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KRITIK VON FRANZISKUS
Das Vaterunser umdichten? Schon die Goten wussten es besser
Der Papst kritisiert den deutschen Text des Vaterunsers. Warum es falsch wäre, das christliche Ur-Gebet so umzudichten, dass Gott keine aktive Rolle bei der Versuchung spielt – ein Blick auf 1700 Jahre Übersetzungstradition.
Die Pointe dürfte vielen entgangen sein: Ein Mann, von dem nichts in der Bibel steht, der auf Spanisch und Lateinisch betet und der einer christlichen Konfession vorsteht, die bis 1980 keine kirchlich approbierte Übersetzung der Bibel in unsere Muttersprache hatte, entfacht im italienischen Fernsehen eine Diskussion über die deutsche Übersetzung des Vaterunsers.
Papst Franziskus sagte in einem Interview mit dem italienischen Sender TV2000, der Vers „Und führe uns nicht in Versuchung“, wie es etwa in der deutschen und auch in der italienischen Version des Vaterunsers heißt, sei „keine gute Übersetzung“. Besser sei: „Lass mich nicht in Versuchung geraten.“ Denn: „Ich bin es, der fällt, aber es ist nicht er, der mich in Versuchung geraten lässt.“ Ein Vater mache so etwas nicht. „Wer dich in Versuchung führt, ist Satan.“
So einleuchtend das für moderne Christen mit ihrer Sehnsucht nach einem widerspruchsfreien Wellnessgott klingen mag: Es würde eine 1700-jährige Übersetzungstradition auf den Kopf stellen, wenn die deutschen Katholiken, getrieben vom Diktum des Papstes, nun dem französischen Vorbild folgten. Dort haben die Bischöfe den Text bereits so geändert, dass es jetzt heißt: „Et ne nous laisse pas entrer en tentation“ (Lass uns nicht Versuchung geraten/eintreten).
Schon die Goten wussten es besser als Franziskus
In Deutschland ist dagegen seit der frühen Neuzeit, als man anfing, den griechischen Urtext zu verstehen und ernst zu nehmen, kein relevanter Übersetzer auf die Idee gekommen, jenes Gebet, das Jesus selbst seine Jünger gelehrt haben soll, so umzudichten, dass Gott keine aktive Rolle bei der Versuchung spielt. Schon in der Übersetzung des gotischen Bischofs Wulfila, der des Griechischen mächtig war, hieß es um 350 n. Chr.: „jah ni briggais uns in fraistubnjai“ (Und nicht bringe uns in Versuchung). In den althochdeutschen Fassungen des 9. Jahrhunderts wird immer gebeten, Gott möge uns nicht in Versuchung leiten oder verleiten.
Als Griechischkenntnisse verloren gingen, gab es zwar schon mal Versuche, den klaren Wortlaut des Originals zu verweichlichen. Mittelhochdeutsch übersetzte um 1050 Reinmar von Zweter die entsprechende Stelle ziemlich frei: „vor sünden kor sô mache uns vrî“.
Doch spätestens seit der Humanist Erasmus von Rotterdam 1516 erstmals den griechischen Urtext des Neuen Testaments drucken ließ und ihn damit allgemein zugänglich machte, herrschte kein Zweifel mehr daran, dass Gott selbst den Gläubigen aktiv in Versuchung führen könnte. Erasmus’ Ausgabe legte auch Martin Luther seiner Übersetzung zugrunde. Im sogenannten Septembertestament von 1521 heißt die entsprechende Stelle mit „vnnd fure unns nitt ynn versuchung“. In der Ausgabe von 1545, der letzten vor dem Tod des Reformators, kommt der Vers der heutigen Fassung dann noch näher: „Vnd füre vns nicht in versuchung.“
Wo Luther und Emser sich einig waren
Das war keineswegs die spinnerte Idee eines Ketzers, der sich gegen die restliche religiöse Welt stellte. Luthers katholischer Gegenspieler Hieronymus Emser übersetzte 1527 mit „Vnd nit für vns inn versuchung“. Der Schweizer Reformator Ulrich Zwingli, die 1524 die Bibel unabhängig von Luther übersetzte, nannte das Gebet zwar „Unservater“ (so heißt es bis heute in der Schweiz und bei vielen Reformierten), aber auch er ließ keine Zweifel an der Rolle Gottes: „vnd füre vns nit in versuchug“. Alle drei genannten Übersetzer griffen dabei vermutlich auf ältere Übersetzungstraditionen zurück. Das Vaterunser war, schon lange bevor man sich an Übersetzungen der Gesamtbibel wagte, allgemein auf Deutsch bekannt.
Luther hat sich nicht zu Unrecht gerühmt, seine deutsche Bibel sei, weil sie dem Urtext folge, akkurater als für die katholische Kirche bis heute grundlegende lateinische Bibelfassung, die Vulgata. Allerdings gibt es auch bei den Protestanten Tendenzen, an den Bibelworten herumzubasteln. Das Vaterunser in der nahe an der Alltagssprache angesiedelten „Gute-Nachricht-Bibel“ kommt Leuten, die die offizielle Luther-Version auswendig können, befremdlich vor. Die Versuchungsstelle lautet da: „Und lass uns nicht in die Gefahr kommen, dir untreu zu werden.“ Insofern ist es etwas seltsam, wenn nun die evangelische Bischöfin Margot Käßmann auf die Papstkritik erwidert: „Ich bin dafür, das Vaterunser zu belassen, wie es ist.“
welt.de
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tja - viel worte um nichts - oder wo man besser geschwiegen hätte ... - dem papst geht es ja wohl in erster linie um den "geist" des vaterunsers und nicht um worte ... - und es scheinen aber auch in der katholischen welt immer mehr schwestern und brüder päpstlicher als ihr papst sein zu wollen ...
oben im video sagt lucas wiegelmann von der "welt" auch - das vaterunser sei ein ganz intimes gebet mit dem "vater" - jesus nannte gott sogar zärtlich den "abba" - den "papa" ... - und ein solches intimes gebet mit gott, mit gott dem vater also, geschieht ja quasi "von angesicht zu angesicht" - von herz zu herz - ein inneres gespräch im dialog - im miteinander - geht also fast keinem außenstehenden etwas an - auf vorab verteilten hochoffiziellen redetext-manuskripten heute bei parteien und regierung steht oft der hinweis: "es gilt das gesprochene wort" ... - von daher ist es wortwörtlich völlig egal, was da wo in welcher formulierung aufgeschrieben steht und welche worte ich an welcher stelle setze und gebrauche oder eben nicht ausspreche - auf den geistlichen inhalt kommt es an ... - ein "vollgültiges" vaterunser etwa gibt es natürlich nicht - ein "falsches" folglich auch nicht ...
jesus selbst gibt ja nicht einzig einen "genormten" wortlaut des vaterunser's als textlichen gebetsvorschlag - zuvor äußert er sich auch zum äußeren gebets-"ambiente":
jesus selbst gibt ja nicht einzig einen "genormten" wortlaut des vaterunser's als textlichen gebetsvorschlag - zuvor äußert er sich auch zum äußeren gebets-"ambiente":
- und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die heuchler, die gern in den synagogen und an den straßenecken stehen und beten, damit sie von den leuten gesehen werden. wahrlich, ich sage euch: sie haben ihren lohn schon gehabt.
- wenn du aber betest, so geh in dein kämmerlein und schließ die tür zu und bete zu deinem vater, der im verborgenen ist; und dein vater, der in das verborgene sieht, wird dir’s vergelten.
- und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele worte machen.
- darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. denn euer vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.
(matthäus 6, 5-9)
natürlich ist dieser in mir und mit mir kommunizierende und impulsgebende "papa" ein gott, der es gut mit mir meint - ein "lieber gott" von kleinauf, der mir nichts böses will, mich nicht aufs glatteis führen will ... und auch die redakteure und allzu späten protokollanten dieses scheinbaren "original"-vaterunsers, die evangelisten lukas und matthäus, die das gebet erst ca. 60-80 jahre später durch hörensagen notierten bzw. von der ominösen "quelle q" abkritzelten (die evangelisten markus und dann johannes kennen das vaterunser überhaupt nicht ...), unterstellen meines erachtens diesem gott nicht, dass er uns etwa aktiv handelnd"versuchen" und "verführen" will in der ominösen zeile - und uns prüfen - und auf die probe stellen will ... das kennen wir ja heute aus den quiz-sendungen und im multiple-choice-verfahren bei der führerscheinprüfung etwa ... - aber so stellen sich eben immer noch viele menschen einen dräuenden gott, den strafenden und knobelnd schicksalspielenden gott mit dem langen bart dort droben im himmel vor - der mit uns auch seinen schabernack treibt - so ein bisschen wie "ätsche-bätsche - fit-fit-fit" - wenn wir auf eine von ihm gestellte "versuchung" dann doch auch noch hereinfallen ...
nee - so meinte jesus das in seiner textlichen gebets-"anweisung" an uns gewiss nicht: auch die derzeitige [deutsche] form: ... "und führe uns nicht in versuchung[en] [hinein]" ... setzt ja nicht automatisch einen verführenden, prüfenden, bewusst irreleitenden gott voraus: sondern ganz im sinne des papstes geht es eben darum, dass gott uns vor solchen versuchungen bewahren - weg- und vorbeiführen soll - er soll uns nicht hin in die täglich gestellten versuchungs-fallen "führen" - sondern uns aus dieser gefahr und möglichkeit heraus-"führen" - und schützen vor "versuchungen" - vor irreführungen ...
modern würden wir sicherlich an unseren gott als ein eingebautes "navi" denken: herr, "führe" uns auf den richtigen weg, "auf rechter straße", führe uns nicht in die irre, auf den falschen weg, führe uns nicht "in die falsche straße" - "sie haben ihr ziel erreicht" ...
heinrich albert (1604 - 1651), ein deutscher liederdichter und komponist, domorganist, dichtete die strophe und das gebet:
führe mich, o herr, und leite
meinen gang nach deinem wort.
sei und bleibe du auch heute
mein begleiter und mein hort.
nirgends als bei dir allein,
kann ich recht bewahret sein.
heinrich albert
ein weiterer aspekt - aber vielleicht ja auch der ursprünglichere - ergibt sich aus einem rückübertragungsversuch der betreffenden stelle aus jesu muttersprache, dem alt-aramäischen, und lautet: "und lass retten uns aus unserer versuchung" - danach möge gott uns (!) also die möglichkeit einräumen, dass wir uns aus unserer versuchung - mit seinem beistand - befreien können ... - so schreiben günther und jörn schwarz im "jesus-evangelium", s. XI, münchen 1993, einer experten-rückübertragung der evangelien aus dem alt-aramäischen ...
- niemand sollte also päpstlicher als der papst sein - meint S!
scan aus: s. XI: günther und jörn schwarz im "jesus-evangelium", münchen 1993, |