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Zypern: Rein in die Kartoffeln - raus aus den Kartoffeln | Europäisches Laientheater und die Folgen ...

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Zyperns Zwangsabgaben: 
Rein in die Kartoffeln - raus aus den Kartoffeln - heute hüh - morgen hott ...

Ohne unüberlegte Schnellschüsse und Zoff geht nichts in Europa

Beschluss fassen, Beschluss korrigieren, den korrigierten Beschluss korrigieren und zwischendurch den Schwarzen Peter hin- und herschieben - so geht es nun seit drei Jahren in Europa zu. Was als griechische Tragödie begann, ist zu einem Drama des gesamten Kontinents geworden. Hauptakteure sind Politiker, die sich wie talentlose Laiendarsteller benehmen, die den Bürgern das Gefühl vermitteln, nicht zu wissen, was sie tun, und deshalb den Stempel "Stümper" aufgedrückt bekommen. 

Die Europäische Union (EU) als Institution und ihre wichtigsten Vertreter verspielen ein Kapital, das mehr wert ist als all die Milliarden, die zur Rettung Zyperns, Griechenlands, Spaniens, Portugals und Irlands draufgehen: Glaubwürdigkeit. Die europäische Idee verliert Anhänger, das Vertrauen in die Akteure schwindet, gleichsam wachsen Politikverdrossenheit, Argwohn und sogar Hass. Gerade die Deutschen werden in den Krisenstaaten als moderne Besatzer wahrgenommen. "Wir fühlen uns so wie 1974, als die Türken einmarschiert sind. Heute gibt es nur einen Unterschied: Die Waffen sind nicht mehr Gewehre, die gegen uns gerichtet sind, sondern Finanzinstrumente. Das ist für uns ein finanzieller Völkermord", formulierte es der Präsident der Industrie- und Handelskammer von Limassol, Philokypros Andreou, dramatisch in der Tageszeitung "Die Welt".

Nicht erst seit dem Ausbruch der Eurokrise gilt die EU mit all ihren komplizierten Verästelungen, Kammern, Kämmerchen und Hinterzimmern, Kommissaren und Hilfskommissaren vielen Menschen zwischen Warschau und Lissabon, Helsinki und Rom als schwer durchschaubarer Moloch von Bürokraten, die das Geld zum Fenster rauswerfen. Dabei können wir Europäer - gerade wir Deutschen - glücklich sein, dass es diese Gemeinschaft gibt, diesen Garanten für Frieden, Wohlstand und Demokratie. Bedeutende Politiker der Nachkriegszeit wie François Mitterand und Helmut Kohl hatten die Vision eines vereinten Europas nach Vorbild der USA. Basis dafür sollte der Euro sein. Mit ihm wollten sich Kohl und andere ein Denkmal setzen. Wer gegen den Euro war, die Sanktionsmechanismen des Maastricht-Vertrags als ungenügend kritisierte oder die Eurofähigkeit Griechenlands und Italiens infrage stellte, wurde als Nationalist oder Rechtsradikaler abgetan.

Nicht abzutragende Schuldenberge


Die Politik versuchte, die Krise allein den bösen Spekulanten und den noch viel böseren Banken in die Schuhe zu schieben. Auch wenn die Zocker der Finanzindustrie tatsächlich Mitschuld tragen - die riesigen und - mal ehrlich - nicht mehr abzutragenden Schuldenberge haben die Regierungen über Jahrzehnte angehäuft, weil sie Geschenke an ihre Klientel verteilt und Reformen zu spät oder gar nicht angepackt haben. Nun steht der Kontinent vor dem Scherbenhaufen, den diese Politik angerichtet hat. Die Europäer werden zusehends Euro-müde. Im Juni 2012 war in einer Umfrage für den stern jeder zweite Deutsche (49 Prozent) dafür, Griechenland als Euromitgliedsstaat fallen zu lassen. Unterstützung für Zypern, das weitaus weniger Geld braucht als Hellas, lehnen laut einer YouGov-Erhebung im Auftrag der Nachrichtenagentur DPA schon 63 Prozent ab.

Als Reaktion auf die EURO-Müdigkeit - eine neue Partei der Rechtspopulisten: "Alternative für Deutschland" ...

Und - Jakob Augstein vermeldet schon in seiner neuesten S.P.O.N.-Kolumne "Im Zweifel links":
Wir haben eine neue Partei. Mit der "Alternative für Deutschland" - als Reaktion auf all das Herumgeeiere um den EURO - ist der Rechtspopulismus in der deutschen Politik angekommen. Bisher geht es nur gegen den Euro. Wetten, dass das erst der Anfang ist?

Das war schon fast ein Gründungskongress da neulich in Oberursel, als sich prominente und halbprominente bzw. ausrangierte Bundesbeamte und ähnliches Couleur - meist über 50 Jahre alt - dort trafen, wenn auch die offizielle Gründung erst im April ansteht. 

Weg mit dem Euro, stattdessen ein Europa der souveränen Staaten, Abbau der Brüsseler Bürokratie, ein "mütterfreundlicheres" Deutschland und eine Neuordnung des Einwanderungsrechts: Das sind Kernforderungen der "Alternativen". In der ersten Reihe finden sich ein früherer "FAZ"-Redakteur und ein ehemaliger Staatssekretär. Auf der Liste der Unterstützer: ein ehemaliger Ressortleiter der "Zeit" und ein ehemaliger BDI-Chef. Überhaupt viele Ehemalige und Emeritierte. Denn anders als vor 33 Jahren bei der Gründung der Grünen sind die "Alternativen" von heute schon etwas älter. Und vor allem arriviert: Lauter Professores und Doctores finden sich auf der Liste, so viele, dass man damit zwei mittlere Universitätsstädte bestücken könnte. Das hier ist Deutschlands wertkonservatives Bürgertum. Die CDU hat allen Grund, sich zu fürchten.


Aber die Medien reagierten seltsam verhalten. Als wollten sie die Euro-Gegner durch zu viel Aufmerksamkeit nicht aufwerten. Dabei sagt eine Umfrage, dass 26 Prozent der Deutschen sich vorstellen könnten, eine euroskeptische Partei zu wählen. Wer weiß, wo die Werte landen, wenn das Programm noch erweitert wird. Denn man kann ja getrost davon ausgehen, dass der Euro erst der Anfang ist. Als nächstes geht es gegen den Islam, die Klimaforschung, den Feminismus und die Schwulen - das ganze Programm der modernen Rechtspopulisten.

Wenn die Bundestagswahl im Herbst ähnlich knapp ausgeht wie die Wahlen in Niedersachsen, dann könnten die Stimmen für die neuen Konservativen Angela Merkel das Amt kosten. Eigenartige Ironie: Dann wäre die Kanzlerin am Ende doch über den Euro gestürzt.


Mit Materialien aus stern.de: "Laiendarsteller spielen Eurorettung", Kommentar von Thomas Schmoll - und
SPIEGEL-ONLINE - S.P.O.N.-Kolumne "Im Zweifel links" von Jakob Augstein: "Politik für Männer ab 50" ...


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