"I am God" - Femenprotest im Kölner Dom | Foto: DPA/SPIEGEL-ONLINE.de |
Weihnachtsmesse mit Kardinal Meisner:
Femen-Aktion im Kölner Dom
Für den Erzbischof war die barbusige Protestaktion schnell erledigt: Kardinal Meisner weihte den Altar im Kölner Dom erneut und schloss die Femen-Aktivistin in seine Gebete ein. Andere sparten nicht mit Kritik - darunter der Grüne Volker Beck.
Köln/Berlin - Die Protestaktion einer nackten Aktivistin auf dem Altar des Kölner Doms während der Messe am ersten Weihnachtstag ist auf deutliche Kritik gestoßen. Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, bezeichnete sie als respektlos und "eine unnötige Störung der Gläubigen beim Gottesdienst". Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, nannte die Aktion einer Femen-Aktivistin verletzend und rücksichtslos.
Die 20-jährige Frau war am Mittwoch kurz nach Beginn des Gottesdienstes mit Kardinal Joachim Meisner nur mit einer Art Lendenschurz bekleidet auf den Altar gesprungen. Sie hatte sich die Worte "I am God" ("Ich bin Gott") auf den nackten Oberkörper gemalt und sich mit nach oben gereckten Armen der Gemeinde zugedreht. Die Frau, die der Protestorganisation Femen angehört, wurde nach wenigen Minuten von den Ordnungskräften im Dom abgeführt.
Nach Angaben einer Kölner Polizeisprecherin vom Donnerstag wurde gegen sie Anzeige erstattet wegen Störung der Religionsausübung und Hausfriedensbruchs. Für Ersteres können eine Geldstrafe oder sogar bis zu drei Jahre Haft drohen.
Bei der Frau handelt es sich Berichten zufolge um die Femen-Aktivistin Josephine Witt aus Hamburg, die bereits auf der Hannover-Messe gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin demonstrierte und wegen barbusiger Proteste in Tunesien mehrere Monate im Gefängnis saß.
"Kein übergroßes Bohei"
Für den bald aus seinem Amt scheidenden Kölner Kardinal Meisner, der die Messe las, war der Zwischenfall eine denkwürdige Geburtstagsüberraschung: Der konservative Kleriker feierte am Mittwoch seinen 80. Geburtstag. Meisner gab sich unbeeindruckt: "Jeder hat den Segen verdient. Sogar die verwirrte Frau vorhin. Sie schließe ich mit ein, sie hat es wohl auch am nötigsten", sagte er dem "Express" zufolge.
ZdK-Präsident Glück kritisierte, es gebe "kein Argument, das eine solche Aktion rechtfertigt". Derartige Provokationen zielten darauf ab, andere Menschen zu verletzen, und hätten "mit dem demokratischen Recht auf Demonstration im öffentlichen Raum nichts zu tun".
Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, erklärte in Berlin, auch vor den Toren des Doms "hätte es genügend Möglichkeiten gegeben, Kritik an Kardinal Meisner oder auch der katholischen Kirche zu üben". Die Störung eines Gottesdienstes wie einen Hausfriedensbruch zu bestrafen, sei "angemessen". Beim Strafmaß für Störung der Religionsausübung sowie beim alten Gotteslästerungsparagrafen sehe er allerdings Reformbedarf, weil hier die Strafandrohung zu hart sei.
Der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp nannte die Aktion in der Online-Ausgabe des "Kölner Stadt-Anzeigers""indiskutabel". Er wolle darum aber "kein übergroßes Bohei" machen. "Man sollte so etwas nicht durch übertriebene Öffentlichkeit aufwerten", sagte er.
Nach dem Vorfall hätten Kardinal Meisner und der Domzeremoniar eine symbolische Reinigung des Altars vorgenommen. Meisner habe ein Gebet gesprochen und den Altar mit Weihwasser besprengt.
SPIEGEL.de
NACKT-PROTEST IM KÖLNER DOM
Meisner findet die richtigen Worte
Auf die barbusige Provokation während der Messe am ersten Weihnachtstag im Kölner Dom hat Kardinal Joachim Meisner genau richtig reagiert. Die katholische Kirche hält derartige Dummheiten aus - auch ohne Strafrecht.
Ein Kommentar. Von Joachim Frank | Kölner Stadtanzeiger
Nicht mal ignorieren. Das ist wohl die beste Reaktion auf die Störung des Weihnachtshochamts im Kölner Dom. Denn die hinlänglich bekannten barbusigen Provokationen der Femen-Aktivistinnen zielen in diesem Fall natürlich auch darauf, dass Kardinal Joachim Meisner und seine Mitarbeiter die vermeintliche Prüderie und (sexuelle) Verspanntheit der katholischen Kirche durch Empörungsbekundungen unter Beweis stellen. Also gilt es für die Kirchenvertreter, nicht über dieses Stöckchen zu springen. Meisners spontane Worte - eine Mischung aus Unverständnis und Gelassenheit - waren deshalb genau richtig.
Ein Ärgernis ist der als (kirchen-)politische Aktion getarnte Exhibitionismus trotzdem. Weihnachten, ein voller Dom, Meisners 80. Geburtstag - diese Kombination garantiert maximale Aufmerksamkeit. Dass es der jungen Frau dabei ernsthaft darum ging, sexistische und patriarchale Strukturen der katholischen Kirche anzuprangern, das soll sie ruhig erzählen. Und wer will, soll ihr diese Schnurre glauben. Sie überhöht ein bisschen Lust an billigem Krawall so erwartbar, dass es fast schon wieder lustig ist.
Um die entscheidende Differenz zwischen spätpubertierendem Quatsch und Protest deutlich zu machen, genügt der Vergleich des Kölner Akts mit der Aktionskunst der russischen Band Pussy Riot in der Moskauer Erlöserkathedrale. Die Punkerinnen dort trafen sehr präzise diverse Schwachstellen ihrer Gesellschaft: die skandalös enge Verbandelung zwischen der orthodoxen Kirche und dem russischen Staat ebenso wie die autokratische, ja diktatorische Herrschaft in Putins Russland. Pussy Riot ging ein hohes Risiko - und bekam prompt die Härte des Regimes zu spüren.
Nichts davon muss die Provokateurin im Dom mit ihrem Larifari fürchten. Gut so. Eine starke Institution wie die katholische Kirche, mächtige Hierarchen und glaubensstarke Katholiken halten allerhand Dummheiten aus und brauchen nicht das Strafrecht, um die Regeln des Anstands und des Respekts für ihre religiöse Praxis zu reklamieren. Rückhalt und Verständnis der Öffentlichkeit - auch der nicht kirchlich gebundenen - werden dann am größten sein, wenn die Kirche sich von ihrer im besten Sinn honorigen Seite zeigt. Vor allem an Weihnachten, dem Fest der Liebe und des Friedens.
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Tja - so allmählich nützen sich diese Protestformen der Femen und der Nacktdemonstrantinnen ab, die in Russland und in den arabischen Staaten sicherlich ihre gesellschaftspolitisch bedingten Berechtigungen haben, hier im satten Westen aber gehen die Aktivistinnen wenig persönliches Risiko ein - und übrig bleibt eigentlich nur ein wenig Klamauk ... - es ist nicht mehr das, was es einst war ... Wie schnell aber nun hierbei ganze Foto-Strecken und ein Youtube-Video - alles wohlfeil fotografiert und gefilmt - in den Medien erscheinen und hochgeladen werden, macht die Angabe der Femen-Aktivistin Witt, es habe sich um eine "Mono-Aktion" ihrer Organisation gehandelt, für mich zumindest fragwürdig und zweifelhaft ... Und die "gelassene" Reaktion im Kölner Dom erscheint ja auch irgendwie etwas zu "wohlweislich" - als habe man damit gerechnet ... - aber vielleicht ist das ja auch nur die Kraft der "Gelassenheit", die in der Spiritualität liegt ...