S!|art: singender teutscher rehbock durch ein schwellglas betrachtet |
Botho Strauß
Eine merkwürdige Wiederbegegnung
Was bleibt von Botho Strauß’ "Anschwellendem Bocksgesang", 25 Jahre nach seinem Erscheinen?
Von Iris Radisch | DIE ZEIT
Als am Montag, den 8. Februar 1993 der Essay Anschwellender Bocksgesang von Botho Strauß im Spiegel erschien, haben wir noch mit dem Festnetztelefon telefoniert. Die Mauer war seit drei Jahren gefallen, aber Martin Walser und Günter Grass schrieben noch immer abwechselnd die Aufmacher in den Feuilletons. Karl-Heinz Bohrer beklagte sich aus Paris über die provinzielle und langweilige Bundesrepublik. Die Wörter Jägerzaun und Mainzelmännchen spielten dabei eine heute schwer verständliche Schurkenrolle. Im Westen also nicht viel Neues. Rechts und links, hieß es schon damals, spielten keine Rolle mehr. Das Zeitalter der Ideologien sei vorbei. Ein neu aufgetauchtes Wunderpräfix fegte alles weg, was jetzt noch störte: Man war postideologisch, posthistorisch, postmetaphysisch, postheroisch. Vier kleine Buchstäblein, die wie eine Partydroge wirkten und alles ehemals schlecht Gedachte, schlecht Gemeinte und schlecht Aussehende neutralisierten.
Der legendäre Essay aus der Feder eines der bedeutendsten deutschen Nachkriegsautoren platzte in diese kindische Tranquilizerstimmung der Neunziger. Das war gut. Nicht so gut war, dass Strauß statt mit heiltherapeutischen Präfixen mit unförmigen Wortklumpen aus der männlichen Vorgeschichte hantierte und die in Deutschland angeblich real bevorstehende Wiederkehr von Mysterienlärm, Verhängnis und Blutopfer vorhersagte. Solche Vokabeln waren in unserem Deutschunterricht nicht vorgekommen. Strauß kritisierte das. Die Bundesrepublik, klagte er, moderiere alles Große und Tragische weg. Er hielt sie für ein Gartenzwergparadies, dessen vergnügungssüchtige Insassen nicht merkten, dass sie in einer Wohlfühl-Hölle schmorten. Und wer war schuld? Die Demokratie als Ganze oder nur die sozialdemokratischen Pfeifen, die sie zu Tode verwalteten? Das blieb im Dunkeln und bot Debattenstoff für unzählige Sammelbände. Hauptangeklagte waren schon damals die Medien als Agenten des verlogenen linksliberalen Verblendungszusammenhangs. Lügenpresse avant la lettre: Das "elektronische Schaugewerbe" zeige die Welt in "dem äußersten Illusionismus, der überhaupt möglich ist". Dagegen stand in heldenhafter Klagepose über einem Meer von medial Verblendeten doch wieder: der "Rechte". Ein einsamer Mann, der die Zeitalter überblickte.
25 Jahre später entdeckt man in dem berühmten Essay einen Schlüsseltext für die nach intellektuellen Stahlgewittern dürstenden angeblich neuen Rechten. Aber auch einen rührend vergeblichen Fall von Mansplaining. Seine untergangslüsternen Prophezeiungen sind in Deutschland nicht wahr geworden. Sein politischer Existenzialismus blieb ein Erdbeben im Feuilleton, Sonderabteilung wehmütige Männerblütenträume aus dem Frakturzeitalter.
S!NEDi|graphic nach einem Ursprungsfoto von © Jean-Christian Bourcart/Rapho/laif - ZEIT |
obwohl ich vor 25 jahren den "anschwellenden bocksgesang" durchaus mitbekam - und ich mich bemüht habe, ihn mir damals "reinzuziehen", verstand und verstehe ich bis heute eigentlich nur "bahnhof". der bocksgesang ist in meinen aufnahmeaggregaten nur ein intellektuellen-geschwafel, das mir zu "angeschwollen" daherkommt, so dass für mich der autor ganz in echt damals nichts als einen bock geschossen hatte ...
jedenfalls muss ich fast jede zeile in meine alltagssprache im kopf rückübersetzen - und kann deshalb immer nur ahnen, was er meint - damals wie heute ... und ob der text eine "weise" vorausahnung der doch wesentlich platter daherkommenden heutigen realen "rechten scene" mit afd und pegida ist ... ???
zweifellos hat botho strauß damals gegen alle trends auf eine entwicklung aufmerksam gemacht, die mit der "wiedervereinigung" beider deutscher staaten allmählich wie eine nicht behandelte chronische wundrose in den fokus geriet: denn wo es "links" gibt - da gibt es eben auch in deutschland immer noch ein "rechts" - und die von väterchen franz-josef degenhardt schon vormals besungenen "totgesagten" lebten tatsächlich noch im "innern des landes" - hier: hauptsächlich im osten - diese ewig braune brut ...
"der schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch" warnte schon bertolt brecht vor über 50 jahren zuvor in seinem theaterstück "der aufhaltsame aufstieg des arturo ui": dort im osten vornehmlich, in der ddr, war nämlich die heute so geschmähte 68-er "revolution" ausgeblieben, denn rudi dutschke hatte ja rechtzeitig "rüber gemacht": die 68-er: das kollektive pubertäre reifwerden mit dem lautstarlen aufmucken gegen die alten und gegen das alte - und deshalb konnte dort "drüben" verstärkt die braune soße so vor sich hin hindumpfen auch als heimliche abwehr zum sed-staat...: das schnupperte ein botho strauß bereits, ehe es denn wie heute bereits "zum himmel stinkt" - und botho strauß führte diese mutmaßungen scheinbar recht gescheid verquast in seinem essay bewusst oder unbewusst in jedem falle hellsichtig aus - aber in solchen metaphern versteckt, dass man das - wenn überhaupt - nur mühsam im text erahnen konnte.
jedenfalls muss ich fast jede zeile in meine alltagssprache im kopf rückübersetzen - und kann deshalb immer nur ahnen, was er meint - damals wie heute ... und ob der text eine "weise" vorausahnung der doch wesentlich platter daherkommenden heutigen realen "rechten scene" mit afd und pegida ist ... ???
zweifellos hat botho strauß damals gegen alle trends auf eine entwicklung aufmerksam gemacht, die mit der "wiedervereinigung" beider deutscher staaten allmählich wie eine nicht behandelte chronische wundrose in den fokus geriet: denn wo es "links" gibt - da gibt es eben auch in deutschland immer noch ein "rechts" - und die von väterchen franz-josef degenhardt schon vormals besungenen "totgesagten" lebten tatsächlich noch im "innern des landes" - hier: hauptsächlich im osten - diese ewig braune brut ...
"der schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch" warnte schon bertolt brecht vor über 50 jahren zuvor in seinem theaterstück "der aufhaltsame aufstieg des arturo ui": dort im osten vornehmlich, in der ddr, war nämlich die heute so geschmähte 68-er "revolution" ausgeblieben, denn rudi dutschke hatte ja rechtzeitig "rüber gemacht": die 68-er: das kollektive pubertäre reifwerden mit dem lautstarlen aufmucken gegen die alten und gegen das alte - und deshalb konnte dort "drüben" verstärkt die braune soße so vor sich hin hindumpfen auch als heimliche abwehr zum sed-staat...: das schnupperte ein botho strauß bereits, ehe es denn wie heute bereits "zum himmel stinkt" - und botho strauß führte diese mutmaßungen scheinbar recht gescheid verquast in seinem essay bewusst oder unbewusst in jedem falle hellsichtig aus - aber in solchen metaphern versteckt, dass man das - wenn überhaupt - nur mühsam im text erahnen konnte.
wahllos zunächst habe ich mal (und dann auch noch vom inhalt her irgendwie passend zum aschermittwoch ...) ein paar zeilen herauskopiert (oben und hier ist das original-machwerk verlinkt) - um zu zeigen, was ich meine:
- Selbstverständlich muß man grimmig sein dürfen gegen den "Typus" des Deutschen als Repräsentanten der Bevölkerungsmehrheit. Die Würde der bettelnden Zigeunerin sehe ich auf den ersten Blick. Nach der Würde - ach, Leihfloskel vom Fürstenhof! - meines deformierten, vergnügungslärmigen Landsmannes in der Gesamtheit seiner Anspruchsunverschämtheit muß ich lange, wenn nicht vergeblich suchen. -
und außerdem sagt man inzwischen ja gar nicht mehr "zigeunerin" - sondern political correct heißt das inzwischen mindestens: "die würde der bettelnden sinti- oder roma-frau ..." - und das ist aber sicherlich auch nur wieder eine"leihfloskel vom fürstenhof!" - fürstenhof ??? 1993 ??? - wo ist der denn da gewesen - ich kenne nur ein hotel gleichen namens - vielleicht war das aber auch die verraucht vergilbte kneipe, die wegen mangelndem bierkonsum längst geschlossen hat ... - von wegen "stammtischparolen" ...
und angesichts der bodenständigeren strammrechten texte und reden der rechtspopulistischen ideologen-"mann"schaft heutzutage fliegt botho strauß mit seinem abgehobenen sprachstil drohnenhaft zimperlich mindestens 1,20 m über der grasnarbe und dem dazwischen verwelkenden laubblättern der teutschen eiche vom letzten "deutschen herbst" bzw. dem letzten sturmtief mit dem schönen schlichten teutschen vornamen: friederike ... - und besser ist es, den kopf einzuziehen, damit der anschwellende bocksgesang sich mir nicht um die ohren haut ... - beim (hoffentlich) darüberfliegen -S!
p.s.: ich weiß gar nicht, ob etwa der henryk m. broder ... - aber warum fällt der mir justement hierzu ein ...???
p.s.: ich weiß gar nicht, ob etwa der henryk m. broder ... - aber warum fällt der mir justement hierzu ein ...???