Menschen sind kein Geschmeiß
Von Hannes Stein | welt.de
Die Erde wäre ohne uns besser dran – so kann man das Weltbild radikaler Ökologen zusammenfassen. Aber diese Ideologie des Antihumanismus ist nicht nur falsch, sondern gefährlich.
Zu den vielen Filmen dieses Jahres, die Sie sich nicht ansehen müssen, gehört „mother!“ von Darren Aronofsky. Javier Bardem und Jennifer Lawrence spielen dort ein Paar, das ein Haus repariert. Beide sind glücklich. Dann tauchen Leute auf, ein Mann und eine Frau, die sich merkwürdig benehmen (Ed Harris und Michelle Pfeiffer); dann erscheinen ihre Söhne, von denen einer den anderen umbringt, und Jennifer Lawrence muss wieder aufräumen.
Die Schönheit der Natur verdient es, genauso gepflegt und erhalten zu werden wie Kunstwerke. Ihr Nutznießer ist der Mensch. Foto: S!|photography |
Sie gebiert ein Kind, Javier Bardem schreibt ein Gedicht. Plötzlich überflutet ein Mob das Haus, reißt das Baby in Stücke und zertrümmert die Möbel. Das Ganze ist eine Allegorie, versteht sich. Bardem ist Gott, Jennifer Lawrence ist Mutter Natur, das Haus ist die Erde, der Mob ist die Menschheit.
Als Kunstwerk ist „mother!“ nicht weiter bemerkenswert, aber der Film steht beispielhaft für eine Geisteshaltung, die sich in Hollywood (erinnern Sie sich noch an „Avatar“?) und nicht nur dort breitgemacht hat. Es ist die Geisteshaltung des Antihumanismus – einer fundamentalen Misanthropie, deren ideologische Wurzel der Ökologismus ist. Ungefähr: Die Menschen sind ein Geschmeiß, die Welt wäre ohne uns besser dran.
Diese Geisteshaltung ist philosophisch widersinnig. Denn: Von welchem Standpunkt aus wird denn da die Menschheit verurteilt? Von einem menschlichen Standpunkt aus kann der Urteilsspruch offenbar nicht erfolgen – Punkt eins der Anklage war ja, dass die Menschheit durch und durch verrottet ist.
Es gibt keine „Mutter Natur“
Also kann sie logischerweise auch keine moralischen Maßstäbe setzen, anhand derer sie zum Tode verdammt werden muss. Wird die Menschheit dann vom göttlichen Standpunkt aus verurteilt? Aber wer weiß eigentlich so genau, was Gott im Einzelnen über die Menschheit denkt? (In der Bibel und im Koran ist eher von einem barmherzigen Gott die Rede, der den Menschen ihre Sünden wieder und wieder vergibt.)
Wird die Menschheit vom Standpunkt der Natur aus gerichtet? Aber „die Natur“ gibt es nicht. „Die Natur“ ist einfach die Summe aller natürlichen Prozesse, sie ist kein Subjekt. Damit „die Natur“ über die Menschheit richten kann, müssen wir sie erst einmal mythologisieren – wir müssen sie zu einer Gottheit machen, zu „Mutter Natur“.
Und Mutter Natur ist grausam. Mutter Natur kennt eigentlich nur ein Recht, das Recht des Stärkeren. (Lesen Sie mal ein Lehrbuch über Evolutionsbiologie!) Jede andere Spezies hätte, wenn sie über die Machtmittel des Menschen verfügen würde, den Planeten längst verwüstet. Was den Menschen vor anderen Tieren auszeichnet: Er kann innehalten, nachdenken, sich korrigieren.
Selbstverständlich ist der Gedanke des Naturschutzes keineswegs abwegig. Er ergibt aber nur dann Sinn, wenn er konsequent vom Standpunkt des Menschen aus gedacht wird; wenn er als Funktion des Menschenschutzes aufgefasst wird – einmal auf direkte, dann aber auch auf indirekte Weise.
Direkt: Es liegt im Interesse des Menschen, dass er keine verpestete Luft einatmet, kein Gift im Wasser oder in der Nahrung zu sich nimmt, nicht radioaktiv verstrahlt wird. Die menschliche Zivilisation braucht eine bestimmte Betriebstemperatur, um zu überleben.
Die menschliche Gattung überlebt allerhand, auch eine Eiszeit – eine hoch entwickelte technologische Zivilisation wie die unsere überlebt eine solche Katastrophe nicht. Also müssen wir Emissionen drosseln, Abgase filtern, nach neuen Methoden suchen, Strom zu erzeugen und zu speichern.
Aber in keinem Fall liegt die Lösung in einem „Zurück zur Natur“. Die Lösungen liegen vielmehr auf dem Gebiet der Technik. Es sind Leistungen von Wissenschaftlern und Ingenieuren gefragt: effizientere Formen der Solarenergie, leistungsfähigere Batterien, Fusionsreaktoren. An alldem wird übrigens längst fleißig gearbeitet.
Die indirekte Form des Naturschutzes hat nicht mit dem Überleben der Menschheit, sondern mit Ästhetik zu tun. So wie wir die „Mona Lisa“ nicht in das vollgequalmte Hinterzimmer einer Kneipe hängen würden, sollten wir die Hänge des Grand Canyon nicht mit Fünf-Sterne-Bettenburgen aus Beton zupflastern.
Nur ein Riss im Felsen
Schönheiten der Natur verdienen es, genauso gepflegt und erhalten zu werden wie Kunstwerke. Darum sind die amerikanischen Nationalparks solch eine wunderbare Idee – und Plänen der Regierung Trump, in Alaska, ausgerechnet dort, nach Öl zu bohren, wo Eisbär und Rentier einander guten Tag sagen, sollte unbedingt widerstanden werden.
Aber auch hier ist der Nutznießer letzten Endes wieder der Mensch. Für sich selber genommen ist der Grand Canyon weder schön noch erhaben, er ist einfach nur ein Riss im Felsen. Erhaben wird er erst durch den Blick des Menschen, der ihn betrachtet.
Die modische Ideologie des Antihumanismus ist nicht nur philosophisch falsch, sie ist auch gefährlich. Denn der Antihumanismus pflegt sich erst einmal gegen Leute zu richten, die anders aussehen oder einer anderen Gesellschaftsklasse angehören als derjenige, der die Natur so schrecklich gern vor der Menschheit schützen möchte. Plötzlich wird das Leben von Elefanten dann wichtiger als das Leben von afrikanischen Babys.
Mörderische Szenarien
Die meisten Antihumanisten glauben an die fünfzehnfach widerlegte malthusianische Ideologie von der Überbevölkerung. Dann wird es ganz schnell mörderisch: Hungerkatastrophen gelten als grausame, aber notwendige Rache der Natur, und der Ebola-Virus verrichtet das Werk des Herrn. Es liegt in der Logik des Antihumanismus, Menschen ihrem Elend zu überlassen und im Übrigen darauf zu hoffen, dass die westliche Zivilisation möglichst bald kollabiert.
Diese Haltung wird mittlerweile in populären Kunstwerken ganz offen gefeiert: Der Held von Dan Browns vorletztem Roman („Inferno“) ist ein Mann, der die Menschheit mit einem künstlich geschaffenen Virus ansteckt, der bei fünfzig Prozent aller Infizierten zu Unfruchtbarkeit führt. Gott (oder wer immer die Hand über uns hält) beschütze uns – wenn die DNA-Forschung weiter Fortschritte macht – vor Öko-Terroristen, die solche Wahnsinnspläne in die Tat umsetzen.
Es gibt keine Überbevölkerung. Die Menschheit wird vielleicht auf zehn Milliarden anwachsen und sich auf diesem Stand einpendeln. Gleichzeitig wird sie immer reicher. Mit zunehmendem Reichtum entwickeln sich auch die Möglichkeiten, pfleglich mit der Natur umzugehen. Nein, Menschen sind kein Geschmeiß. Menschen sind – mit einer schönen Metapher aus der hebräischen Bibel zu sprechen – Gärtner. Bisher waren wir häufig schlechte Gärtner, aber wir haben alle Chancen, gute Gärtner zu werden.
tja - ich habe das mal hier im blog eingestellt - um darüber auch philosophisch zu meditieren ... der autor hat ja irgendwie auch recht - und gegen einen inhumanen ökologismus bin ich ja auch - aber irgendwie geht der autor für meine begriffe immer noch zu sehr davon aus, dass der mensch die "krone der schöpfung" sei ...
wenn wir uns alle unserer tierischen ahnen bewusst würden, dass wir menschen auch "nur" eine besondere affen-spezies sind - abhängig vom gesunden individuell funktionierenden mikrobiom, bestehend aus milliarden kleinstlebewesen - und uns einzureihen haben in die "natürliche kette" - und auch nur ein rädchen in der nie endenden evolution sind, die von unserem schöpfer einstmal in gang gesetzt wurde: "niemandes herrn - und niemandes knecht" - keine überflieger und keine unterpflügler ... - aber - sich damit "zu genügen" - das ist so schwer - da sei leider unser "natürlicher" egoismus vor - der auch gern mal über die stränge schlägt ... - S!
wenn wir uns alle unserer tierischen ahnen bewusst würden, dass wir menschen auch "nur" eine besondere affen-spezies sind - abhängig vom gesunden individuell funktionierenden mikrobiom, bestehend aus milliarden kleinstlebewesen - und uns einzureihen haben in die "natürliche kette" - und auch nur ein rädchen in der nie endenden evolution sind, die von unserem schöpfer einstmal in gang gesetzt wurde: "niemandes herrn - und niemandes knecht" - keine überflieger und keine unterpflügler ... - aber - sich damit "zu genügen" - das ist so schwer - da sei leider unser "natürlicher" egoismus vor - der auch gern mal über die stränge schlägt ... - S!