Angestellt beim Staat? Gelenkt vom einer höheren Macht? Im Münchner „Tatort – Freies Land“ ermitteln die Kommissare Leitmayr und Batic unter „Reichsbürgern“ ...
Tatort: Freies Land - Das Erste | 03.06.2018 - 20.15 Uhr
Die einprägsamte Aufnahme des neuen „Tatorts“ aus Münchens ist eine Abendmahlsszene: ein Prediger im Kreis seiner Jünger. Die Tische befinden sich in einem Hof fernab von München. Der Heiland im Mittelpunkt zählt zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“. Er scheint ganz beseelt von seiner Rolle, geht ganz in ihr auf. Nur sind seine Stunden womöglich gezählt. Das bringen Abendsmahlsbilder seit Da Vinci nun einmal so mit sich.
Oder soll die Aufnahme bloß bedeuten, dass hier einer an einem messianischen Gesamtkunstwerk baut? Einer, der zu allem fähig wäre, würde sein Kunstwerk bedroht? „König Ludwig“ wird die ideologische Führerfigur von den Polizisten des kleinen Orts in Niederbayern genannt, in dem sich eine Gruppe von Aussteigern mit stacheldrahtbesetzten Metallwänden („Ausweis unaufgefordert vorzeigen“) von der Außenwelt abgrenzt. Hochachtungsvoll meinen die Ordnungshüter das nicht.
Tatsächlich heißt der Mann Ludwig Schneider, ein zum Beruf-Charismatiker gewordener Koch aus Siegen, den Schauspieler Andreas Döhler mit einem reizvollen Hauch Schwermut spielt: Dieser Mensch könnte auch ganz anders. Nahe der tschechischen Grenze verfügt Schneider über einen zwölf Hektar großen Flecken Land, den er als eigenes Staatsgebiet betrachtet; eine Alternative zur Bundesrepublik, die seine Anhänger – neben schlichteren Gemütern sind darunter auch warmherzige Aussteiger, die sich nach der Sonnenseite des Lebens sehnen – für eine von „Marionetten aus Washington und Tel Aviv“ gelenkte „GmbH“ halten.
Wenn nichts mehr hilft
Jedem, der im Wirrwarr der Gegenwart Antennen für solch pseudojuristisch unterfütterten Verschwörungstheorien bekommen hat, wird bei Schneider geholfen. Seine Gemeinschaft betreibt eine Hotline, die GEZ-Kritikern und Querulanten praktische Tipps gibt; sie vermittelt bei Bedarf auch Choleriker, die Richter und Gerichtsvollzieher am Telefon den Marsch blasen können. Zudem drucken sie ihre eigenen Ausweise. Die „Info-Abende“, bei denen Gäste auf die verräterische Bezeichnung des Personalausweises aufmerksam gemacht werden – „Personal, das sind Sie, nichts anderes!“ –, sind gut besucht. Bei einem dieser Info-Abende sind die Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) zugegen. Sie wurden durch einen Toten in einer Badewanne in München, der vom „Freiland“-Gelände in die Großstadt zurückgekehrt war, auf Schneider aufmerksam. An einen Suizid glaubt so recht niemand.
...
Dem Duo Nemec-Wachtveitl aber schaut man dennoch gern zu. Kameramann Johann Feindt („Goster“) sorgt für liebevoll komponierte Bilder. Und auch den Wurstautomaten im „Tatort – Freies Land“ sollte man gesehen und vor allem gehört haben. Arme Würstchen.
F.A.Z.
Tatort: Freies Land - Das Erste | 03.06.2018 - 20.15 Uhr
Die einprägsamte Aufnahme des neuen „Tatorts“ aus Münchens ist eine Abendmahlsszene: ein Prediger im Kreis seiner Jünger. Die Tische befinden sich in einem Hof fernab von München. Der Heiland im Mittelpunkt zählt zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“. Er scheint ganz beseelt von seiner Rolle, geht ganz in ihr auf. Nur sind seine Stunden womöglich gezählt. Das bringen Abendsmahlsbilder seit Da Vinci nun einmal so mit sich.
Filmstill aus dem Tatort: "Freies Land" - ARD |
Oder soll die Aufnahme bloß bedeuten, dass hier einer an einem messianischen Gesamtkunstwerk baut? Einer, der zu allem fähig wäre, würde sein Kunstwerk bedroht? „König Ludwig“ wird die ideologische Führerfigur von den Polizisten des kleinen Orts in Niederbayern genannt, in dem sich eine Gruppe von Aussteigern mit stacheldrahtbesetzten Metallwänden („Ausweis unaufgefordert vorzeigen“) von der Außenwelt abgrenzt. Hochachtungsvoll meinen die Ordnungshüter das nicht.
Tatsächlich heißt der Mann Ludwig Schneider, ein zum Beruf-Charismatiker gewordener Koch aus Siegen, den Schauspieler Andreas Döhler mit einem reizvollen Hauch Schwermut spielt: Dieser Mensch könnte auch ganz anders. Nahe der tschechischen Grenze verfügt Schneider über einen zwölf Hektar großen Flecken Land, den er als eigenes Staatsgebiet betrachtet; eine Alternative zur Bundesrepublik, die seine Anhänger – neben schlichteren Gemütern sind darunter auch warmherzige Aussteiger, die sich nach der Sonnenseite des Lebens sehnen – für eine von „Marionetten aus Washington und Tel Aviv“ gelenkte „GmbH“ halten.
Wenn nichts mehr hilft
Jedem, der im Wirrwarr der Gegenwart Antennen für solch pseudojuristisch unterfütterten Verschwörungstheorien bekommen hat, wird bei Schneider geholfen. Seine Gemeinschaft betreibt eine Hotline, die GEZ-Kritikern und Querulanten praktische Tipps gibt; sie vermittelt bei Bedarf auch Choleriker, die Richter und Gerichtsvollzieher am Telefon den Marsch blasen können. Zudem drucken sie ihre eigenen Ausweise. Die „Info-Abende“, bei denen Gäste auf die verräterische Bezeichnung des Personalausweises aufmerksam gemacht werden – „Personal, das sind Sie, nichts anderes!“ –, sind gut besucht. Bei einem dieser Info-Abende sind die Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) zugegen. Sie wurden durch einen Toten in einer Badewanne in München, der vom „Freiland“-Gelände in die Großstadt zurückgekehrt war, auf Schneider aufmerksam. An einen Suizid glaubt so recht niemand.
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Dem Duo Nemec-Wachtveitl aber schaut man dennoch gern zu. Kameramann Johann Feindt („Goster“) sorgt für liebevoll komponierte Bilder. Und auch den Wurstautomaten im „Tatort – Freies Land“ sollte man gesehen und vor allem gehört haben. Arme Würstchen.
F.A.Z.
okay - es war ja nur ein tatort-krimi. und auch das thema wurde in den letzten monaten immer mal wieder strapaziert: "reichsbürger" - "freiländer" - rechte kommunen - diesmal in bayern - nicht in den östlichen bundesländern - wo sie sich ja auch sonst schon mal rumtreiben ...
irritiert und zum nachdenken angeregt haben mich hier drehbuch, regie und der kameramann - mit den ikonenhaften nachstellungen des "heiligen" da-vinci-abendmahls in dieser rechten "freiland-kommune": 3 - 4 mal wurden die freilander reichsbürger so platziert ikonenhaft eingeblendet, dass man schon fast meinen konnte: halt - hier hat man falsche schnappschüsse eingeblendet ...
aber diese szenen haben mich auch auf einen aspekt gebracht, den ich für mich noch eher selten angedacht habe: waren jesus von nazareth und seine jünger- und geschwister-kommune vor 2000 jahren in den augen der römischen besatzer und des jüdischen tempel-establishments auch "nur" eine versprengte "reichsbürger"-gruppe - bürger des "reiches gottes" - wie sie sich ja selbst bezeichneten, die sich gegen die weltlich und tempelmäßig herrschenden kräfte auflehnten: die die "heiligen" bisherigen "gesetze" und "gebote" ganz neu und radikal überspitzt auslegten ...???
und war das wohl auch die absicht vom regisseur andreas kleinert und dem kameramann johann feindt ??? zwar schreibt die f.a.z. in ihrer besprechung: "eine überraschende sicht auf das thema gelingt dem drehbuchautor holger joos und dem regisseur andreas kleinert jedoch nicht," - dem ich aber doch mit dem wahrnehmen dieser abendmahl-ikonen und meinen "schlussfolgerungen" daraus widersprechen möchte.
man kennt zwar schon den vergleich der jüngerschaft mit einer "kommune" bzw. lebens- und wohngemeinschaft - und das klösterliche leben in allen konfessionen ist ja auch noch heute davon mit durchdrungen in ganz unterschiedlichen intensitäten.
aber dieser hier locker mitschwingende politisch verblendete gestus ist ja relativ neu akzentuiert.
in den augen des pontius pilatus und des tempel-chefanklägers, dem hohenpriester kaiphas, sind jesus und seine leute sicherlich auch nur so etwas wie eine anarchistische gruppe, die den rechtmäßigen jüdischen glauben verraten und den unter römischer besatzung stehenden staat israel untergraben wollen - und nicht als autorität anerkennen ...
wie heutzutage auch der spanische staat gegen den katalanen puigdemont (sprich - bezeichnenderweise -: "putsch-dämon") auf "hochverrat" plädiert und auf auslieferung pocht, so schrie auch damals die von der tempelpolizei aufgebrachte menge: "kreuziget ihn" - und plädierte ebenfalls auf hochverrat des gültigen glaubens und des herrschenden römischen vasallenstaates ...: "so gebt dem kaiser, was des kaisers ist, und gott, was gottes ist"! (matth. 22, 21)
mir geht erst jetzt auf: wie konsequent dieser vergleich tatsächlich zutrifft, wenn man die ostergeschichte liest - und auch die rolle des tragischen judas iskariot bei dem ganzen prozedere beleuchtet: der ja vielleicht auch plötzlich erkannte: jesu "reich ist gar nicht von dieser welt" - und dass es fast wie jetzt im "tatort" - gar keinen "kaufvertrag"über das "reich gottes" gab - sondern alles nur ein glaubengespinst war - für das nicht mal ein schnöder weltlicher pachtvertrag existierte ... - das "reich gottes" im wahrsten sinne des wortes: "eine "luftnummer" - ein "scheingeschäft" - das "blaue vom himmel" ...
nur der pfiffige paulus von tarsus hat das dann schnell erkannt - und diese vorwiegend anarchistische politnummer einfach mal theologisch neu bewertet und mit charisma versehen: mit der "erfindung" des "sühneopfers" jesu am kreuz, mit dem er dann mal justement "in einem abwasch" alle menschen "erlöst" ...
jesu selbst hat diese dinge ja so nie explzit benannt - sie wurden ihm erst durch die paulianischen redakteure später, also den evangelisten, als aussprüche in diese richtung auf die tafeln diktiert...
und was mache ich jetzt - mit den "reichsbügern" von damals: mit jesus, maria magdalena, thomas, johannes, petrus, judas, jakobus und - und - und ... ???
was hat sich doch aus dieser kleinen ausgeflippten "freiland"-bewegung von damals alles entwickelt: es zeigt uns heute die ungeheuerliche freiheit, die jesus uns mit seinem begriff "reich gottes" geschenkt hat - und er hat damit gott selbst aus den himmeln auf die erde geholt: vom kopf auf die füße gestellt - bzw. ins herz geholt ...
ja - mit: "so gebt dem kaiser, was des kaisers ist, und gott, was gottes ist" hat jesus selbst das reich gottes schon im leben - und darüber hinaus - mit begründet: ein ideelles und virtuelles reich für unsere fantasie, für unsere gebete, für unsere hoffnungen - als "ankerzentren" für die flüchtigen wie du und ich in dieser unbotmäßigen welt mit ihrem teuflischen von maschinen gesteuerten süchtigmachenden globalen turbokapitalismus und allen aktuellen ablegern und verzweigungen daraus ...
unser tatsächliches "reich" ist nicht von dieser welt ... - danke -
ist doch toll, was so ein "tatort" aus münchen alles (aus-)lösen kann ... -S!
ist doch toll, was so ein "tatort" aus münchen alles (aus-)lösen kann ... -S!