aufgeschnappt - aufgelesen - aufgepeppt - aufgefloppt
KIRCHENLITERATUR ZU SOTSCHI
Mit Jesus in der Loipe
Die beiden großen deutschen Kirchen wollen die Athleten bei den Olympischen Winterspielen nicht allein lassen und haben ein Heftchen mit passenden Gebeten herausgegeben. Ziemlich peinliche Sache.
In vier Wochen beginnen die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Und all jenen, die sich auf die Reise nach Russland machen, haben die beiden großen Kirchen Deutschlands gemeinsam ein „Mittendrin“ betiteltes Heftlein zugedacht. Es soll ein „geistliches Trainingsbuch“ für Sportler sein, die „mittendrin im Trubel von Training und Wettkampf vielleicht nach Hilfe“suchen, um das „innere Gleichgewicht zu finden“.
Toll. Die Kirchen kümmern sich ums innere Gleichgewicht ihrer Gläubigen. Interessant dabei auch, dass damit ein Plädoyer für die noch zarte und reichlich umstrittene Wissenschaft von der Psychotheologie gegeben wird!
Noch interessanter ist jedoch, was dieses Heft den Sportlern glaubt, ans Herz legen zu müssen. Was ein Knie ist zum Beispiel:„Das menschliche Knie ist ein sensibles Körperteil. Es macht uns beweglich und gibt uns Halt.“Also Obacht! Nicht, dass es sich nicht mehr beugen lässt.
Sport fördert die Gesundheit
Es gibt auch „Biblische Ernährungs-Tipps“ zum Beispiel:„Wein in Maßen und Sport fördern und kräftigen die Gesundheit!“Beherzigen Sie dies, liebe Sportsleute! Zu viel Schnaps gefährdet die Siegchancen! Aber ein Schnäpschen fürs innere Gleichgewicht? Kann nicht schaden. Für Biathleten etwa nur zu empfehlen. Macht die Hand ruhig, hilft auch die eventuelle Niederlage zu verwinden. Und sollten es doch mal zu viele Schnäpse geworden sein, so viele, dass Biathleten vergessen haben, was Biathlon überhaupt ist – auch hierfür hat dieses Heftlein vorgesorgt: „Biathlon umfasst den Skilanglauf über Strecken von 7,5 bis 20 km und das Schießen.“Danke. Und ja!, „der Biathlonsport zeigt uns, wie wir mit der Doppelbelastung, schnell und konzentriert sein zu müssen, umgehen können.“Super.
Vielleicht war ja Jesus auch Biathlet? In jedem Fall wäre, wird uns versichert, bei ihm „Fastfood aus der Pappe“ wohl nicht auf den Tisch gekommen. Bestimmt nicht. Oder war er doch Skispringer? Beim Skispringen spielt nämlich der Gegenwind „eine ganz entscheidende Rolle“. Und mit Gegenwind kannte Jesus sich aus, oh ja.
Das gesellschaftliche Nirgendwo
Abgesehen davon also, dass dieses Heftlein so tut, als fänden die Olympischen Spiele im politischen und gesellschaftlichen Nirgendwo statt, als wäre es vollkommen wurscht, dass Gottes Schöpfung geschändet wurde, um diese Sport-Show überhaupt zu ermöglichen und es Gesetze im Austragungsland gibt, die auch mit sehr viel Schnaps nicht besser werden, abgesehen auch davon, dass die Sportler wie Kleinstkinder aus Dummerland angesprochen werden, ist es vor allem ein theologisches Armutszeugnis. Es leistet den Offenbarungseid auf Kirchen, die ihre frohe Botschaft verramschen. Meine Güte.
Dirk Pilz | Berliner Zeitung
KIRCHENLITERATUR ZU SOTSCHI
Mit Jesus in der Loipe
Die beiden großen deutschen Kirchen wollen die Athleten bei den Olympischen Winterspielen nicht allein lassen und haben ein Heftchen mit passenden Gebeten herausgegeben. Ziemlich peinliche Sache.
In vier Wochen beginnen die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Und all jenen, die sich auf die Reise nach Russland machen, haben die beiden großen Kirchen Deutschlands gemeinsam ein „Mittendrin“ betiteltes Heftlein zugedacht. Es soll ein „geistliches Trainingsbuch“ für Sportler sein, die „mittendrin im Trubel von Training und Wettkampf vielleicht nach Hilfe“suchen, um das „innere Gleichgewicht zu finden“.
Toll. Die Kirchen kümmern sich ums innere Gleichgewicht ihrer Gläubigen. Interessant dabei auch, dass damit ein Plädoyer für die noch zarte und reichlich umstrittene Wissenschaft von der Psychotheologie gegeben wird!
Noch interessanter ist jedoch, was dieses Heft den Sportlern glaubt, ans Herz legen zu müssen. Was ein Knie ist zum Beispiel:„Das menschliche Knie ist ein sensibles Körperteil. Es macht uns beweglich und gibt uns Halt.“Also Obacht! Nicht, dass es sich nicht mehr beugen lässt.
Sport fördert die Gesundheit
Es gibt auch „Biblische Ernährungs-Tipps“ zum Beispiel:„Wein in Maßen und Sport fördern und kräftigen die Gesundheit!“Beherzigen Sie dies, liebe Sportsleute! Zu viel Schnaps gefährdet die Siegchancen! Aber ein Schnäpschen fürs innere Gleichgewicht? Kann nicht schaden. Für Biathleten etwa nur zu empfehlen. Macht die Hand ruhig, hilft auch die eventuelle Niederlage zu verwinden. Und sollten es doch mal zu viele Schnäpse geworden sein, so viele, dass Biathleten vergessen haben, was Biathlon überhaupt ist – auch hierfür hat dieses Heftlein vorgesorgt: „Biathlon umfasst den Skilanglauf über Strecken von 7,5 bis 20 km und das Schießen.“Danke. Und ja!, „der Biathlonsport zeigt uns, wie wir mit der Doppelbelastung, schnell und konzentriert sein zu müssen, umgehen können.“Super.
Vielleicht war ja Jesus auch Biathlet? In jedem Fall wäre, wird uns versichert, bei ihm „Fastfood aus der Pappe“ wohl nicht auf den Tisch gekommen. Bestimmt nicht. Oder war er doch Skispringer? Beim Skispringen spielt nämlich der Gegenwind „eine ganz entscheidende Rolle“. Und mit Gegenwind kannte Jesus sich aus, oh ja.
Das gesellschaftliche Nirgendwo
Abgesehen davon also, dass dieses Heftlein so tut, als fänden die Olympischen Spiele im politischen und gesellschaftlichen Nirgendwo statt, als wäre es vollkommen wurscht, dass Gottes Schöpfung geschändet wurde, um diese Sport-Show überhaupt zu ermöglichen und es Gesetze im Austragungsland gibt, die auch mit sehr viel Schnaps nicht besser werden, abgesehen auch davon, dass die Sportler wie Kleinstkinder aus Dummerland angesprochen werden, ist es vor allem ein theologisches Armutszeugnis. Es leistet den Offenbarungseid auf Kirchen, die ihre frohe Botschaft verramschen. Meine Güte.
Dirk Pilz | Berliner Zeitung