Viele Sowjets hassten Picassos Stalin-Porträt
Die alten Kulturkämpfe sind die neuen: Um freiheitliches Denken zu fördern, hat die CIA lange westlich gesinnte Künstler finanziert. Solche Verhältnisse könnten uns bald wieder bevorstehen.
Text: Felix Stephan | edition.welt.de
Für einen Moment sah es so aus, als würde der Kalte Krieg im Kopf von Pablo Picasso entschieden. Picasso lebte als spanischer Emigrant in Paris und schwankte zwischen den Systemen: An der Sowjetunion gefielen ihm das Zeitgeistige und die Neuerfindung des Menschen. Am Westen gefiel ihm die Freiheit.
Aber weil sich mit Louis Aragon, Camus, Sartre und Joliot-Curie die Pariser Intelligenzija damals eher in den Zirkeln der Kommunistischen Partei Frankreichs versammelte, trat 1944 auch Picasso in die Partei ein, und die USA hatten ein Problem. Die bekanntesten Köpfe der europäischen Kulturwelt neigten in der Nachkriegszeit eher Stalin zu als Truman. Die Sowjetunion war im Begriff, moralisch und intellektuell die Oberhand zu gewinnen.
Drei Jahre später richtete die CIA deshalb in West-Berlin den „Kongress für Kulturelle Freiheit“ aus, den CCF, auf dem freiheitlich gesinnte Intellektuelle über das Denken im Individualismus berieten. Die Sowjetunion hatte die Gerechtigkeit und den Humanismus monopolisiert, den kapitalistischen USA fehlte die Inspirationskraft.
Avantgarde und Freiheit
Die Aufgabe des CCF bestand nun darin, die intellektuelle Öffentlichkeit auf Vorteile die individuellen Freiheit aufmerksam zu machen. Auf der Gästeliste unter anderem: Tennessee Williams, Sebastian Haffner, Dolf Sternberger, Adolf Grimme. Von Paris aus finanzierte der CCF zwei Jahrzehnte lang Zeitschriften, Künstler und Ausstellungen, die Intellekt und Avantgarde mit persönlicher Freiheit verknüpften.
Der CCF veröffentlichte Zeitschriften wie „Der Monat“ oder „The Paris Review“, richtete große Ausstellungen avantgardistischer Malerei in Berlin, Paris, Tokio aus und unterstützte Heinrich Böll und Siegfried Lenz. In den zwei Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wanderte der ästhetische Vorsprung langsam von Ost nach West.
Die Kanonisierung von Jackson Pollock, die Auratisierung der Konsumkultur, die Pop-Art: All das war Ende der Sechziger weitgehend etabliert. Als öffentlich wurde, dass sich hinter dem CCF die CIA verbarg, stand zwar nahezu eine ganze Kunstepoche blamiert da. Eine Generation, die sich selbst als ideologiekritisch verstanden hat, ist selbst für eine der konkurrierenden Weltanschauungen in den Dienst genommen worden. Andererseits konnten zwei Jahrzehnte Kunstgeschichte auch nicht einfach zurückgenommen werden.
Verdeckte Operationen
In Berlin fächert jetzt die umfangreiche Ausstellung „Parapolitik“ diese Geschichte noch einmal auf. Die Ausstellung findet im Haus der Kulturen der Welt statt, eine Konferenzhalle, die die USA 1956 in West-Berlin errichtet haben, so nah vor die Tore Moskaus wie eben möglich, und in der es von Anfang an vor allem um freies Denken und freies Sprechen ging.
Das Haus war damals selbst Teil der amerikanischen Kulturoffensive und unterscheidet sich von den verdeckten Operationen der CIA nur insofern, als es für jedermann sichtbar direkt an die Spree gebaut wurde. Was man gern als Kommentar lesen darf.
Einerseits geht es hier also um die Frage, wie groß der Einfluss der CIA auf die Kunstgeschichte tatsächlich gewesen ist. Schließlich heißt das, was die CIA in den Fünfzigern und Sechzigern heimlich gemacht hat, heute einfach Kulturpolitik und ist nicht nur vollkommen unkontrovers, sondern auch unglaublich langweilig.
Pinochet und Khomenei
Jede Stiftung, jeder Berufsverband vergibt heute Preise und Stipendien an Künstler, ohne deshalb gleich in Verdacht zu geraten, sich der kunsthistorischen Manipulation schuldig zu machen. Und andererseits geht es um die Frage, ob das Geld der CIA in den Taschen von Heinrich Böll und Jackson Pollock nicht vielleicht ohnehin besser aufgehoben ist als in den Sicherheitsapparaten von Pinochet oder Khomenei.
Und drittens wirft die Ausstellung die Frage auf, ob Malerei und Literatur nicht vielleicht ganz probate Instrumente sind, um Kulturkämpfe auszufechten. Eine Frage, die in Deutschland längst wieder hohe Dringlichkeit hat. Schließlich wird der Kulturkampf, der lange als gewonnen abgeheftet war, gerade wieder eröffnet.
Bis vor Kurzem hätte sich in Deutschland noch kaum jemand gefunden, der hätte bestreiten wollen, dass Bücher, Bilder und Gedanken am besten unter den Bedingungen der individuellen Selbstbefragung und Zweckfreiheit entstehen. Seit mit der AfD allerdings wieder eine Partei in die Kulturausschüsse einzieht, die von der Kultur Erbauung und nationale Identifikation erwartet, stehen sich auf deutschem Boden wieder zwei konkurrierende Kulturbegriffe gegenüber.
Genosse Stalin
In gewissem Sinne flammt eine Diskussion wieder auf, die ebenfalls schon einmal am Beispiel Pablo Picassos ausgetragen wurde: Als Stalin 1953 starb, bestellte Louis Aragon, damals Chefredakteur der sozialistischen Zeitung „L’Humanité“, bei Picasso ein Stalin-Porträt. Picasso zeichnete eine rundliches, freundliches Gesicht mit Schnurrbart, das ein wenig aussah wie Super Mario, und Aragon druckte das Porträt auf die Titelseite von „L’Humanité“.
Eine ernste Krise brach am 5. März 1953 aus, als Picasso für Les Lettres françaises - einer Beilage von L'Humanité - das Porträt von Stalin zeichnete, der gerade gestorben war. Das Ergebnis wurde vom kommunistischen Parteiapparat als respektlos betrachtet ...
... wenn man dieses Foto von Moses Solomonowitsch Nappelbaum aus 1924 betrachtet, war Picassos Zeichnung "ohne Modell" so schlecht nicht ... |
Hier betrachtet Picasso 1949 ein Plakat von Stalin - AFP |
Es war das erste Porträt, das Picasso von Stalin je gezeichnet hatte, eigentlich ein großer Coup, mit dem „L’Humanité“ alle anderen Zeitungen übertrumpfen wollte. Unter den kommunistischen Lesern löste das Bild allerdings Bestürzung aus. Picassos Porträt, hieß es in den Leserbriefen, erniedrige den Genossen Stalin, der Künstler habe seine Rolle in der sozialistischen Gesellschaft nicht verstanden, und wie man mit diesem Gekrakel die arbeitenden Massen inspirieren solle, solle er, Picasso, bitte auch erst mal erklären.
Auch der russophile Nationalismus der Gegenwart verlangt von der Kunst weniger Form- und Bewusstseinskritik als vielmehr Erbauung und historisierende Identitätspflege. Die AfD fordert in ihrer Kulturpolitik einen stärkeren Fokus auf „das Deutsche“ und meint damit nicht Fatih Akin. Trump hängt in seine Arbeitsräume am liebsten idealisierte Porträts von sich selbst. Wladimir Putin profiliert sich als Gegner der Punkband Pussy Riot. Die polnische Regierung verbietet Theaterstücke von Elfriede Jelinek.
Prozesse und Sanktionen
Einerseits scheint die Ausgangslage also ganz ähnlich zu sein wie in den Vierzigern: Es scheint nach wie vor Kunst zu geben, die wegen ihrer Lautstärke, ihrer Vulgarität, ihrer Unzugänglichkeit in der Lage ist, traditionalistische Politiker zu erschrecken. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei diesen ästhetischen Grenzziehungen eher um rechte Folklore handelt.
Wenn einem Autokraten heute an der Widerspenstigen Zähmung gelegen ist, muss er die Kunst heute nicht mehr unbedingt aufwendig zensieren, was immer auch öffentliche Kritik, Prozesse, Sanktionierungen mit sich bringt. Am Ende kommt es ihn vielleicht billiger, wenn er sie einfach kauft.
In den USA zum Beispiel verfügen die Regierungsberater Jared Kushner und Ivanka Trump über eine 25-Millionen-Dollar schwere Kunstsammlung, die überwiegend aus rebellischer amerikanischer Malerei im Geiste genau jenes Abstrakten Expressionismus besteht, den die CIA in der Nachkriegszeit gegen die Sowjetunion gerichtet hat: Dan Colen, Alex Israel, Nate Lowman. Die Trumps zeigen sich gern in Gegenwart dieser Kunstwerke, als läge darin eine Art Absolution.
Nur der Handelswert
Als Ivanka Trump allerdings einmal auf ihrem Instagram-Kanal ein Bild veröffentlichte, auf dem sie neben einem Gemälde von Alex da Corte posierte, antwortete der Künstler in den Kommentaren und forderte Ivanka Trump auf, seine Bilder abzuhängen. Es sei ihm peinlich, mit ihr gesehen zu werden. Der Künstler Richard Prince hat kurz darauf abgestritten, dass die Richard-Prince-Werke in der Sammlung Trump von ihm stammten, um sie auf diese Weise zu entwerten.
Worin sich für jene, die Kunst gern für ein autarkes Bezugssystem halten möchten, das die profane Wirklichkeit mit alternativen Wertvorstellungen herausfordert, vermutlich die bitterste Lektion verbirgt: Das subversive Potenzial amerikanischer Gegenwartskunst beschränkt sich auf ihren Handelswert. Kulturkämpfe, in denen es um die Herzen zwischen den Systemen schwankender Europäer geht, gewinnt man damit eher nicht.
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künstler müssen ja auch zu lebzeiten geld verdienen - und da bleibt oft nur die annahme von simplen nicht immer unverdächtigen auftragsarbeiten - oder auch das einschicken von skizzen und bildmaterialien an die redaktionen und (kunst)verlage in der hoffnung, ein honorar zu erhalten, wenn das werk "genommen" und veröffentlicht wird ...
aus einem gespräch des alten martin walser mit seinem sohn jakob augstein las ich heute, dass martin walser seine leibliche mutter keineswegs als "nationalsozialistin" wahrgenommen sehen möchte: sie sei in die nsdap eingetreten, weil sie die gaststätte zu führen gehabt hätte - es sei ihr in erster linie "ums geschäft" gegangen ...
so ähnlich muss man wohl das stalin-porträt auch sehen: picasso brauchte geld - und da war es ihm wahrscheinlich mit der ideologie nicht so weit her ...
ähnliches meint man ja auch von emil nolde zu wissen: der schickte an goebbels einen bittbrief, doch seinen beruf wieder frei und ungezwungen ausüben zu können - denn er bekam wegen seines expressionistischen malstils berufsverbot - versicherte aber der ns-partei "eigentlich" durchaus loyalität ...
und auch bei vater gurlitt muss man ja die "krämerseele" als kunsthändler wahrnehmen bei allen "geschäften" mit dem regime ...
und den slogan "friss oder stirb" machten sich die propagandaabteilungen der geheimdienste durchaus zu eigen ... -S!
künstler müssen ja auch zu lebzeiten geld verdienen - und da bleibt oft nur die annahme von simplen nicht immer unverdächtigen auftragsarbeiten - oder auch das einschicken von skizzen und bildmaterialien an die redaktionen und (kunst)verlage in der hoffnung, ein honorar zu erhalten, wenn das werk "genommen" und veröffentlicht wird ...
aus einem gespräch des alten martin walser mit seinem sohn jakob augstein las ich heute, dass martin walser seine leibliche mutter keineswegs als "nationalsozialistin" wahrgenommen sehen möchte: sie sei in die nsdap eingetreten, weil sie die gaststätte zu führen gehabt hätte - es sei ihr in erster linie "ums geschäft" gegangen ...
so ähnlich muss man wohl das stalin-porträt auch sehen: picasso brauchte geld - und da war es ihm wahrscheinlich mit der ideologie nicht so weit her ...
ähnliches meint man ja auch von emil nolde zu wissen: der schickte an goebbels einen bittbrief, doch seinen beruf wieder frei und ungezwungen ausüben zu können - denn er bekam wegen seines expressionistischen malstils berufsverbot - versicherte aber der ns-partei "eigentlich" durchaus loyalität ...
und auch bei vater gurlitt muss man ja die "krämerseele" als kunsthändler wahrnehmen bei allen "geschäften" mit dem regime ...
und den slogan "friss oder stirb" machten sich die propagandaabteilungen der geheimdienste durchaus zu eigen ... -S!