Du bist der Herzknoten mir
In meinem Herzen kreisen
alle Gedanken um Dich,
nichts anderes spricht die Zunge
als meine Liebe zu Dir.
Wenn ich nach Osten mich wende,
strahlst Du im Osten mir auf.
Wenn ich nach Westen mich wende,
stehst vor den Augen Du mir.
Wenn ich nach oben mich wende,
bist Du noch höher als dies.
Wenn ich nach unten mich wende,
bist Du das Überall hier.
Du bist, der allem den Ort gibt,
aber Du bist nicht sein Ort.
Du bist in allem das Ganze,
doch nicht vergänglich wie wir.
Du bist mein Herz, mein Gewissen,
bist mein Gedanke, mein Geist,
Du bist der Rhythmus des Atems,
du bist der Herzknoten mir.
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Ich bin der, den ich liebe,
und der, den ich liebe, ist ich.
Wir sind zwei Geister,
die Wohnung nahmen in einem Leib.
Wenn du mich siehst, siehst du ihn,
und wenn du ihn siehst, siehst du uns.
Husain ibn Mansur al-Halladsch (857-913)
aus: http://mystikaktuell.wordpress.com/
und: klanggebet.wordpress.com
Mansur al-Halladsch, arabisch منصور الحلاج, DMG Manṣūr al-Ḥallāǧ (auch Halladj oder Hallaj; * August 857 in at-Ṭūr, in der Provinz Fars im heutigen Iran; † 26. März 922 in Bagdad durch Hinrichtung), war einer der bekanntesten persischen Sufis (islamischer Mystiker). Mit vollständigem Namen hieß er Abu l-Mughith al-Husain bin Mansur bin Mahamma al-Baidawi. Der Name „al-Halladsch“ bedeutet der Teppichknüpfer.
Der Vater ließ sich mit seiner Familie in Wasil am Tigris nieder, einer durch Araber gegründeten Siedlung. Al-Halladsch verlor hier die Fähigkeit, Persisch zu sprechen. Im Alter von 12 Jahren lernte er den Koran auswendig. Al-Halladsch war zuerst Schüler des Mystikers Sahl at-Tustari, سهل التستري. Mit diesem entzweite er sich jedoch, worauf er nach Bagdad, dem damaligen Zentrum des Sufismus, ging. Dort wurde er mit 18 Jahren Schüler von Amr al-Makki und Dschunaid Bagdadi. Es kam jedoch bald wieder zu Meinungsverschiedenheiten und zur Trennung von seinen Lehrern.
Unter den Sufis und auch der Bevölkerung Bagdads fiel Mansur al-Halladsch durch seine radikalen und schockierenden Äußerungen auf, wodurch er von orthodoxen Muslimen der Ketzerei bezichtigt wurde. Manche seiner Äußerungen zeigen, dass er über die enggefassten Glaubensmeinungen der Orthodoxie hinausgelangt war; beispielsweise meinte er über die islamische Pilgerfahrt nach Mekka (haddsch), man könne sie auch zu Hause durch Gedanken an Gott ersetzen. Al-Halladschs berühmtester Ausspruch "Ich bin die (absolute) Wahrheit" (Ana l-haqq انا الحقّ) entsprang dem sufischen Gedanken der Eins-Werdung mit Gott, der Auflösung des Ichs in Gott (siehe auch Nafs).
Al-Halladsch war aber nicht nur aufgrund seiner ketzerischen Aussprüche den Autoritäten ein Dorn im Auge, hinzu kamen noch diverse Verleumdungen, nach denen er betrügerische Taschenspielertricks und Zauberei ausgeübt haben soll. Er wurde schließlich im Jahr 912 von der Regierung festgenommen und nach mehreren Jahren Gefängnis trotz Fürsprache hochgestellter Persönlichkeiten verurteilt und öffentlich hingerichtet. Man setzte ihm eine Krone auf, schlug ihn halb tot und stellte ihn anschließend auf einem Kreuz (ṣalīb) zur Schau. Er starb am Folgetag.
Mansur al-Halladsch genießt wegen seiner Glaubensansicht unter den Aleviten hohes Ansehen.
(WIKIPEDIA)
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Meister Eckhart sagt in einer Predigt:
Von der Erkenntnis Gottes
Unser lieber Herr spricht, dass das Reich Gottes nahe bei uns ist. Ja, das Reich Gottes ist in uns, und Sankt Paulus spricht, dass unser Heil näher bei uns ist, als wir glauben. Nun sollt ihr wissen, wie das Reich Gottes uns nahe ist. Hiervon müssen wir den Sinn recht achtsam merken.
Denn wäre ich ein König und wüsste es selbst nicht, so wäre ich kein König. Aber hätte ich die feste Ueberzeugung, dass ich ein König wäre, und meinten und glaubten das alle Menschen mit mir, so wäre ich ein König und aller Reichtum des Königs wäre mein.
So ist auch unsere Seligkeit daran gelegen, dass man das höchste Gut, das Gott selbst ist, erkennt und weiss. Ich habe eine Kraft in meiner Seele, die Gottes allzumal empfänglich ist. Ich bin dessen so gewiss, wie ich lebe, dass mir kein Ding so nahe ist wie Gott. Gott ist mir näher als ich mir selber bin, mein Wesen hängt daran, dass Gott mir nahe und gegenwärtig ist.
Das ist er ebenso einem Stein und einem Holze, aber sie wissen es nicht. Wüsste das Holz Gott und erkennte es, wie nahe er ihm ist, wie es der höchste Engel erkennt, das Holz wäre so selig wie der höchste Engel. Und darum ist der Mensch seliger als ein Holz, weil er Gott erkennt und weiss, wie nahe ihm Gott ist. Nicht davon ist er selig, dass Gott in ihm ist und ihm so nahe ist und dass er Gott hat, sondern davon, dass er Gott erkennt, wie nahe er ihm ist, und dass er Gott wissend und liebend ist, und der soll erkennen, dass Gottes Reich nahe ist.
Wenn ich an Gottes Reich denke, dann befällt mich tiefes Schweigen, seiner Grösse wegen; denn Gottes Reich ist Gott selbst mit all seinem Reichtum. Gottes Reich ist kein kleines Ding: wer an alle Welten dächte, die Gott machen könnte, das ist nicht Gottes Reich. Der Seele, in der Gottes Reich erglänzt und die Gottes Reich erkennt, braucht man nicht predigen oder lehren, sie wird vom ihm belehrt und des ewigen Lebens getröstet. Wer weiss und erkennt, wie nahe ihm Gottes Reich ist, der kann mit Jakob sprechen: »Gott ist an diesem Ort und ich wüsste es nicht.«
Gott ist in allen Kreaturen gleich nahe. Der Weise spricht: »Gott hat seine Netze und Stricke auf alle Kreaturen ausgeworfen, so dass man ihn in einer jeden finden und erkennen kann, wenn man es wahrnehmen will.«
Ein Meister spricht: Der erkennt Gott recht, der ihn in gleicher Weise in allen Dingen erkennt; und wenn einer Gott in Furcht dient, ist es gut; wenn er ihm aus Liebe dient, ist es besser; aber wer ihn in Fürchten lieben kann, das ist das allerbeste. Dass ein Mensch ein Leben der Ruhe oder Rast in Gott hat, das ist gut; dass der Mensch ein Leben der Pein mit Geduld trägt, ist besser; aber dass man in dem peinvollen Leben seine Rast habe, das ist das allerbeste. Ein Mensch gehe auf dem Felde [und spreche sein Gebet] und erkenne Gott, oder er sei in der Kirche und erkenne Gott: wenn er Gott darum, weil er an einem Ruheplatz ist, eher erkennt, so kommt das von seiner Schwäche, nicht von Gott, denn Gott ist in allen Dingen und an allen Orten gleich und ist bereit, soweit es an ihm ist, sich überall in gleicher Weise zu geben, und der erkennte Gott richtig, der ihn überall in gleicher Weise erkennte.
Wie der Himmel an allen Orten gleich fern von der Erde ist, so soll auch die Seele gleich fern sein von allen irdischen Dingen, und dem einen nicht näher sein als dem andern, und sie soll sich gleichmütig halten in Liebe, in Leid, im Haben, im Entbehren, in alledem soll sie zumal gestorben, gelassen und darüber erhoben sein. Der Himmel ist rein und klar ohne alle Flecke, den Himmel berührt weder Zeit noch Raum. Alle körperlichen Dinge haben keinen Raum darin. Er ist auch nicht in der Zeit, sein Umlauf ist unglaublich schnell, sein Lauf ist ohne Zeit, aber von seinem Lauf kommt die Zeit. Nichts hindert die Seele so sehr an der Erkenntnis Gottes als Zeit und Raum. Zeit und Raum sind Stücke und Gott ist eins. Soll darum die Seele Gott erkennen, so muss sie ihn über der Zeit und über dem Raum erkennen; denn Gott ist weder dies noch das, wie diese Dinge der Mannigfaltigkeit; denn Gott ist eins.
Soll die Seele Gott erkennen, so darf sie mit dem Nichts keine Gemeinschaft haben. Wer Gott sieht, der erkennt, dass alle Kreaturen nichts sind. Wenn man eine Kreatur mit der andern vergleicht, so scheint sie schön und ist etwas; aber wenn man sie mit Gott vergleichen will, so ist sie nichts.
Ich sage mehr: soll die Seele Gott erkennen, so muss sie auch ihrer selbst vergessen und muss sich selbst verlieren; denn solange sie sich selbst sieht und erkennt, sieht und erkennt sie Gott nicht. Wenn sie sich Um Gottes willen verliert und alle Dinge verlässt, so findet sie sich in Gott wieder, weil sie Gott erkennt, und dann erkennt sie sich selbst und alle Dinge (von denen sie sich geschieden hat) in Gott in Vollkommenheit. Will ich das höchste Gut und die ewige Güte erkennen, wahrlich, so muss ich sie erkennen, wie sie gut an sich selbst ist, nicht wie die Güte geteilt ist. Will ich das wahre Wesen erkennen, so muss ich es erkennen, – wie das Sein an sich selbst ist, das heisst in Gott, nicht wie es in Kreaturen geteilt ist.
In Gott allein ist das ganze göttliche Wesen. In einem Menschen ist nicht ganzes Menschtum, denn ein Mensch ist nicht alle Menschen. Aber in Gott erkennt die Seele ganzes Menschtum und alle Dinge im Höchsten, denn sie erkennt sie in ihrem Wesen. Ein Mensch, der in einem schön gemalten Hause wohnt, weiss viel mehr davon als ein anderer, der nie hineinkam und viel davon sagen wollte. Daher ist es mir so gewiss als ich lebe und Gott lebt: wenn die Seele Gott erkennen will, muss sie ihn über Zeit und Raum erkennen. Und eine solche Seele erkennt Gott und weiss, wie nahe Gottes Reich ist, das heisst Gott mit all seinem Reichtum. Die Meister haben viel Fragens in der Schule, wie das möglich sei, dass die Seele Gott erkennen könne? Es liegt nicht an Gottes Strenge, dass er viel von den Menschen heischt; es liegt an seiner grossen Milde, dass er will, dass die Seele sich weiter mache, auf dass sie viel empfangen und er ihr viel geben könne.
Niemand soll denken, es sei schwer hierzu zu kommen, wiewohl es schwer klingt und auch wirklich im Anfang schwer ist, im Abscheiden und Sterben aller Dinge. Aber wenn man hineinkommt, so ist kein Leben leichter und fröhlicher und lieblicher; denn Gott gibt sich gar grosse Mühe, allezeit bei dem Menschen zu sein, und lehrt ihn, damit er ihn zu sich bringt, wenn er anders ihm folgen will.
Es begehrte nie ein Mensch so sehr nach einer Sache, als Gott begehrt, den Menschen dazu zu bringen, ihn zu erkennen. Gott ist allzeit bereit, aber wir sind sehr unbereit; Gott ist uns nahe, aber wir sind ihm ferne; Gott ist drinnen, aber wir sind draussen; Gott ist zu Hause, wir sind in der Fremde. Der Prophet spricht: »Gott führt die Gerechten durch einen engen Weg in die breite Strasse, dass sie in die Weite und in die Breite kommen, das heisst: in wahre Freiheit des Geistes, der ein Geist mit Gott geworden ist.« Dass wir ihm alle folgen, dass er uns in sich bringe, das walte Gott. Amen.
aus: MEISTER ECKHARTS MYSTISCHE SCHRIFTEN, Karl Schnabel Verlag, Berlin 1920,
"Im letztwilligen Auftrag Gustav Landauers und unter benutzung seiner nachgelassenen Aufzeichnungen bearbeitet und neu herausgegeben von Martin Buber", S. 62 - 65
Eckhart von Hochheim (bekannt als Meister Eckhart, auch Eckehart; * um 1260 in Hochheim oder in Tambach; † vor dem 30. April 1328 in Avignon) war ein einflussreicher spätmittelalterlicher Theologe und Philosoph. Schon als Jugendlicher trat er in den Orden der Dominikaner ein, in dem er später hohe Ämter erlangte. Mit seinen Predigten erzielte er nicht nur bei seinen Zeitgenossen eine starke Wirkung, sondern beeindruckte auch die Nachwelt. Außerdem leistete er einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der deutschen philosophischen Fachsprache. Sein Hauptanliegen war die Verbreitung von Grundsätzen für eine konsequent spirituelle Lebenspraxis im Alltag. Aufsehen erregten seine unkonventionellen, teils provozierend formulierten Aussagen und sein schroffer Widerspruch zu verbreiteten Überzeugungen. Umstritten war beispielsweise seine Aussage, der „Seelengrund“ sei nicht wie alles Geschöpfliche von Gott erschaffen, sondern göttlich und ungeschaffen. Im Seelengrund sei die Gottheit stets unmittelbar anwesend.
Eckhart wird vielfach als Mystiker charakterisiert. In der neueren Forschung dominiert allerdings die Auffassung, dass der unterschiedlich definierte Begriff „Mystik“ als Bezeichnung für Elemente seiner Lehre irreführend oder zumindest erläuterungsbedürftig und nur eingeschränkt verwendbar ist.
Nach langjähriger Tätigkeit im Dienst des Ordens wurde Eckhart erst in seinen letzten Lebensjahren wegen Häresie (Irrlehre, Abweichung von der Rechtgläubigkeit) denunziert und angeklagt. Der in Köln eingeleitete Inquisitionsprozess wurde am päpstlichen Hof in Avignon neu aufgerollt und zu Ende geführt. Eckhart starb vor dem Abschluss des Verfahrens. Da er sich von vornherein dem Urteil des Papstes unterworfen hatte, entging er als Person einer Einstufung als Häretiker, doch Papst Johannes XXII. verurteilte einige seiner Aussagen als Irrlehren und verbot die Verbreitung der sie enthaltenden Werke. Dennoch hatte Eckharts Gedankengut beträchtlichen Einfluss auf die spätmittelalterliche Spiritualität im deutschen und niederländischen Raum.
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Gott
Gott wohnt in einem Licht,
zu dem die Bahn gebricht.
Wer es nicht selber wird,
der sieht ihn ewig nicht.
Halt an, wo läufst du hin?
Der Himmel ist in dir.
Suchst du Gott anderswo,
du fehlst ihn für und für.
Du reisest vielerlei,
zu sehn und auszuspähn.
Hast du nicht Gott erblickt,
so hast du nichts gesehn.
Man kann den höchsten Gott
mit allen Namen nennen;
man kann ihm wiederum
nicht einen zuerkennen.
Gott ist so überalls,
dass man nichts sprechen kann;
drum betest du ihn auch
mit Schweigen besser an.
Angelus Silesius, Cherubinischer Wandersmann
Angelus Silesius (lat. für „Schlesischer Bote/ Engel“, eigentlich Johannes Scheffler; getauft 25. Dezember 1624 in Breslau; † 9. Juli 1677 ebendort) war ein deutscher Lyriker, Theologe und Arzt. Seine tiefreligiösen, der Mystik nahestehenden Epigramme werden zu den bedeutendsten lyrischen Werken der Barockliteratur gezählt.
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Die Bibel sagt in
Psalm 139
HERR, du durchschaust mich, du kennst mich bis auf den Grund. Ob ich sitze oder stehe, du weißt es, du kennst meine Pläne von ferne. Ob ich tätig bin oder ausruhe, du siehst mich; jeder Schritt, den ich mache, ist dir bekannt. Noch ehe ein Wort auf meine Zunge kommt, hast du, HERR, es schon gehört. Von allen Seiten umgibst du mich, ich bin ganz in deiner Hand. Dass du mich so durch und durch kennst, das übersteigt meinen Verstand; es ist mir zu hoch, ich kann es nicht fassen.
Wohin kann ich gehen, um dir zu entrinnen, wohin fliehen, damit du mich nicht siehst? Steige ich hinauf in den Himmel – du bist da. Verstecke ich mich in der Totenwelt – dort bist du auch.
Fliege ich dorthin, wo die Sonne aufgeht, oder zum Ende des Meeres, wo sie versinkt: auch dort wird deine Hand nach mir greifen, auch dort lässt du mich nicht los. Sage ich: »Finsternis soll mich bedecken, rings um mich werde es Nacht«, so hilft mir das nichts; denn auch die Finsternis ist für dich nicht dunkel und die Nacht ist so hell wie der Tag. Du hast mich geschaffen mit Leib und Geist, mich zusammengefügt im Schoß meiner Mutter. Dafür danke ich dir, es erfüllt mich mit Ehrfurcht. An mir selber erkenne ich: Alle deine Taten sind Wunder! Ich war dir nicht verborgen, als ich im Dunkeln Gestalt annahm, tief unten im Mutterschoß der Erde. Du sahst mich schon fertig, als ich noch ungeformt war. Im Voraus hast du alles aufgeschrieben; jeder meiner Tage war schon vorgezeichnet, noch ehe der erste begann. Wie rätselhaft sind mir deine Gedanken, Gott, und wie unermesslich ist ihre Fülle! Sie sind zahlreicher als der Sand am Meer. Nächtelang denke ich über dich nach und komme an kein Ende.
...
Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz, prüfe meine Wünsche und Gedanken! Und wenn ich in Gefahr bin, mich von dir zu entfernen, dann bring mich zurück auf den Weg zu dir!
GUTE NACHRICHT ÜBERSETZUNG: aus Psalm 139