es für zu eng gedacht, Liebe nur im Kontext von Personalität zu sehen. Welche Wirkung Liebe auf Tiere und Pflanzen hat, denen wir das Personsein absprechen, ist bekannt. Liebe überschreitet die Grenze des Personalen. Wenn Gott etwas mit seiner Schöpfung zu tun hat, dann ist die gesamte Materie von seiner Intelligenz (Logos) durchdrungen. Genau an diesem Punkt treffen sich Naturwissenschaften und Religionen. Man muss nur die Mystiker aus allen Erdteilen lesen, um zu einem viel weiteren Verständnis von Gott oder dem Einen zu kommen. Wenn Gott in allem ganz tief verborgen ist, kann ich ihn – ohne ihn personal zu denken – trotzdem mit Du ansprechen. Bernhard Fichtner, Riedstadt

»Gott ist mehr ist als Energie«: Das würde ich sofort unterschreiben. Aber Herr Schaede hätte als Theologe sehen müssen, dass christliche Mystiker (Johannes vom Kreuz, Teresa von Avila, Meister Eckhart u. a.), auch evangelische (Tersteegen u. a.), von Erfahrungen von Allverbundenheit sprechen, die ganz eindeutig apersonale Gotteserfahrung beschreiben. Klemens J. P. Speer, Osnabrück

Das häufigste Argument gegen ein »personales« Gottesbild lautet, dass dabei nur menschliche Wünsche und Bilder anthropomorph naiv auf »Gott« übertragen würden (Feuerbach lässt grüßen). Es mag psychologisch einen Unterschied zwischen personalen und apersonalen Vorstellungen geben, erkenntnistheoretisch sind sowohl Gott als »Vater/Mutter/guter Hirte« als auch Gott als »Energie/Grund des Seins/Urkraft« Übertragungen menschlicher Bilder auf ein transzendentes Gegenüber. Über rein bildhafte Aussagen über Gott kommen wir nie hinaus, es sei denn, wir reden vom ganz und gar immanenten Jesus aus Nazareth. Axel Denecke, Isernhagen

Bei den Diskussionen zur Frage, ob Gott Person sei, fällt mir auf, dass der Person-Begriff nirgends definiert wird. In einer älteren Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche wird »Person« als ein Wesen umschrieben, das zumindest potenziell über ein Bewusstsein seiner selbst verfügt. Einen Gott ohne Bewusstsein zu denken wäre unsinnig. Vielmehr müsste ein Bewusstsein seiner selbst ein vollkommenes sein. Somit wäre Gott sogar Person in Vollendung – während wir Menschen gebrochene, werdende Persönlichkeiten sind. Max Lang, München

Eine apersonale Gottesvorstellung muss nicht gleichbedeutend mit einer Reduktion auf Vorstellungen von Lebensenergie oder Ähnlichem sein, wie Stephan Schaede unterstellt. Gott als Freiheit der Geringsten in der Gemeinschaft aller – das verbindet personale Interaktion mit dem Abschied von einem anthropomorphen Gottesbild. Georg Lechner, A-Ternitz

In der »Religion des Wortes Gottes«, sagt Stephan Schaede und zitiert Karl Barth, »müssen die Theologen von Gott reden« – also biblisch vom allmächtigen Schöpfer. Theologen, welche »ihm nachsinnen«, müssten eigentlich Evolutionsbiologie und Astrophysik schätzen, um Näheres über Gott zu erfahren. Denn was in den heiligen Büchern steht, war ja zuerst »in die Bäume geschrieben«, wie schon Luther ahnte. Manfred Fennemann, Hamm

Ich meine, dass sich Abschied nehmen lässt von dem Projektionsbild Gott, ohne als Alternative Natur und Kosmos zu bemühen. Dazu müsste man in einem existenziellen Ansatz von den Menschen ausgehen, von dem, was in ihnen vorgeht, was sie suchen und worunter sie leiden. Wir können so zu Menschen werden, die sich und ihrer Geschichte bewusst werden. Der Kosmos hat kein Bewusstsein. Seine Energie ermöglicht durch zufälliges Werden Leben. Leben entwickelt Bewusstsein, um sich besser organisieren zu können. Menschen schaffen Kultur mit höheren Formen des Bewusstseins. Die Religion möchte das Bewusstsein weiten zum Unendlichen hin und gleichzeitig zur tieferen Menschwerdung. Gott taucht auf, sobald die Menschen beginnen, sich selber bewusst zu werden. Zuerst in äußeren Gestalten und dann schrittweise in der Verinnerlichung. Georg Milz, Bonn

Zuruf von der Basis: Es geht nicht darum, was Gott ist, ob »Person« oder »Energie«, sondern um die »Wirk-lichkeit«, das Wirken Gottes an jedem von uns verschiedenen Menschenkindern in verschiedenen Zeiten, also nicht um »Sein«, sondern um »Erfahrung«. Um diese Erfahrungen mit Gott geht es auch den Menschen der Bibel – je in ihrer Zeit, ihrem Leben und Umfeld. Renate Iseke, Überlingen

Herr Schaede macht es sich zu einfach, wenn er Jörns’ Gottesverständnis als Energie auf eine »physikalische Kraft« verkürzt. Wir müssen den Energiebegriff, wenn er zum Verständnis Gottes taugen soll, viel weiter fassen. Schon in der Physik ist Energie Licht, Wärme, Anziehungskraft. Und jenseits der Physik ist Liebe ganz sicher eine Energie, ebenso wie Vergebung, Hoffnung, Vertrauen – geistige Phänomene, die übertragbar sind. Es gibt Hinweise, dass es ein globales Bewusstseinsfeld geben könnte (R. Sheldrake), mit dem wir kommunizieren. Ein apersonales Gottesverständnis – oder, wie ich lieber sage: ein transpersonales – kann durchaus zum »Du« einladen. Gerhard Breidenstein, Traunstein

Stephan Schaede glaubt, die »Lebensbiografie« Gottes zu kennen, und ist selbst nur Geschöpf. Gott ist »ewig«, wissen Theologen. Und Gott ist die Liebe. In einem Hadith heißt es: »Ich liebte, um erkannt zu werden, darum schuf ich das Universum.« Der berühmte Sufi Ibn ’Arabi schrieb: »Gott ist das Potenzial, aus dem alles Sein kommt, der Ursprung allen Seins, und alle Existenz ist eine Einheit in ihm.« Warum suchen Theologen nach Gotteserfahrung nicht auch im transpersonalen Raum? Alle Religionen bezeugen, dass sie durch den Weg in die Stille geschenkt werden kann; aber den lehren die Kirchen seit 200 Jahren nicht mehr! Philipp Bockenheimer, Linden

Natürlich ist unser Gott ein personaler Gott. Gott ist Liebe, Barmherzigkeit – beides braucht ein Gegenüber. Die Frage ist doch nur: Ist er ein personaler Gott nach menschlichen Maßstäben – der Opa mit Bart? Sicher nicht. Das Schöne an unserem Glauben ist die Dreifaltigkeit: Manche brauchen Jesus, um sich an ihm auszurichten, wieder andere den Geist, der uns antreibt, oder aber eben auch Gott Vater, die Liebe und Barmherzigkeit »in Person«. Edith Furtmann, Tönisvorst

Martin Luther wandte sich entschieden gegen hinderliche Gottesbilder und naive Vorstellungen vom Himmelreich. Wir wissen heute um das Universum mit seinen Unermesslichkeiten. Deshalb ist ein Gottesbild notwendig, das ihnen standhält und sie einzubeziehen vermag. Gottes Wirklichkeit ist größer als das Universum, hat es hervorgebracht und lässt es sich entwickeln. Sie ist allgegenwärtig-nahe. Wie in früheren Zeiten, so kann der Mensch auch heute sich dafür öffnen. Gottes Wirklichkeit wird unterschiedlich erlebt: einerseits wie von einer Person herrührend, zum andern als Kraft, Trost, Licht ... In beiden Weisen zeigen sich die menschenmöglichen Formen des Empfangens und Erlebens. Dazu Paulus: »Wir haben aber diesen Schatz nur in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns« (2 Korinther 4, 7). Jürgen Linnewedel, Garbsen

Die biblischen Gottesbilder sind Bildworte: Gott als Vater, Mutter, König, als »Frau Weisheit«, als Adler, als Bärin. Aber auch: Gott als Schild, Quelle, als »ruach«, als Licht. Auch Jesus praktiziert die anschaulich-konkrete Bildrede. Allerdings: Seine Bilder sind einer patriarchalischen, von Ackerbau und Viehzucht geprägten Gesellschaftsstruktur entnommen. Wir leben heute in einer industriellen, von Aufklärung und Naturwissenschaften geprägten Kultur. Darum ist es nicht verwunderlich, wenn sich religiös aufgeschlossene Menschen Gott als eine Art Energie vorstellen: Energie hat viele Erscheinungsformen, kann weder erzeugt noch vernichtet werden. Weil die sakralen Sprachen Zeitgenossen zunehmend fremder geworden sind, sah schon vor über siebzig Jahren der Naturforscher und Theologe Pierre Teilhard de Chardin die Notwendigkeit, religiöse Inhalte in profanen Sprachen (zum Beispiel der Naturwissenschaften) vorzustellen, wenn Glaube nicht in der Sprachlosigkeit der tradierten Floskeln und theologischen Leerformeln verloren gehen soll. Norbert Scholl, Wilhelmsfeld

Was ist Gott? Eine abstrakte Energie oder ein persönliches Gegenüber? *)Wir polarisieren schnell in ein Entweder-oder. Die moderne Physik lehrt uns aber, dass die Natur auch doppeldeutige Antworten gib : Licht ist sowohl eine immaterielle Welle ohne festen Ort als auch ein Teilchen mit konkreter Ausdehnung, obwohl wir uns nicht beides gleichzeitig vorstellen können. Spirituelle Erfahrung kann uns jenseits von Logik und Verstand führen. Wenn wir uns darauf einlassen, geraten wir in Kontakt mit einer überpersönlichen Wirklichkeit, die uns doch unbedingt angeht und jede Faser von uns ergreift – ungeheuer intim und trotzdem völlig abstrakt. Etwas, was mich als Gegenüber hält in einer Sphäre, in der auch ich nicht mehr nur Person bin. Ich löse mich auf, werde Teil von etwas Größerem. Da ist Energie und gleichzeitig zärtliche Nähe. Es fühlt sich an wie ein tiefes Verstehen jenseits der Verstandesebene. Unser Verstand kann nicht erfassen, wie Gott ist. Aber es gibt eine Ebene tief in uns, die ahnen kann, was den Verstand übersteigt!Simone Brietzke, Willmenrod


Zu den beiden Artikeln von Klaus-Peter Jörns und Stephan Schaede erreichten publik|forum so viele Leserbriefe, dass wir leider nur einen Teil davon abdrucken können. Kürzungen waren unvermeidlich.  
Und ich will nicht verhehlen, dass ich Mitglied in der "Gesellschaft für eine Glaubensreform"bin - und schon von daher dem Bild von Jörns recht nahe stehe - und mich mit meinem Gottesbild in dem Leserbrief von Simone Brietzke aus Willmenrod am besten wiederfinde - in dem sie schreibt: ... *) "Wir polarisieren schnell in ein Entweder-oder. Die moderne Physik lehrt uns aber, dass die Natur auch doppeldeutige Antworten gibt" ...(s.d.) - S!

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