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so um die 50 mio.

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PICASSO-AUKTION
Hungrig nach Rekorden
Nach Rekordauktionen im vergangenen Jahr, giert der Kunstmarkt nach neuen Erfolgen: Warum das Porträt einer Frau mit Baskenmütze nun besonders große Erwartungen schürt.

Von Marcus Woeller |welt.edition





Lange in Privatbesitz, jetzt frisch auf dem Markt: Sotheby’s versteigert „Femme au béret et à la robe quadrillée (Marie-Thérèse Walter)“, gemalt von Pablo Picasso am 4. Dezember 1937
Copyright: Sotheby´s | Quelle: welt|edition

Sucht man bei diesem Auktionsobjekt den Schätzpreis, heißt es diskret: „estimate on request“. Nur auf Anfrage. Auf Anfrage des interessierten Kunden, versteht sich. Aber wie es manchmal ist bei Dingen, die so auffällig unauffällig bleiben sollen, war auch der Schätzpreis von Sotheby’s für Pablo Picassos „Femme au béret et à la robe quadrillée“ (Marie-Thérèse Walter) bald im Umlauf. Bei rund 50 Millionen Dollar soll er liegen. Da kann das Auktionshaus schon mal auf den sonst üblichen Rahmen zwischen unterer und oberer Schätzung verzichten. Ist schließlich eine schöne runde Zahl für das erste Toplos des Jahres 2018.

Man kann davon ausgehen, dass ein höherer Zuschlagspreis nicht nur erhofft, sondern auch erwartet wird. Immerhin war das Jahr 2017 nach einer kleinen Delle im Auktionsmarkt der beiden vorangegangenen Jahre mit einem unerhörten Paukenschlag zu Ende gegangen. Das Gemälde „Salvator Mundi“ von Leonardo da Vinci hatte nicht nur den Weltrekord auf ein völlig neues Maß gesetzt (Hammerpreis 400 Millionen Dollar plus 50 Millionen Aufgeld). Bei der Auktion hatte es auch einen langen Bieterwettstreit gegeben.

Das bedeutet: Die 350 Millionen, die der unterlegene Bieter geboten hatte, müssen ebenfalls unter irgendeinem Kopfkissen in Asien, im Tresor eines Scheichs oder auf einem Offshore-Konto in Panama gelegen haben. Genug Geld ist jedenfalls da. Das errechnet auch der aktuelle Ungleichheitsbericht der Hilfsorganisation Oxfam, demzufolge die 42 reichsten Menschen der Welt so viel besitzen wie die 3,7 Milliarden Menschen der ärmeren Hälfte zusammen. Was den High-End-Kunstmarkt aber auch im neuen Jahr beflügeln dürfte, ist die Annahme, dass dieses Vermögen bei vielen Superreichen offenbar weiterhin liquide ist.

Wie Christie’s den Leonardo, schickt nun Sotheby’s den Picasso erst einmal auf Weltreise. Hongkong und New York sind da gewohnte Stationen. Das markante Frauenporträt wird aber auch für ein Wochenende in Taipeh gezeigt. Der „in aller Welt große Appetit auf Picassos Werke“, wie es Helena Newman von Sotheby’s ausdrückt, wird also konkret auch in der Republik China auf Taiwan vermutet. Aufgerufen wird das Bild dann in der Abendauktion impressionistischer und moderner Kunst am 28. Februar in London.

Es gibt gute Gründe, warum ein derart großes Vertrauen in das Gemälde gesetzt wird. Marktfrische ist ein typischer Ausdruck des Versteigerungsgeschäfts, gerade so als ginge es hier um leicht verderbliche Waren wie Miesmuscheln oder Kalbsnierchen. Aber Marktfrische, die hohe Schätzwerte rechtfertigt, ist hier mehr als gegeben. Denn das Bild wurde noch nie auf einer Auktion angeboten. Mehr noch, Picasso wollte es bis zu seinem Lebensende nicht einmal herausrücken, ist es doch ein gemaltes Stück Erinnerung. Es markiert das Ende seiner langen Liebesaffäre mit Marie-Thérèse Walter. Nach dem Tod Picassos im Jahr 1973 verschwand es zudem in einer Privatsammlung und wurde nur selten als Leihgabe in Ausstellungen gegeben.

Aber zurück in die Gegenwart: Bis der Renaissancemeister Leonardo dem berühmtesten Künstler des 20. Jahrhunderts in die Quere kam, stammte das bis Mai 2015 teuerste auf einer Auktion verkaufte Kunstwerk nämlich von Picasso. Bei 160 Millionen Dollar fiel damals der Hammer für „Les femmes d’Alger (Version ‚O‘)“ aus dem Jahr 1955, knapp 20 Millionen an Gebühren kamen für den erfolgreichen Bieter noch obendrauf. 15 Mal hatte Picasso das Motiv gemalt, diese Variante war eine der besten und exemplarisch für die kraftvolle Spätphase des Malers, die alle seiner künstlerischen Errungenschaften sozusagen bündelte.

Die „Femme au béret“ steht wieder für ein kunsthistorisches Finale: Picasso hat viele Stile entwickelt oder beeinflusst, der Kubismus aber war sein wichtigster. Und mit diesem Porträt ist der Kubismus in seinen vielen Spielarten in höchster Qualität auserzählt. Es ist ein herausragendes Gemälde in Picassos großem Werk und gehört in ein Museum, aber gerade deshalb ist es Ansporn, von einem Sammler in sein Privatissimum eingeschlossen zu werden.

Auch das Entstehungsjahr des Gemäldes ist ein wichtiger Gradmesser für den Schätzpreis. Es ist ein bisschen wie beim Wein, es gibt gute und weniger gute Jahrgänge. Und 1937er Picassos dürfen als Grand Cru gelten. In diesem politischen Schicksalsjahr hatte der Spanier sein Monumentalgemälde „Guernica“ geschaffen, das die Kriegsgewalt im Allgemeinen und die Zerstörung der gleichnamigen baskischen Kleinstadt im Spanischen Bürgerkrieg im Besonderen beklagt. Das Jahrhundertbild hängt im Museo Reina Sofia in Madrid.

In jenem Jahr wurde auch das gleichermaßen intime wie universelle Bild „La femme qui pleure“ gemalt, das seit 1987 der Tate Modern in London gehört. Die Tränen vergießende Allegorie der Trauer ist nämlich auch ein Porträt von Dora Maar, jener Nachfolgerin als Geliebter von Picasso, die manche Apologeten des Sotheby’s-Loses bereits im dunklen Schatten hinter Marie-Thérèse Walters Konterfei vermuten. Eine Auslegung, die Picasso selbst befeuerte: „Es muss schmerzhaft sein für ein Mädchen, aus einem Gemälde zu erfahren, dass sie gerade abserviert wird.“

Das ruppige Verhältnis zu seinen Musen, Freundinnen und Gemahlinnen mehrte aber nur Picassos Ruhm. Und wird als Kaufanreiz vermarktet: Von allen Stilen der vielen Schaffensjahrzehnte des Künstlers sei die „Frau mit Baskenmütze und kariertem Kleid“ das Gemälde, welches „das Vermächtnis Picassos als Porträtist von Frauen am meisten verkörpert“, erklärte Sotheby’s-Experte Thomas Bompard. „Es umfasst alle Schlüsselelemente, für die Picasso gefeiert wird.“

Besonders von asiatischen Sammlern, die unersättlich auf der Suche nach Meisterwerken der Kunstgeschichte sind und bereit, auch Summen auszugeben, die weit jenseits des Schätzpreises von 50 Millionen liegen. Das haben sie in den letzten Jahren immer wieder bewiesen.

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