Ein Sieg für die Demokratie - Mehr Demokratie wagen ...
42 Fehlstimmen für Frau Merkel aus der neuen GroKo
Koalitionsvertrag: "Papiä is chedüllich" ... -
Für eine "Innerparlamentarische Opposition" (IPO)
Das Vertragspapier für die Große Koalition hat viele Seiten, wer sich die Lektüre zumutet, hört damit möglicherweise zu früh auf. Denn am Schluss wird es hochinteressant, da steht:
"Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen."
Die Gefolgschaften sollen also einheitlich abstimmen, und es soll dabei blockartig zugehen.
Allerdings sind nach dem Grundgesetz nicht die Fraktionen, sondern die einzelnen Volksvertreter Träger des Mandats, das ihnen durch die Wahl zugekommen ist. Denn nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind Abgeordnete „an Aufträge und Weisungen“ – auch ihrer Parteien – „nicht gebunden“ (Verbot des imperativen Mandats). So will es unsere Verfassung. In dieser Verfassung tatsächlich nachzulesen, blieb den Koalitionsverhändlern offenbar nicht die nötige Muße.
Von einem sogenannten "Fraktionszwang" wird zwar seit langem im Bundestag Gebrauch gemacht und andererseits geben die Fraktionsführungen mitunter "die Abstimmung frei", aber diese Gewohnheiten sind verfassungsrechtlich bodenlos. Wenn nun die Große Koalition eine solche Praxis "vertraglich" zementieren will, deutet das auf Angstgefühle hin - die Parteiführungen rechnen damit, dass im Laufe der Regierungszeit bei Abgeordneten die Neigung aufkommt, aus der Marschordnung auszubrechen.
Und "wechselnde Mehrheiten" sollen untersagt werden, um das regierende Parteienbündnis vor zentrifugalen Versuchungen zu bewahren.
Ein Vertrag ist, wie der Creifelds, das Standard-Rechtswörterbuch formuliert, „ein in der Regel zweiseitiges Rechtsgeschäft, bei dem durch mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen ein rechtlicher Erfolg erzielt werden soll“. Das kann der Koalitionsvertrag jedoch nicht bieten, er peilt keinen rechtlichen, sondern einen politischen Erfolg an. Wird er verletzt, weil sich ein Koalitionspartner beispielsweise weigert, ein vereinbartes Regierungsziel weiterhin zu unterstützen, dann können ihn die anderen Partner intern und extern kritisieren, sie können das Ende der Koalition androhen und sie – wenn gar nichts anderes hilft – platzen lassen, aber den Partner auf Einhaltung des Koalitionsvertrags vor Gericht verklagen, das können sie nicht.
Mit der Vereinbarung eines Koalitionsvertrages bekunden die Spitzen der Parteien lediglich die Absicht, auf die Abgeordneten ihrer Fraktionen dahin einzuwirken, die Regierung zu unterstützen. Anweisen können sie sie selbstverständlich nicht. Das genau verbietet das Grundgesetz (GG).
Also - im westfälisch-plattdeutschen Volksmund sagt man ja auch: "Papiä is chedüllich" ( = Papier ist geduldig) - und das trifft sogar für diesen Koalitionsvertrag zu, der ja nun monatelang von politischen Fachleuten - darunter vielen Juristen - "ohn Unterlass" ausverhandelt wurde ...
Recht so, finde ich. Mir dämmert so allmählich, dass ich mit dieser GroKo nur meinen inneren Frieden schließen kann, wenn die Abgeordneten immer mehr aus ihren von den Fraktionen "vorgegebenen""imperativen Mandaten" ausbrechen - wenn sie ihre Vereinstrikots zu Hause und im Koffer lassen - und so zwar in bzw. mit einer apostrophierten "GroKo" leben, aber sich ihrem eigenen Gewissen immer mehr gebunden fühlen als dem Fraktionszwang. So könnte man den undemokratischen Fallen der Zweidrittel-Mehrheit dieser Koalition doch noch entgehen.
So könnte ich auch meinen Frieden machen mit der neuen, gestern vereidigten Regierung: Da sind schon - bei genauem Hingucken - jeweils politische (Schwer)gewichte - Einzelpersönlichkeiten - wenn man sich ihre Vereinstrikots mal wegdenkt - mal mehr, mal weniger mit persönlicher, fachlicher und/oder politischer Kompetenz - zusammengekommen, die ja alle bereits über ihren eigenen (Partei- und Fraktionszwang-)Schatten springen mussten, um nach so langer Abstinenz nun munter miteinander wieder vor sich hin zu regieren...
Wenn sich dieser Parteien- und Lobby- bzw. Klientelfilz aus dem gesamten Bundestag so gut wie irgendmöglich für die nächsten vier Jahre heraushalten ließe - und wenn Demokratie wieder echt demokratisch in seiner Substanz werden könnte - ohne in erster Linie auf hauptsächliche "Marktkonformität" zu schielen - dann könnte man diese allzu bunten Farbspiele von Schwarz-Rot, Rot-Rot-Grün, Schwarz-Grün, Rot-Rot in den Hintergrund stellen: Das einzelne Regierungsmitglied und der einzelne Abgeordnete handelt nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG - und ist „an Aufträge und Weisungen“ nicht gebunden ... das könnte in diesem Land paradiesisch sein - könnte auch direkt und sofort umgesetzt werden - ohne Mehrausgaben ... - allerdings müssten dann die "Volksvertreter" auch mit ihrem "knappen" Abgeordneten- bzw. Ministersalär zu Potte kommen - jegliche "Neben-Verdienste" als Zubrot wären dann nicht mehr drin ... - und man könnte - dann erst - zu Recht mit gerümpfter Nase und mit dem nackten Finger auf Herrn Putin zeigen - mit seiner Demokraturmauschelei Made in Russia ...
Text auch mit mit Materialien aus: Arno Klönne - Telepolis | Daniel Martienssen - der Freitag | Christian Bommarius - Frankfurter Rundschau | Kai Diekmann - BILD.de
.................................................................................................
*) ZUR DOKUMENTATION:
Repro aus BILD.de vom 17.12.00.20 Uhr :
42 Fehlstimmen für Frau Merkel aus der neuen GroKo
Koalitionsvertrag: "Papiä is chedüllich" ... -
Für eine "Innerparlamentarische Opposition" (IPO)
Das Vertragspapier für die Große Koalition hat viele Seiten, wer sich die Lektüre zumutet, hört damit möglicherweise zu früh auf. Denn am Schluss wird es hochinteressant, da steht:
"Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen."
Die Gefolgschaften sollen also einheitlich abstimmen, und es soll dabei blockartig zugehen.
Allerdings sind nach dem Grundgesetz nicht die Fraktionen, sondern die einzelnen Volksvertreter Träger des Mandats, das ihnen durch die Wahl zugekommen ist. Denn nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind Abgeordnete „an Aufträge und Weisungen“ – auch ihrer Parteien – „nicht gebunden“ (Verbot des imperativen Mandats). So will es unsere Verfassung. In dieser Verfassung tatsächlich nachzulesen, blieb den Koalitionsverhändlern offenbar nicht die nötige Muße.
Von einem sogenannten "Fraktionszwang" wird zwar seit langem im Bundestag Gebrauch gemacht und andererseits geben die Fraktionsführungen mitunter "die Abstimmung frei", aber diese Gewohnheiten sind verfassungsrechtlich bodenlos. Wenn nun die Große Koalition eine solche Praxis "vertraglich" zementieren will, deutet das auf Angstgefühle hin - die Parteiführungen rechnen damit, dass im Laufe der Regierungszeit bei Abgeordneten die Neigung aufkommt, aus der Marschordnung auszubrechen.
Und "wechselnde Mehrheiten" sollen untersagt werden, um das regierende Parteienbündnis vor zentrifugalen Versuchungen zu bewahren.
Ein Vertrag ist, wie der Creifelds, das Standard-Rechtswörterbuch formuliert, „ein in der Regel zweiseitiges Rechtsgeschäft, bei dem durch mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen ein rechtlicher Erfolg erzielt werden soll“. Das kann der Koalitionsvertrag jedoch nicht bieten, er peilt keinen rechtlichen, sondern einen politischen Erfolg an. Wird er verletzt, weil sich ein Koalitionspartner beispielsweise weigert, ein vereinbartes Regierungsziel weiterhin zu unterstützen, dann können ihn die anderen Partner intern und extern kritisieren, sie können das Ende der Koalition androhen und sie – wenn gar nichts anderes hilft – platzen lassen, aber den Partner auf Einhaltung des Koalitionsvertrags vor Gericht verklagen, das können sie nicht.
Mit der Vereinbarung eines Koalitionsvertrages bekunden die Spitzen der Parteien lediglich die Absicht, auf die Abgeordneten ihrer Fraktionen dahin einzuwirken, die Regierung zu unterstützen. Anweisen können sie sie selbstverständlich nicht. Das genau verbietet das Grundgesetz (GG).
Also - im westfälisch-plattdeutschen Volksmund sagt man ja auch: "Papiä is chedüllich" ( = Papier ist geduldig) - und das trifft sogar für diesen Koalitionsvertrag zu, der ja nun monatelang von politischen Fachleuten - darunter vielen Juristen - "ohn Unterlass" ausverhandelt wurde ...
Der erste Beweis aber für mutige Aufmüpfigkeit und fehlende Einbindungskraft liegt bereits vor: die 42 fehlenden Stimmen für die Noch-einmal-Kanzlerin Merkel aus den Kreisen der GroKo.
Recht so, finde ich. Mir dämmert so allmählich, dass ich mit dieser GroKo nur meinen inneren Frieden schließen kann, wenn die Abgeordneten immer mehr aus ihren von den Fraktionen "vorgegebenen""imperativen Mandaten" ausbrechen - wenn sie ihre Vereinstrikots zu Hause und im Koffer lassen - und so zwar in bzw. mit einer apostrophierten "GroKo" leben, aber sich ihrem eigenen Gewissen immer mehr gebunden fühlen als dem Fraktionszwang. So könnte man den undemokratischen Fallen der Zweidrittel-Mehrheit dieser Koalition doch noch entgehen.
17 Einzelpersönlichkeiten regieren die Bundesrepublik - eine jede ist einzig und allein ihrem Gewissen verpflichtet ... (Foto dpa/n-tv) |
Wenn sich dieser Parteien- und Lobby- bzw. Klientelfilz aus dem gesamten Bundestag so gut wie irgendmöglich für die nächsten vier Jahre heraushalten ließe - und wenn Demokratie wieder echt demokratisch in seiner Substanz werden könnte - ohne in erster Linie auf hauptsächliche "Marktkonformität" zu schielen - dann könnte man diese allzu bunten Farbspiele von Schwarz-Rot, Rot-Rot-Grün, Schwarz-Grün, Rot-Rot in den Hintergrund stellen: Das einzelne Regierungsmitglied und der einzelne Abgeordnete handelt nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG - und ist „an Aufträge und Weisungen“ nicht gebunden ... das könnte in diesem Land paradiesisch sein - könnte auch direkt und sofort umgesetzt werden - ohne Mehrausgaben ... - allerdings müssten dann die "Volksvertreter" auch mit ihrem "knappen" Abgeordneten- bzw. Ministersalär zu Potte kommen - jegliche "Neben-Verdienste" als Zubrot wären dann nicht mehr drin ... - und man könnte - dann erst - zu Recht mit gerümpfter Nase und mit dem nackten Finger auf Herrn Putin zeigen - mit seiner Demokraturmauschelei Made in Russia ...
Tja - und wenn der gute Kai Diekmann als BILD-Chef dazu ermuntert, sein Blatt am Kiosk zu kaufen und sein BILD(+) per Internet zu abonnieren, weil nun ausgerechnet seine BILD ab sofort "die APO" sei - die "Außerparlamentarische Opposition" - die "bei jeder Gelegenheit" der GroKo "auf die Finger" haut - "Hart. Schmerzvoll. Und ohne Gnade" ... wenn es sein muss (... bei der tragischen tatsächlichen APO-/Dutschke-Historie mit der "Springer-Presse" kann man das nur als bodenlosen Zynismus bezeichnen ...) - also "APO" nun quasi als ein neues BILD-Label vereinnahmt und besetzt werden soll, ... - ja dann - dann sollte das Parlament insgesamt rasch genug diesem Ansinnen die Finger wegziehen - und eine "IPO" leben - eine "Innerparlamentarische Opposition" - immer wenn die tatsächliche Opposition an den Rand gedrängt wird - "und zu links ist", wie denn der ehemalige Klosterschüler Diekmann mit unverbrüchlichem Kennerblick feststellt ...*)Es wäre alles fast zu schön - um wahr zu sein ...
Text auch mit mit Materialien aus: Arno Klönne - Telepolis | Daniel Martienssen - der Freitag | Christian Bommarius - Frankfurter Rundschau | Kai Diekmann - BILD.de
.................................................................................................
*) ZUR DOKUMENTATION:
Repro aus BILD.de vom 17.12.00.20 Uhr :
S!NEDi-Repro aus BILD.de |