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Meister Eckhart: Gebet

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Ein Gebet Meister Eckharts

O hoher Reichtum göttlicher Natur, 
zeige mir Deine Wege, 
die Du in deiner Weisheit gewonnen hast 
und öffne mir den gar kostbaren Schatz, 
zu dem Du mich gerufen hast: 
vernünftig zu verstehen, 
mit den Engeln über alle Kreatur 
Liebe zu besitzen und zu genießen, 
mit Deinem eingeborenen Sohn, 
unsern Herrn Jesus Christus, zu erben, 
Dich gemäß Deiner ewigen Weisheit zu empfangen. 
Mich mit Deiner Hilfe von allem Übel zu enthalten. 

Denn Du hast mich 
über alle Kreatur erhoben 
und in mich 
das Siegel Deines ewigen Bildes eingeprägt 
und meine Seele aller Kreatur unbegreiflich gemacht 
und Dir nichts gleicher gemacht als den Menschen 
gemäß seiner Seele. 

Darum lehre mich, 
mich so zu verhalten, 
dass ich niemals ohne Dich bin 
und Du niemals 
an Deinem lieblichen einfließenden Werks in mir 
gehindert werdest. 
Und mich auch niemals ohne Dich 
einer äußeren Lust hingebe, 
noch mich in meinen Gedanken 
mehr mit einer Kreatur beschäftige, 
außer mit Dir. 

Herr, Du bist ein Geist, 
der aller Kreatur unbegreiflich ist, 
und vergeistigst die Seele, 
dass sie in ihrem geistlichen Wesen 
über alle Kreatur gesetzt ist, 
damit sie Dir, ewige Weisheit, 
nach Deinem göttlichen Willen genügen möge 
und in Gnaden von allen eingezogenen, 
unnützen Bildern entledigt werde. 
Denn Du hast Dir selbst 
die Seele wesenhaft zu eigen gemacht 
und gleich gemacht, 
darum behüte sie, 
dass in ihr nichts eine Stätte finden möge, 
als Du allein.

Da Du dreifaltig in den Personen bist 
und einig im Wesen göttlicher Natur. 
Das ist der Vater, Sohn, Heiliger Geist 
und ewiglich gesegnete allmächtige Gott. 

Amen.



Dieses Gebet stammt mit ziemlicher Sicherheit von Meister Eckhart. Es steht am Ende des Traktats Von der sel wirdichait und aigenschaft, den der benediktinische Laienbruder Lienhart Peuger (Kloster Melk) in der Mitte des 15. Jh. aus Werken Eckharts kompilierte. Der mhd. Originaltext findet sich bei F. Löser, Eckhart in Melk, 490,26-492,27; 496,18-22 (kritische Edition).

Das Gebet und die Anmerkung sind entnommen: Andreas Schönfeld, Meister Eckhart. Geistliche Übungen, Grünewald Mainz 2.2003, S. 8-9 - aus: http://www.eckhart.de

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