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marias testament - in wort, schrift und bild

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S!NEDi|art: schreihals - update: 19-02-2018


NICOLE HEESTERS IN MARIAS TESTAMENT

Die etwas andere Marienlegende

Von Monika Nellissen | welt.de

Nicole Heesters glänzt in ihrem großen Monolog 

Atemloses Schweigen, dann orkanartiger Beifall. Nicole Heesters glänzt in Colm Tóibíns Monolog „Marias Testament“ an den Hamburger Kammerspielen. „Das war es nicht wert, dass er die Welt erlöst hat“, ist ihr bitteres Fazit.

Stille. Zwei Tische, der eine vollgestellt mit Küchenutensilien, der andere, kleinere, geschmückt wie ein Altärchen mit ewigem Licht und Blumen. Eine Frau und ihre Stimme. Was für eine Stimme! Nicole Heesters. Sie spielt in den Kammerspielen die Mutter Gottes in Colm Tóibíns Monolog „Marias Testament“.

Nein, sie spielt nicht, sie ist ganz einfach eine Frau, die Mutter eines Mannes, der berühmt ist und gefährlich wegen seiner Wunderkraft und deshalb den furchtbaren Tod am Kreuz erleidet. Was hat sie falsch gemacht? Hätte sie dieses Schicksal verhindern können? fragt sie sich. Nein. Aber sie will jetzt Zeugnis ablegen, wie es wirklich war, wie sie es erlebt hat und wie es die Legendenbildung nicht vorsieht. „Das war es nicht wert, dass er die Welt erlöst hat“, ist ihr bitteres Fazit. Atemloses Schweigen, dann orkanartiger, nicht enden wollender Beifall. Nicole Heesters ist Ereignis.

Eine andere Auslegung der Marienlegende

Anderthalb hoch konzentrierte Stunden lang ist die Heesters das vitale Kraftzentrum in einem Monolog, der Maria nicht als schmerzensreiche, als reine zeigt, der der Makel der Erbsünde durch die unbefleckte Empfängnis genommen ist. Sie ist eine Mutter, die ihren Jungen, der selbstverständlich Joseph zum Vater hat, nicht beschützen konnte.

Jetzt blickt sie, die glaubt, bald sterben zu müssen, zurück, und gibt zwei hier unsichtbaren Chronisten, ehemaligen Jüngern, die sie gleichermaßen bewachen wie beschützen, buchstäblich ihre Sicht, also die Wahrheit, zu Protokoll.

Manche mögen die Auslegung der Marienlegende durch den irischen Schriftsteller Colm Tóbín als blasphemisch empfinden, doch bringt sie uns Maria als Mensch viel näher, als es jene im Neuen Testament merkwürdig unbeschriebene Frau tut, die auf Bildern als liebliche Heilige, oder schöne Madonna Jesus als Kleinkind, oder den mit Wundmalen übersäten Toten in ihrem Schoß darstellen.

Diese Maria  räumt in ihren Erinnerungen auf

Hier ist Maria eine alte, wenngleich schöne, aufrechte, ungebrochene Frau, die genau das tut, was eine liebende Mutter macht, die möglicherweise in ihrer Erziehung Fehler gemacht hat und jetzt mit sich hadert, weil sie auch in entscheidenden Augenblicken versagt hat. Sie konnte den Anblick ihres am Kreuz gequälten, sterbenden Sohnes nicht ertragen und ist weggelaufen. Sie war eben keine Heldin, keine Heilige. Sie war und ist ein mit Fehlern behafteter Mensch.

Dieser Tatsache stellt sie sich nun in ihrem Testament. Sie räumt auf in ihren oft unbequemen, schmerzhaften Erinnerungen. Sie erzählt jetzt die Wahrheit, weil sie sie ja als Zeugin erlebt hat. Die sie aber lange Zeit als „Träumerei“ verdrängt hat. Das muss endlich aufgeschrieben werden. Schluss mit der Legendenbildung!

Elmar Goerden, verantwortlich für Bühnenbild und Textfassung, hat sich als Regisseur vollkommen auf Nicole Heesters fokussiert. Sie steht an der Bühnenrampe, reibt und knetet unaufhörlich ihre Handknochen, die Gelenke. Sie ist unruhig, nervös. Wird es ihr gelingen, so sachlich wie möglich das Erlebte den beiden Chronisten zu schildern, mit denen sie innere Zwiesprache hält?

Energisch, geradezu wütend, räumt sie das Altärchen zur Erinnerung an ihren Sohn ab. Das ewige Licht. Weg damit. Auch die Blumen. Devotionalien, Plunder, die ihrer Schilderung hinderlich sein könnten. Nur der Stuhl für ihren Sohn, der im Monolog ebenso wenig Jesus genannt wird, wie sie Maria, bleibt stehen.

Die „Horden“, die „Nichtsnutze“ der Jüngerschaft

Sie hat sich jetzt von äußeren Dingen befreit, kann sich ihrem Haushalt widmen und mit klarer Stimme erzählen. Sie ist eine starke Frau, die lacht, wenn sie sich an „alberne Anekdoten“ erinnert, wird zornig und ist voller Verachtung, wenn sie an die „Horden“, die „Nichtsnutze“ der Jüngerschaft denkt.

Es schmerzt sie, dass sich ihr Sohn von ihr abgewandt hat. Sie glaubt nicht an das Wunder bei der Hochzeit von Kanaan, bei dem ihr Sohn Wasser in Wein verwandelt hat. Wie soll das gehen? Sie verurteilt das Wunder der Auferstehung des Lazarus, der bereits beerdigt ist und dennoch zum Leben erweckt wird, um erneut zu sterben. Das macht sie wütend. Zynisch.

Sie begehrt auf, hadert, zweifelt, weint, nur kurz wird sie vom Schmerz überwältigt, sie duldet keine Sentimentalität sich selbst gegenüber. Sie wird ganz ruhig, verstummt, schreit sich den Kummer und die Empörung über den normalen Irrsinn während der Kreuzigung, die wie ein Volksfest gefeiert wird, von der Seele. Es geht doch um ihren Jungen, ihr Kind, nicht um den Erlöser, durch dessen Tod die Menschheit errettet werden soll. „Das war es nicht wert“, bilanziert sie.

© Axel Springer SE. Alle Rechte vorbehalten.

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irgendwie ist das mein "marien-jahr" - wenn ich als protestant das mal so ausdrücken darf. schon weihnachten habe ich ein marienbild kreiert (link)- zu einem kommentar von alan posener aus der "welt", der auch die maria sehr menschlich und weniger als "göttliche mutter" beschrieb.

das - was da jetzt in den hamburger kammerspielen als monolog in der hauptrolle mit nicole heesters gezeigt wird, sind auch die gedanken einer alten frau über ein ganz normales leben und die allmähliche entfremdung von ihrem sohn jesus. für sie war er kein "christus" - und ihrer meinung nach hat er sich mit den "falschen leuten" umgeben.

ich mag das, wenn man dieses "göttlich"überzogene wieder auf "den boden der tatsachen" stellt - wenn man zeigt, dass sie alle menschen wie du und ich sind ... und wenn da oben der himmel allmählich mangels masse schließen muss, weil sie alle "mitten unter uns" sind.

maria ist für mich ein junges mädchen, vielleicht etwas altklug - etwas einsam und meist allein - und der vater ihres ersten kindes muss sich als reisender tischler verdingen: ein tagelöhner - alles ganz normal ... hochintelligent dann auch der sohn - aber eigentlich ganz normal ... na - eben wie die meisten geschichten, die von der begegnung des menschen mit gott handeln ... - 

ich habe mir jetzt das buch von tóibín auf mein "kindle" heruntergeladen - und freu mich schon auf die lektüre ... S!

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