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ich kann die schwerkraft meines alters nicht entdecken

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Karriere mit 100

Trend: Auf dem Kunstmarkt und Großausstellungen feiern hochbetagte Künstler derzeit international Erfolge.

Carmen Herrera zeigt 70 Werke aus 70 Arbeitsjahren in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf

Von Dorothea Hülsmeier | nw


Carmen Herrera ist 102 - und die kubanisch-amerikanische Künstlerin startet jetzt richtig durch. Das Whitney Museum in New York widmete der hochbetagten Herrera, die zu den Pionieren des abstrakten Expressionismus in den USA zählte, unlängst eine Ausstellung. Ab Samstag ist die Schau auch in Düsseldorf in der Kunstsammlung NRW zu sehen - erweitert unter anderem durch eine abstrakte Grün-Blau-Komposition, die Herrera gerade erst fertiggestellt hat. 

Herrera dürfte eine der ältesten noch aktiven renommierten Künstler sein. Sie ist aber längst nicht die einzige Künstler-Seniorin auf Erfolgskurs. Auf der Documenta und der Biennale Venedig wurde die Rumänin Geta Bratescu gefeiert - sie ist 91.

Der deutsche Konzeptkünstler Franz Erhard Walther ist dagegen mit 78 Jahren noch geradezu jung. Auf der Biennale wurde er mit dem Goldenen Löwen als bester Künstler ausgezeichnet - für seine "radikalen" Arbeiten.

Und in Siegen ist derzeit die erste Retrospektive der Fluxus- und Performance-Künstlerin Takako Saito zu sehen. Sie ist 88 und hat im Museum für Gegenwartskunst zwölf Räume mit mehr als 200 Arbeiten selber eingerichtet.

Geta Brătescu: Self-portrait with Bird, 1988, drawing, 29.5 x 42 cm




Hinter dem Erfolg der Kunstsenioren stecken auch Marktinteressen 

Senioren prägen den aktuellen künstlerischen Diskurs entscheidend mit. Bei Herrera und Bratescu kommt hinzu, dass sie als Frauen Jahrzehnte von Kunstgeschichte und Markt ignoriert wurden. Herrera verkaufte ihr erstes Bild mit 89 Jahren. Dabei war sie mit ihren abstrakt-geometrischen Kompositionen in knalligen Farben nicht weniger avantgardistisch als ihre Kollegen Josef Albers oder Piet Mondrian, mit denen sie schon nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen ausstellte.

"Museen und Institutionen versuchen, einen neuen Blick auf die Kunstgeschichte zu werfen", sagt Katia Baudin, Direktorin der Krefelder Kunstmuseen, die sich mit Herrera und Walther beschäftigt hat. In den letzten Jahren rückten vor allem Künstlerinnen stärker in den Fokus. "Man will zeigen, dass sie die gleiche Qualität hatten und in denselben Netzwerken wie Männer waren."

Warum aber haben gerade alte Künstler derzeit so großen Erfolg? "Die alten Künstler stellen auch aus heutiger Sicht Fragen, die wieder aktuell sind", sagt Baudin. "Ein Künstler zu sein, ist ja auch kein Nine-to-five-Job, bei dem man mit 65 in Rente geht. Das ist ja ein Leben."

Carmen Herrera: Red & Blue, 1993.



Wenig beachtet wurde auch Franz Walther, der immer seiner Heimat Fulda treu geblieben ist. Dieses Jahr wurde er zum ersten Mal zur Biennale nach Venedig eingeladen - und räumte gleich den Löwen ab. "Er ist ein ,Künstler-Künstler?, dessen Werk unbestritten ist", sagt die Düsseldorfer Professorin für Kunstgeschichte, Ulli Seegers. Viele jüngere Künstler sähen in Walther ein Vorbild. Jonathan Meese und Martin Kippenberger waren seine Schüler. Die Qualität und das ausgereifte Werk älterer Künstler seien ja jetzt sogar beim berühmten britischen Turner-Prize angekommen: Auch Künstler über 50 dürfen neuerdings nominiert werden.

Der Berliner Galerist Juerg Judin sieht hinter dem Erfolg der Kunstsenioren allerdings auch schnöde Marktinteressen. "Die Anschubkraft hinter der Wiederentdeckung eines Künstlers ist der Kunstmarkt, nicht ein Museum", sagt er. So sei auch Carmen Herrera vor einigen Jahren "gezielt neu aufgestellt" worden.

Die meisten spektakulären Wiederentdeckungen auf dem Kunstmarkt der vergangenen Jahre seien auf den Kunstmarkt zurückzuführen, meint Judin. Die Galeristen hätten erkannt, dass die Neuauflage eines Künstlers einfacher und weniger risikoreich sei als einen jungen Künstler neu zu lancieren. Die wiederentdeckten Künstler hätten bereits "einen Wert und ihren Platz in der Kunstgeschichte". Es gehe nur noch darum, "sie zum Glänzen zu bringen". Dass sich Wiederentdeckungen so häuften, liege auch daran, "dass wir einen sehr großen Kunstmarkt und wachsenden Absatzmarkt haben".

Geta Bratescu musste 90 werden, bis sie international wahrgenommen wurde. Ihre Wohnung in Bukarest verlässt sie kaum noch. Seit mehr als einem halben Jahrhundert produziert sie dort unaufhörlich Kunst. Ideen gehen ihr nie aus. "Ich kann die Schwerkraft meines Alters nicht entdecken", sagte sie einmal.

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Die Schau "Carmen Herrera - Lines of Sight" ist von Samstag bis 8. April in der Kunstsammlung NRW, Grabbeplatz 5, in Düsseldorf zu sehen. Geöffnet mi. 13-13.30 Uhr, do. 16.30-17.30 Uhr; so./feiertags 15-16 Uhr. 

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Das Geheimnis der Alterskreativität 
Warum Menschen auch im hohen Alter noch kreativ sind, erklärt der Heidelberger Gerontologe Andreas Kruse, der auch ein Buch über Johann Sebastian Bach geschrieben hat:
  • Die Künstler haben im Laufe ihres Lebens hochdifferenzierte und leicht abrufbare Wissens- und Handlungssysteme entwickelt. Sie wissen unglaublich viel. 
  • Fleiß: Sie arbeiten immer wieder an den Themen und versuchen auch immer wieder, in ein neues Thema einzudringen.
  • Kreativitätsgeschichte: Sie müssen schon früh in ihrer Biografie begonnen haben, sich mit bestimmten künstlerischen Bereichen auseinanderzusetzen, darin auch quer zu denken und etwas Neues zu entwickeln. 
  • Motivation: Sie wollen ihre Kreativitätsgeschichte in gewisser Weise abrunden. Und an dieser arbeiten sie wie an einer Skulptur. 
  • Persönliches Altersempfinden: Sie fühlen ihr hohes Alter als eine Phase künstlerischer Vollendung.
  • Nachwelt: Die Künstler wollen im hohen Lebensalter etwas an die Nachwelt weitergeben und symbolisch in den nachfolgenden Generationen weiterleben. 


© 2017 Neue Westfälische | Donnerstag 30. November 2017

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beuys soll einmal ausgerufen haben: "jeder mensch ist ein künstler" - und wollte damit seinen "erweiterten kunstbegriff" einführen: nämlich sich zu lösen von alten maßstäben, was "schön" sei - den persönlichen "schönheitsbegriff" zu erweitern und zu ergänzen - auch mit "unschönen" sachen: das berühmte monumentalwerk von picasso "guernica" ist ja nun mal nicht im gängigen sinne "schön" - und soll es ja auch gar nicht sein: als ein mahnmal gegen krieg & gewalt ...

nach beuys sollte kunst das alltägliche leben des menschen bereichern und verändern - und den menschen auch "ein-stück-weit" erziehen ... - so wie es vielleicht bei der kleinen schwester der kunst, dem "design" schon längst passiert ...

"kunst" ist also eine sehr eigen-"art"ige sache: es kommt auf die persönliche gestimmtheit im hier & jetzt an, auf den zeitgeist, den marktwert, auf lichtverhältnisse, auf sehnsüchte, auf musisches und mystisches verstehen, auf archetyp-deutungen - und auf "was hat das jetzt im moment mit mir zu tun ??? " - das gilt für das kunstschaffen sowie für die kunstbetrachtung und -einordnung ...

auch der "junge" gurlitt beteuerte bis zu seinem ende, dass er sich von seinen "schätzen" nicht trennen wolle - und er verkaufte nur einzelstücke, um zu überleben ... und die herkunft und provenienz seiner vielen hundert werke, geerbt vom vater, interessierte ihn kaum ...

das alles zeigt, dass kunst im altwerden der einzelnen menschen und im altwerden der erde zeitlos gleichmäßig strahlend bleibt, sich erhält und sich befeuert: die höhlenkunst von altamira sowie das letzte etwas hingeschmierte bild von jonathan meese etwa zeigen diese zeitlosigkeit und alterslosigkeit - und auch die 450 millionen für den pseudo-leonardo "salvator mundi" sind dafür beweis ... es ist deshalb egal ob ein künstler 5 jahre alt ist oder 105 - die kunst steht erhaben triumphierend darüber ... S!



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