aufgeschnappt - aufgelesen - aufgepeppt - aufgearbeitet
Ist "Arbeiten" eine typisch deutsche Angewohnheit?
Arbeiten Deutsche nur der Arbeit wegen? Und werden sie für ihr Malochertum von anderen Nationen gehasst? Uta Glaubitz hat in der Literatur nach Antworten gesucht. Und sie bei einem Baumarkt gefunden.
Der Hass auf die Deutschen ist eigentlich nichts Neues. Bereits 1916 bezeichnete der Soziologe Max Scheler Deutschland als die meistgehasste Nation der Welt. In seinem Vortrag "Die Ursachen des Deutschenhasses" sieht er allerdings nicht Hitler als Ursache. Denn der hatte sich bislang nur eine Oberschenkelverletzung in der Schlacht an der Somme zugezogen und lag im Lazarett.
Grund für den Deutschenhass, so Scheler, sei stattdessen die spezifisch deutsche Arbeitswut. Diese hätte alle anderen Nationen aus ihren liebgewonnenen Paradiesen vertrieben. Die Nachbarn im Osten wollten nichts als "Träumen, Sinnen, Fühlen, Beten, aber auch Schnapstrinken." Die Engländer würden nur deshalb kaufen und verkaufen, um freitagabends auf den Sportplatz zu fahren. Und die Franzosen nutzten ihren Finanzreichtum bei wenigen Kindern vor allem für Luxus.
Einzig der welthistorische Emporkömmling aus den Königreichen Preußen und Bayern arbeite mit "schreckenerregender Stetigkeit, Genauigkeit und Pünktlichkeit, arbeite, arbeitete und arbeitete nochmals - und was die Welt am wenigstens begreifen konnte - aus purer Freude an grenzenloser Arbeit an sich, ohne Ziel, ohne Zweck, ohne Ende." Diese Arbeitswut (und Arbeitslust) sah Scheler als "Urmitgift germanischen Wesens".
Ist Arbeiten etwa deutsch? Der stets an solchen Fragen interessierte Komponist Richard Wagner gibt eine erste Antwort: "Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun."
Kaum jemand hat das Deutschsein so erforscht wie die Schriftsteller Thea Dorn und Richard Wagner, ein Namensvetter des Komponisten, in ihrem Bestseller "Die deutsche Seele". Das alphabetisch sortierte Buch beginnt mit Abendbrot, Abgrund und Arbeitswut. Es endet mit Zerrissenheit, die sich auch im Verhältnis zur Arbeit zeigt: "Arbeit wird abwechselnd als Strafe Gottes gesehen und als eine beglückende Tätigkeit, in der sich der Mensch erst als Mensch verwirklicht. Beide Positionen haben die Deutschen bis ins Extrem verfolgt", so Dorn.
Die französische Redewendung "Travailler pour le Roi de Prusse", wörtlich übersetzt "Für den Preußenkönig arbeiten", bedeutet denn auch nicht unbedingt, sich für eine Obrigkeit abzuplagen. Einer anderen Lesart nach bedeutet sie, eine Arbeit schlicht um ihrer selbst willen zu tun.
Dorn und Wagner haben bei den stilbildenden Deutschen nachgeschaut, wie sie's mit der Arbeit haben. Sie zitieren Johann Wolfgang von Goethe aus dem "West-östlichen Divan": "Was verkürzt mir die Zeit? Tätigkeit! / Was macht sie unerträglich lang? Müßiggang!" Schwer vorzustellen, dass es von Nationalhelden anderer Geburt derartige Hochdichtung gibt.
Als die Fernsehzuschauer "Die größten Deutschen" wählten, kam Karl Marx auf Platz 3. Der allerdings hätte sich eine derartige Arbeitsverehrung verbeten. Viel besser für den Menschen sei es, die Gesellschaft die Produktion regeln zu lassen, auf dass der einzelne "morgens jagen, nachmittags fischen, abends Viehzucht betreiben und nach dem Essen kritisieren" könne, ganz wie es ihm beliebt. Die Utopie, auch eine Ansammlung heiterer Dilettanten könne ökonomisch überleben, weil die Gesellschaft die allgemeine Produktion schon irgendwie regelt, sei allerdings über die Jahrzehnte verwelkt, so Dorn.
Nicht mal die spießigen Marxisten der SED haben ihren Landsleuten erlaubt, nach eigenem Belieben vor sich hin zu wurschteln. Im Gegenteil: Im real existierenden Sozialismus gehörte die Arbeitspflicht (wie im Nationalsozialismus) zur Wirtschaft des diktatorischen Deutschlands. Fünfzig Auszeichnungen "Held der Arbeit" vergab die DDR jährlich an regierungstreue Malocher, verbunden mit einer Zahlung von bis zu 10.000 Mark.
Wagner, Goethe, Marx - fehlt noch ein Kronzeuge? Ja, nämlich Immanuel Kant. Zur Frage "Ist Arbeiten deutsch?" zitieren Dorn und Wagner den Aufklärer. Er bescheinigt dem "mit gesundem Verstandestalent verbundenen Fleiß des Deutschen" nützlicher zu sein als alles Genie. Wie sonst, so Dorn, sei es zu erklären, dass einer der größten deutschen Baumärkte noch nicht Bankrott gegangen sei, obwohl er seit Jahren mit dem Spruch wirbt "Es gibt immer was zu tun"?
Uta Glaubitz | KARRIERE|SPIEGEL | SPIEGEL.DE
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Ist "Arbeiten" eine typisch deutsche Angewohnheit?
Arbeiten Deutsche nur der Arbeit wegen? Und werden sie für ihr Malochertum von anderen Nationen gehasst? Uta Glaubitz hat in der Literatur nach Antworten gesucht. Und sie bei einem Baumarkt gefunden.
Arbeit: Die Welt bewegen |
Grund für den Deutschenhass, so Scheler, sei stattdessen die spezifisch deutsche Arbeitswut. Diese hätte alle anderen Nationen aus ihren liebgewonnenen Paradiesen vertrieben. Die Nachbarn im Osten wollten nichts als "Träumen, Sinnen, Fühlen, Beten, aber auch Schnapstrinken." Die Engländer würden nur deshalb kaufen und verkaufen, um freitagabends auf den Sportplatz zu fahren. Und die Franzosen nutzten ihren Finanzreichtum bei wenigen Kindern vor allem für Luxus.
Einzig der welthistorische Emporkömmling aus den Königreichen Preußen und Bayern arbeite mit "schreckenerregender Stetigkeit, Genauigkeit und Pünktlichkeit, arbeite, arbeitete und arbeitete nochmals - und was die Welt am wenigstens begreifen konnte - aus purer Freude an grenzenloser Arbeit an sich, ohne Ziel, ohne Zweck, ohne Ende." Diese Arbeitswut (und Arbeitslust) sah Scheler als "Urmitgift germanischen Wesens".
Ist Arbeiten etwa deutsch? Der stets an solchen Fragen interessierte Komponist Richard Wagner gibt eine erste Antwort: "Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun."
Kaum jemand hat das Deutschsein so erforscht wie die Schriftsteller Thea Dorn und Richard Wagner, ein Namensvetter des Komponisten, in ihrem Bestseller "Die deutsche Seele". Das alphabetisch sortierte Buch beginnt mit Abendbrot, Abgrund und Arbeitswut. Es endet mit Zerrissenheit, die sich auch im Verhältnis zur Arbeit zeigt: "Arbeit wird abwechselnd als Strafe Gottes gesehen und als eine beglückende Tätigkeit, in der sich der Mensch erst als Mensch verwirklicht. Beide Positionen haben die Deutschen bis ins Extrem verfolgt", so Dorn.
Müßiggang ist aller Laster Anfang ...??? |
Die französische Redewendung "Travailler pour le Roi de Prusse", wörtlich übersetzt "Für den Preußenkönig arbeiten", bedeutet denn auch nicht unbedingt, sich für eine Obrigkeit abzuplagen. Einer anderen Lesart nach bedeutet sie, eine Arbeit schlicht um ihrer selbst willen zu tun.
Dorn und Wagner haben bei den stilbildenden Deutschen nachgeschaut, wie sie's mit der Arbeit haben. Sie zitieren Johann Wolfgang von Goethe aus dem "West-östlichen Divan": "Was verkürzt mir die Zeit? Tätigkeit! / Was macht sie unerträglich lang? Müßiggang!" Schwer vorzustellen, dass es von Nationalhelden anderer Geburt derartige Hochdichtung gibt.
Schäuble beim SUDOKU-Spiel auf der Regierungsbank |
"Mach mal Pause"... |
Wagner, Goethe, Marx - fehlt noch ein Kronzeuge? Ja, nämlich Immanuel Kant. Zur Frage "Ist Arbeiten deutsch?" zitieren Dorn und Wagner den Aufklärer. Er bescheinigt dem "mit gesundem Verstandestalent verbundenen Fleiß des Deutschen" nützlicher zu sein als alles Genie. Wie sonst, so Dorn, sei es zu erklären, dass einer der größten deutschen Baumärkte noch nicht Bankrott gegangen sei, obwohl er seit Jahren mit dem Spruch wirbt "Es gibt immer was zu tun"?
Uta Glaubitz | KARRIERE|SPIEGEL | SPIEGEL.DE
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Seit fast 5 Jahren bin ich nun im "arbeitslosen" Ruhestand mit "Müßiggang" beschäftigt: Einen gehörigen Teil zur Ausfüllung meiner freien Zeit finden sich in all den Facetten der weit über 1700
Posts in diesem Blog - und in den übrigen Online-Aktivitäten, deren Link-Adressen sich im Blog zum größten Teil finden lassen...
Ja - auch ich bin nach 40-jährigen heilpädagogischen Diensten in diakonischen Einrichtungen, hierzu umgeschult direkt nach dem Zivildienst als Kriegsdienstverweigerer, in den ich damals als gelernter Schriftsetzer eintrat, sicherlich von der "Evangelischen Sozialethik" insofern für mein Leben unabschüttelbar "geküßt" worden - und so nun geprägt und gezeichnet - dass ich eigentlich auch permanent in den Hirn- und Werbekategorien eines Baumarktes denke: "Es gibt immer was zu tun" ...
Ich kenne wohl inzwischen den Zustand am eigenen Leibe, den man wohl im Deutschen "Müßiggang" nennt - weil hinter meinen freigewählten und eingegebenen und auf eigenartige Weise aufgeschnappten und aufgelesenen Aufgaben und Beschäftigungen eigentlich kein Zeitdruck mehr piesackt: Ich kann mir meine Zeit einteilen - wie ich "lustig bin" ... - und das ist schon neu und eine Umstellung - manchmal ein "Luxus-Problem": Und wenn ich an drei aufeinanderfolgenden Tagen irgendwelche Termine - zum Beispiel beim Zahnarzt zur "professionellen Zahnreinigung", bei der Fußpflege und zu einem sporadischen Vortragstermin in einer Schule habe, bei dem ich über die "NS-Euthanasie" am Beispiel meiner Tante berichte (s. rechte Sidebar im Layout dieses Blogs) - dann gerate ich schon regelrecht in Stress - während es bis zu meinem Ruhestand manchmal täglich sechs und mehr völlig verschiedenartige zeitgebundene Termine gab ... Gewiss - ich habe mich schon oft gefragt, warum "Müßiggang" bzw. die Vorbereitung auf den "Müßiggang" nicht ein Hauptunterrichtsfach in allen Schultypen von klein auf an ist - zur ganz natürlichen und rechtzeitigen "Einübung" auf diesen "Zustand" - der ja eigentlich das ganz normale - vorindustrielle und auch feudale "Leben" (gewesen) ist ...
Und der Deutsche saust im Sauseschritt ...
Aber ja: - ich kenne - wie gesagt - inzwischen "Müßiggang" - aber ich kenne keine "Langeweile" - und ich fühle mich auch nicht so "typisch Deutsch" - wie uns etwa der französische Zeitgenosse in der Lufthansa-Werbung beschreiben will (s. YouTube-Video oben): "Diese Deutschen - immer so pünktlich und korrekt" ...
Ich glaube ja auch insgesamt nicht an diese Päckchenbildungen und Kasteneinteilungen: in "diese Franzosen" - in "diese Frauen", "diese Männer" (-...die alle immer nur "an das Eine" denken..."), "diese Moslems", "diese Christen", "diese Chinesen", "diese Jungen", "diese Alten" usw. - ich glaube eher daran: dass es Menschen gibt, die aus mangelnder anderweitiger Phantasie heraus, sich mit "Arbeiten" ihr Leben lang beschäftigen müssen - ebenso, wie es Menschen gibt, die kreativ "sprühen vor Ideen" und deren tatsächliche Umsetzung auch in die Wege leiten möchten, und es gibt Menschen, die nicht wissen, was sie mit sich anstellen können - und deshalb ihren Mitmenschen "auf den Geist" gehen ... - und diese Menschen gibt es in allen Nationen, allen Glaubensrichtungen und Nichtglaubens-Richtungen, allen Dunklen, Blonden, Roten, Frauen, Männern, allen Generationen usw.: Niemals sind auf dieser Erde zwei Menschen exakt deckungsgleich: Und deshalb gibt es das doch gar nicht: Das typisch "deutsche" Dauer-Arbeiten .........................................
Buchtipp
- Thea Dorn und Richard Wagner:
Die deutsche Seele
Albrecht Knaus; November 2011; 560 Seiten; 26,99 Euro. - Einfach und bequem: Direkt bei Amazon bestellen.
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