Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht:
Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
Oder er kann es und will es nicht:
Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
Oder er will es nicht und kann es nicht:
Dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Lactantius (ca. 250 bis nach 317), lateinisch-afrikanischer Rhetoriklehrer und christlichen Apologet
Katastrophen wie der Taifun "Haiyan" auf den Philippinen lassen selbst gläubige Menschen zweifeln: Wie konnte Gott das zulassen?
Theodizee
In der Theologie bezeichnet der Begriff "Theodizee" den Versuch, die Allmacht und Güte Gottes angesichts unschuldigen Leidens in der Welt zu rechtfertigen. Theodizee leitet sich vom griechischen "theos" (Gott) und "dike" (Gerechtigkeit) ab. Schon im Alten Testament (Hiob, Psalter) und in der griechischen Antike (Epikur) wird das Problem bedacht.
Der eigentliche Begriff stammt von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716). Der deutsche Philosoph schreibt in seinen "Essais de Théodicée" 1710, die von Gott geschaffene Erde sei zwar "die beste aller möglichen Welten", doch keineswegs vollkommen, da dies nur Gott selbst sei. Durch den unvollkommenen Menschen kämen Leid und Sünde in die Welt, ohne dass dies der Allmacht Gottes widerspreche.
Ein schweres Erdbeben erschütterte im Jahr 1755 nicht nur die europäische Handelsmetropole Lissabon, sondern auch das optimistische Welt- und Gottesverständnis der damaligen Zeit. Angesichts von 30.000 Todesopfern wurde nicht nur die Allmacht Gottes infrage gestellt, sondern die Existenz Gottes überhaupt bestritten: Die fehlende vernünftige Antwort auf die Frage, wie die Allmacht Gottes und das Leid zusammengedacht werden können, wurde nun von Atheisten als Beweis angeführt, dass es Gott nicht gibt.
Viele zeitgenössische Theologen und Kirchenvertreter sehen mit dem Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) die Grenzen der menschlichen Vernunft erreicht, um das Theodizee-Problem zu lösen. Die Spannung zwischen dem Glauben an die Güte Gottes und der Wahrnehmung des schuldlosen Leidens in der Welt lasse sich allein im Glauben und Gebet aushalten: "Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat!" (Psalm 121).
Gerade angesichts von Katastrophen - wie etwa den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, dem Tsunami im Indischen Ozean 2004, dem Erdbeben in Haiti 2010, der Nuklearkatastrophe von Fukushima/Japan 2011 oder jetzt dem Taifun auf den Philippinen - spüren Menschen, dass sie ihr Leben nicht selbst in der Hand haben. Anders als im Christentum, wo das Gebet in Not und Verzweiflung und das Ringen mit Gott (Hiob) angesichts von Ungerechtigkeit einen wichtigen Platz einnimmt, spielt die "Theodizee" in Religionen wie etwa dem Buddhismus und Shintoismus in Japan eine zu vernachlässigende Rolle.
Gott ist gut, aber nicht allmächtig
Aus der Erfahrung persönlichen Leides kommt der Rabbi Harold S. Kushner in seinem Buch „Wenn guten Menschen Böses widerfährt“ zu dem Schluss, dass Gott zwar gut, aber nicht allmächtig sei. Die Frage nach dem „Warum?“ des Leides führe zu nichts, da sie entweder Wut auf sich selbst (Was habe ich getan, dass mir das passiert?) oder auf Gott (Warum lässt Gott das zu?) zur Folge habe und diese Wut verhindere, dass der Mensch Hilfe von anderen Menschen und von Gott annehmen könne. Da Gott durch die Menschen wirke, solle die Frage vielmehr lauten „Wenn mir dieses Leid nun schon einmal passiert ist, wer kann mir helfen?“ Dieser Lösungsansatz ist auch im Rahmen der sog. Theologie nach Auschwitz verbreitet. Auch Hans Jonas ist der Meinung, dass der Begriff der Allmacht zweifelhaft sei und dass deswegen auf dieses Gottesattribut verzichtet werden müsse. Jonas glaubt, dass Gott deswegen in Auschwitz nicht eingegriffen habe, weil er es nicht konnte. Jonas schlägt deshalb die Idee eines Gottes vor, der darauf verzichtet (hat), in den Verlauf des Weltgeschehens einzugreifen.
Christus am Kreuz als Ohnmacht Gottes
Durch die Kreuzigung Christi sei die Ohnmacht Gottes deutlich geworden (Dorothee Sölle: „Gott hat keine anderen Hände als die unseren“). Zugleich wird die besondere Nähe Gottes zu den Menschen in der Passion beschrieben. Gott entäußert sich selbst und unterwirft sich menschlicher Grausamkeit, um zugleich eine Perspektive aufzuweisen, die in die Ewigkeit hineinragt.
Klaus-Peter Jörns: Die Wirklichkeit des Leidens und die Nähe Gottes -
Dass Gott Leiden zulässt, ist nicht zu bestreiten. Dass Leiden keine Strafen sind, haben wir von Jesus gelernt. In seiner Sicht fordern Leiden von Menschen und Tieren liebevolle Zuwendung heraus, die Gottes Mitleiden mit den Geschöpfen ausdrückt.
Warum aber gibt es überhaupt Leiden? Leiden haben damit zu tun, dass die Erde und alles Leben auf ihr sterblich geschaffen sind – damit das Leben nicht vergreist, sondern sich in der fortdauernden Evolution weiter entwickeln kann. Unsterbliches Leben hat es im Kosmos nie gegeben. Für den Glauben ist der Tod das Tor zu neuem Leben, zur weitergehenden Menschwerdung des immer noch unfertigen Menschen. So macht der Glaube fähig, Leiden und leidvolle Abschiede zu ertragen und selbst die Perversionen der Freiheit – zerstörerische Gewalt und Angst erzeugende Drohung mit dem (ewigen) Tod – energisch einzudämmen.
Buchbesprechung zu: KLAUS-PETER JÖRNS: Lässt Gott leiden?
Mit Audio-CD
Schriften zur Glaubensreform, Band 1
Gütersloher Verlagshaus, 64 Seiten, € 9,99
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Beten schadet nicht ...
1. Gebet unterbricht den Lauf der Dinge
Wer betet, unterbricht den normalen Ablauf des Tages. Was um einen herum geschieht, wird nicht als unvermeidlich oder selbstverständlich wahrgenommen. Stattdessen ordnet man im Gebet seine Gedanken. So kann, wer betet, sich selbst davon abhalten, besinnungslos zu werden und alles einem vermeintlichen Schicksal zu überlasen. Man kann durch Gebet Zusammenhänge entdecken und Verantwortung übernehmen.
2. Beten tröstet
Nur wer sich an Gott wendet, wer seinen Kummer Gott anvertraut, kann auf Trost von Gott hoffen. Im Gebet kann man zur Ruhe kommen, die Seele kann aufatmen. Beten bedeutet, nicht allein zu bleiben. Wer nicht allein ist in seinem Leid und Kummer, kann Geborgenheit spüren und sich so von Gott trösten lassen.
3. Wer betet, darf stammeln
Kaum eine andere Gesprächssituation ist so freundlich wie das Gebet. Wer betet, braucht keine geschliffenen Formulierungen oder besonderes Sprachvermögen. Wir können einfach reden, wie wir eben können, stammelnd, nach Worten ringend – ja, selbst stumm.
4. Der Zweifel kommt raus
Wie kann es sein, dass solches Unglück geschieht? Wie kannst Du, Gott, das zulassen? Solche Gebete gibt es, seit Menschen glauben. In den Psalmen gibt es Beispiele davon, wie Menschen sich gerade in der Katastrophe mit ihrem Zweifel und ihrer Klage an Gott wenden, zum Beispiel in Psalm 22.
5. Beten schafft Gemeinschaft
Wer im Gebet an andere denkt, für andere bittet, stellt sich in eine Gemeinschaft mit diesen Menschen. Im Gebet für andere machen wir deutlich, dass sie uns nicht egal sind. Wir nehmen Anteil am Schicksal anderer Menschen. Wir gehören zusammen.
6. Worte ausleihen ist erlaubt
Ob das Vaterunser, ob Psalmen oder Gebete ganz anderer Menschen - immer kann man einstimmen in die Worte, die an Gott gerichtet sind. Gerade wenn einem selbst die Worte fehlen, weil alles gerade so wunderschön oder so entsetzlich ist, hilft es sehr, dass es Formulierungen und Formeln gibt, die wir einfach mitsprechen und nachsprechen können.
7. Jesus hat gesagt: Betet immer!
"Lass nicht nach im Gebet", sagt Jesus. Er macht in seinen Gleichnissen und Reden immer wieder deutlich, dass man Gott mit einem Gebet sogar "nerven" darf. Gott hat immer Sprechzeit, selbst wenn andere längst schlafen (wie in Lukas 11,5-12).
Literatur zum Thema: WIKIPEDIA und evangelisch.de
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Ja - Dorothee Sölle hat den Satz gesagt: „Gott hat keine anderen Hände als die unseren“ ... - Bei näherem Hineinspüren in diese Worte zeigt sich gleichzeitig eben auch die "Kehrseite" der "Allmacht" Gottes und unserer Existenz: Eben der ohnmächtige Gott in all seiner Schwäche und damit eben doch jener "Stärke" - die anders ist ist als etwa pure Muskelkraft und willkürliche Gewalt - eine "Stärke", die jedoch im Nu im Glauben "Berge versetzen kann": ER begleitet uns, fasst unsere Hand, ER lebt in uns, SEIN Reich ist "mitten unter uns" ... - aber nur wir können IHN und "SEIN Reich" leben - da kommt nichts "physisch" Ertastbares und Sichtbares von irgendwo her auf uns herab - nur in uns kann etwas wachsen und heranreifen in SEINEM Geist - nur wir können IHN in unserem Sosein verwirklichen - ER macht uns seine Angebote im Jetzt & Hier - im nunc|hic: Und wir sind es vielleicht letztlich, die da freveln mit dem Klima und mit der Erderwärmung und der Nichtbegrenzung von Autoabgasen in €uropa - einfach aus "marktkonformem" Profitdenken: ER kann uns immer nur beistehen im Hinhören und uns mit seinem vorsichtigen Flüstern und Raunen in uns und unserem "Gewissen" bestärken, damit wir die Berge "versetzen", die sich - vor IHM [!] - und vor uns - aufgetürmt haben - wenn wir eben genau "lauschen" und erspüren - und ER leidet mit uns und trauert - und tröstet uns im Gebet ...Der sogenannte "Allmächtige" als Begriff und als Attribut, als "Personal"bezeichnung gar - der über-über-übermächtige Suuuuper-Herrscher, dem wir "auf Deubel komm raus" in SEINER Willkür ausgeliefert sind, auf seinem unvorstellbar kostbarem Thron hockend da droben (mit Bart und Rohrstock und Tsunami im Ärmel), war immer nur eine Projektion - ein Popanz menschlicher Hybris und pervers-kraftvoller gedanklich-psychologischer "Übertragungs"phänomene - aus der festen Überzeugung heraus, in SEINER unmittelbaren "Nachfolge" "im Gehorsam" so stehen zu müssen - um diese Gott zugeschriebene "Rolle" nachzuahmen, um folglich selbst als rücksichtsloser Tyrann unbegrenzte "Allmacht" (..."über Alles und Jeden" ...) anzustreben ... Wer IHN so auffasst , be-greift IHN nicht, kann IHN nicht fassen - denn Göttliches zeigt sich eher im Machtlosen, im Schwachen, im Armen, in der unmittelbaren Not, im Untergehen, im Kleinen - also im genauen Gegenteil einer "Allmacht" - eben so - wie ER nun mal ist - ("ICH bin - der ICH bin...) - und uns durchs Haar streicht - und an die Hand fasst - und der mit uns in unserer Angst im Wald pfeift - er kann nicht all den Wiggel und die Ursachen verhindern - die uns dazu bringen, in unserer Not, IHN ab und zu zu bitten (zu beten), uns wieder aufzuhelfen - um uns wieder, in Gemeinsamkeit mit IHM, "Instand"zu setzen ...