S!|bild|bearbeitung - nach einem foto in der wams |
Was würde Jesus in Hamburg tun?
Nach jahrelanger Misswirtschaft steht das Erzbistum Hamburg vor der Pleite. Schulen, Kliniken, Altenheime müssen schließen. Dabei geht der Glauben nicht nur in der Hansestadt verloren.
Von Ulrich Exner | welt.de
In der Heribert-Brodmann-Halle haben sie schon aufgegeben. Versuchen nur noch die Haut ihrer Kinder zu retten. Wenigstens die sollen hier ihr Abitur noch machen können, bevor ihre Schule geschlossen wird. Bevor sie in Harburg, unten im Hamburger Süden, wo sich die Menschen ohnehin vernachlässigt fühlen, endgültig den Glauben und ein wenig auch die Hoffnung verlieren. Der katholischen Kirche zeigen sie schon jetzt die Rote Karte.
250, vielleicht 300 Väter, Mütter, Schüler des Niels-Stensen-Gymnasiums haben sich an diesem Abend zwischen Sprossenwänden, Schaumstoffmatten und Handballtoren versammelt. Friedlich, es ist kein Wutbürger dabei. Niemand droht über die Stränge zu schlagen. Wenn den Leuten in Harburg ein Satz nicht passt, den die Würdenträger vorne am Kopf der Halle verkünden, recken alle brav die zuvor ausgeteilten roten Zettel in die Luft. Dann erst stellen sie ihre Frage.
Es sind Eltern, die sich – wie sollte es anders sein – vor allem um die Zukunft ihrer eigenen Kinder sorgen; einer Zukunft, die sie bis zum Abitur der katholischen Kirche anvertrauen wollten. Dem Erzbistum Hamburg, dessen Schulen hier in der katholischen Diaspora einen besonders guten Ruf haben. Hatten, müsste es wohl heißen.
Es ist gut zwei Wochen her, dass der Generalvikar des Erzbistums, Ansgar Thim, in einer Pressekonferenz die Schließung von acht der 21 katholischen Schulen in Hamburg bekannt gab. Eine Ankündigung, die nicht aus heiterem Himmel kam angesichts der düsteren Vorwarnungen, die Erzbischof Stefan Heße seit Längerem hier und da von sich gegeben hatte. Auch öffentlich, nicht nur hinter den verschlossenen Toren seines Bistums, wo zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und der seit Jahren schon vergeblich mahnende Kirchensteuerrat in den vergangenen Monaten die niederschmetternden Bilanzen des Bistums büffelten. Schon 2016 hatte die Kirchenleitung in einem ersten, vergeblichen Rettungsversuch den Katholischen Schulverband aufgelöst. Der größte private Schulträger war zahlungsunfähig.
Ein Menetekel. Nicht nur für das Erzbistum Hamburg und dessen Schulen. Zwar ist Deutschlands nördlichste Diözese derzeit noch die einzige, deren Generalvikar einräumen muss, dass „wir insolvent wären, wenn wir ein Unternehmen wären“; aber auch in anderen deutschen Bistümern ist die Lage prekär. So attestiert Thomas Schüller, Professor für katholisches Kirchenrecht an der Uni Münster, den Diözesen Magdeburg, Essen, Hildesheim und Mainz, eine „finanzielle Krise“. Insbesondere in Mainz, das im Jahr 2016 bereits einen Fehlbetrag von 18,6 Millionen Euro auswies und für das gerade begonnene Jahr mit 27 Millionen Euro Verlust rechnet, sei die Lage schwierig. Hamburg, so zitiert die Katholische Nachrichten-Agentur KNA den Wissenschaftler, sei nur ein Vorgeschmack „auf das, was allen Diözesen in den nächsten zehn Jahren bevorsteht“.
Tatsächlich zeigt sich in Hamburg gerade im Kleinen, wie sehr die Kirche in Deutschland sich wandelt. Die Zeiten der Volkskirche sind vorbei. Mitglieder verabschieden sich, und damit schwinden langfristig auch die Einnahmen. Die Bistümer stehen vor der Frage: Was können, was wollen wir überhaupt noch finanzieren? Die Antworten, die sie sich geben, werden auch über die Rolle, die Kirche für die Gesellschaft in Zukunft noch spielen kann, mitentscheiden.
Im Norden sind es nicht nur die acht Schulen, denen es an den Kragen gehen soll. Sie sind vielmehr nur der erste Teil eines umfassenden Sparpakets zur Rettung des Erzbistums. Etwa die Hälfte der 190 katholischen Gotteshäuser Norddeutschlands, so heißt es hinter bisher noch vorgehaltener Hand, sollen in naher Zukunft entweiht und geschlossen werden. Auch die drei Krankenhäuser, die das für Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zuständige Bistum betreibt, stehen auf dem Prüfstand. Ebenso diverse Einrichtungen der Caritas sowie zwei weitere Schulen in Ludwigslust und Lübeck, die in absehbarer Zeit ebenfalls schließen sollen.
„Die wirtschaftliche Lage unseres Erzbistums ist sehr schwierig“, schreibt Hamburgs Bischof Stefan Heße in einem Hirtenwort, das an diesem Sonntag in allen Gottesdiensten verlesen wird, „zur Abwendung größerer Schäden sind weitreichende Entscheidungen nötig“. Sie sollen – müssen – bis Ende dieses Jahres getroffen werden. „Heute ist der Aufbruch, sind das Loslassen und Losgehen unser Auftrag“, packt Heße bittere wirtschaftliche Wahrheiten in eine pastorale Metapher. In Harburg wird die aufmunternd gedachte Botschaft nicht gut ankommen.
In Wahrheit, und das erklärt zumindest einen wichtigen Teil der großen Aufregung, die in diesen Tagen an der Elbe herrscht, geht mit dem Sparbeschluss der Kirchenspitze eben nicht nur ein winziger Teil der hiesigen Schullandschaft verloren.
Hamburg verliert mit jeder geschlossenen katholischen Schule auch einen Ort, an dem sich der allgegenwärtige Wunsch nach einer heileren, weniger rabiaten, weniger unzumutbaren Welt sich zumindest manchmal erfüllt. Es ist eine große Hoffnung, die die katholische Kirche unter Verweis auf die prekäre finanzielle Lage zunichte macht.
Das ist fatal in Zeiten, in denen sich auch Politik und Staat nicht mit Ruhm bekleckern bei ihrem Versuch, Vertrauen in bewährte Institutionen zurückzugewinnen. Zumal der Verdacht ja noch immer schwelt, die in der Vergangenheit wenig transparent agierende katholische Kirche stopfe ihre, bundesweit betrachtet, weiterhin reichlich vorhandenen Kirchensteuer-Einnahmen lieber in die goldenen Wasserhähne ihrer Bischofssitze als in die Schulen ihrer armen Sünderlein.
Eltern, Schüler, Lehrer nicht nur in Hamburg tun sich jedenfalls schwer damit einzusehen, dass die katholische Kirche mit ihren gut sechs Milliarden Euro Einnahmen allein aus der Kirchensteuer nicht in der Lage ist, dem bedrängten Hamburger Erzbistum unter die Arme zu greifen. Die Erklärung des Generalvikars, nach der jedes Bistum nun mal so etwas sei „wie ein eigener Staat“, verhallt da eher.
Wahrgenommen wird vielmehr, dass sich jenseits des Nordens keine Hand, keine Stimme rührt. So betont der Erzbischof von Paderborn, Hans-Josef Becker, zugleich Schulbischof der Deutschen Bischofskonferenz, auf Anfrage zwar die gesellschaftliche Bedeutung des Engagements der Kirche für „Bildung und Erziehung junger Menschen“ in Deutschland. Einen Solidaritätsbeitrag für die bedrohten Hamburger Schulen schließt er dagegen aus und verweist stattdessen auf einen „Strukturbeitrag“, den bisher die östlichen Bistümer erhielten. Über dessen Fortführung „auch über das Jahr 2020 hinaus“ werde derzeit verhandelt. Alle anderen Bischöfe wollen sich zu Hamburg und der Frage, wie sehr das Bistum ein Beispiel für die Probleme der Volkskirche ist, gar nicht erst äußern.
Die Nachfrage nach einem Platz an einer katholische Schule ist sowohl in Hamburg als auch im Rest des Landes hoch. Dabei ist es nicht so, dass es zu wenige staatliche oder sonstige private Schulangebote im Land gäbe. Auch sind die Eltern der betroffenen Schüler nicht allesamt kreuzkatholisch. Bestenfalls zwei Drittel der an den katholischen Schulen angemeldeten Jungen und Mädchen kommen überhaupt aus katholischen Haushalten. Der Rest, sicherlich der überwiegende Teil der Eltern, schickt seine Kinder, weil er hofft, dass der Nachwuchs hier besser und geborgener als an anderen Schulen unterrichtet wird. Und zwar nicht nur, weil die katholischen Schulen zahlenmäßig kleiner, überschaubarer, familiärer sind als die meisten staatlichen Institute. „Es ist“, sagt ein katholischer Schulleiter, „etwas anderes, ob sie den Unterricht mit einem Gebet beginnen oder einfach sagen: Schlagt die Bücher auf.“
Umso unverständlicher ist für viele, dass die katholische Kirche im Norden Bildungseinrichtungen einfach aufgibt. Böten sie doch die Chance dort, wo viele sich vom katholischen Glauben abgewandt haben oder traditionell nie etwas mit ihm anfangen konnten, junge Menschen zu erreichen.
In Hamburg wird diese Chance gerade vertan. So ordentlich, gesittet und radaufrei es äußerlich in der Brodmann-Turnhalle auch zugeht, so empört und enttäuscht sind die Menschen über das Sparverdikt der Kirchenleitung. „Sie haben uns als Eltern, Schüler und Lehrer abserviert, wie es skandalöser nicht geht“, beschwert sich ein Vater. „Sie treten uns mit Füßen“, klagt eine Mutter. „Wir sind glücklich hier“, barmt eine Schülerin. „Die Entscheidung für die Schließung ist gefallen“, antwortet Generalvikar Thiem. Im nächsten Moment blickt er auf dreihundert rote Karten, die sich ihm entschlossen entgegenrecken.
© Axel Springer SE. Alle Rechte vorbehalten
das mag verstehen wer will: vor 4-5 jahren erst monierte man die "goldenen wasserhähne" in limburg in der residenz des damaligen bischof tebartz van elst - und heute ist das erzbistum hamburg so pleite, dass es 8 der 21 katholischen schulen schließen will - schließen muss ... - kirchen sollen entweiht werden, krankenhäuser geschlossen - und das bei einer bundesweiten jährlichen kirchensteuer-einnahme von über 6 mrd. (i.w.: sechs milliarden = 6 x 1.000 millionen) €uro - und auch weitere diözesen scheinen ziemlich klamm zu sein ...
das käme daher - dass jedes bistum in deutschland so etwas "wie ein eigener staat" (!) sei - und es untereinander keine ausgleichszahlungen gäbe ...: tja - da haben wir das mit der kirchlichen "geschwisterlichkeit" untereinander im namen des herrn - wenn es um die knete geht, gelten plötzlich ganz weltliche dinge und man vergleicht bei kirchens das amtsgebiet eines bischofs mit dem staat mit grenzziehungen und kirchenpolitischen animositäten mit der nachbardiözese und neid und missgunst ... - also fast wie im leben ...: das paradies ist dann erst einmal außen vor ...
gut - schulen und krankenhäuser unterhält die kirche in der regel ja nach dem sogenannten "subsidiaritätsprinzip", in dem sie eigentlich genuine "staatliche" aufgaben in obhut genommen hat und durchführt, auch um "einfluss" zu nehmen - und vielleicht waren da die staatlichen zuschüsse - meist so um die 85 bis 90 % - nicht mehr kostendeckend - auch wenn man ja sieht, wie es an anderen schulen mit baulichen missständen in der republik überall aussieht ... - aber hier sollten kirchens auch eine moralische selbstverpflichtung der "verkündigung" - nicht der infiltration! - und der bewahrung "seriöser" gepflogenheiten und religiös-ethischer grundwerte übernehmen: die menschen bleiben ja die gleichen, um die es geht ...
gut - schulen und krankenhäuser unterhält die kirche in der regel ja nach dem sogenannten "subsidiaritätsprinzip", in dem sie eigentlich genuine "staatliche" aufgaben in obhut genommen hat und durchführt, auch um "einfluss" zu nehmen - und vielleicht waren da die staatlichen zuschüsse - meist so um die 85 bis 90 % - nicht mehr kostendeckend - auch wenn man ja sieht, wie es an anderen schulen mit baulichen missständen in der republik überall aussieht ... - aber hier sollten kirchens auch eine moralische selbstverpflichtung der "verkündigung" - nicht der infiltration! - und der bewahrung "seriöser" gepflogenheiten und religiös-ethischer grundwerte übernehmen: die menschen bleiben ja die gleichen, um die es geht ...
nun muss nicht jeder gottesmann ein guter finanzier sein - aber selbst die verschwiegenen profi-banken im fernen vatikan machen ja zumeist allenfalls schlagzeilen mit undurchsichtigen finanzgeschäften - wie alle anderen weltlichen institute auch ...
scheinbar sind in dieser schnöden mammon-welt der kirchen noch immer formen einer buchführung gang und gäbe, die eine solche misswirtschaft als ergebnis ermöglichen und zeitigen können - und scheinbar gibt es unter kirchenleuten auch kleine "zocker", die mal hin und wieder "wider den stachel löcken" - und damit - im wahrsten sinne des wortes - ihr bestes kapital verspielen, nämlich das "vertrauen" der "schafe" in ihre "hirten" ...
es ist ja eben nur ein betonungsunterschied, voller gottvertrauen auszurufen: "er wird's wohl machen!"- in dem man auf das buchführerische eingreifen des höchsten wartet - oder aber: "er wird's wohlmachen!" - gutmachen ...
die protestantische theologin dorothee sölle hat immer wieder darauf hingewiesen: dass gott für alles handeln in der welt nur unsere hände und unsere aufrichtigkeit aber auch raffinesse hat - dass gott in uns wirkt - und dass der ferne gott "da oben irgendwo in den himmeln" längst "mausetot" ist, denn er lebt zumindest ja seit weihnachten in und mit uns - wir müssen handeln mit dem uns von ihm gegebenen anvertrauten gut: sei es die erde selbst, die ja massiv in gefahr ist - seien es aber auch lokale initiativen zur bildung, zur "mission" im guten sinne.
was hat man vor jahren gezetert, als in bayerischen klassenräumen das kruzifix abgenommen werden sollte - aber wenn die kirche selbst ihre kreuze in die dutten haut, kräht nicht einmal mehr der berühmte hahn dreimal: denn der liegt längst bei aldi in der tiefkühltruhe ... - S!