Jakob Augstein schreibt in seiner neuesten S.P.O.N.-Kolumne"Im Zweifel links"über Gauck, der sich zum Fall Hoeneß äußert - und über die Ungleichheit draußen in diesem unserem Lande ... |
Joachim Gaucks Einlassung zum Fall des Beschuldigten Uli H. war überraschend. Bundespräsidenten reden selten über Straftaten, erst recht nicht im laufenden Verfahren. Auch Gauck hätte besser geschwiegen. Seine knarzigen Einlassungen zur kapitalistischen Anthropologie ließen tief blicken ("Natürlich weiß ich, dass Gier zu unserer menschlichen Ausstattung gehört. Und sie hat, wenn sie als Siegeswillen, Durchsetzungsdrang oder Risikobereitschaft daherkommt, wenn sie zivilisiert ist, auch ihre positiven Seiten.").
Deutschland: Land der Ungleichheit
Vor allem aber bewies Gauck, wie gut er seine Rolle als oberster Systemstabilisierer spielt: "Ich wäre stärker gegen Reichtum an sich, wenn die Reichen die Armen vom gesellschaftlichen Aufstieg abhielten", sagte der Präsident. Die Idee kam ihm so abwegig vor, dass er sie mit einer noch viel abwegigeren Bedingung versah: "Wäre das in Deutschland tatsächlich so, würde ich glatt zum Klassenkämpfer werden, um das zu ändern." Weil aber in Deutschland alles in Ordnung ist, muss der Präsidenten-Pastor nicht auf die Barrikade, sondern kann im Schloss Bellevue weiterhin seine Gedanken zum Auftanken spinnen.
Aber Gauck irrt. Denn es sind tatsächlich die Reichen, die die Armen am Aufstieg hindern. In Deutschland herrscht die Ordnung der Ungleichheit. Die Wenigen haben viel und die Vielen wenig. Nirgends im Euro-Raum sind die Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gerade wieder festgestellt. Viel schlimmer aber ist: wer unten ist, bleibt unten. "Der Familienhintergrund prägt den eigenen ökonomischen Erfolg", sagt das DIW. 40 Prozent der Ungleichheit im individuellen Arbeitseinkommen lasse sich durch den Familienhintergrund erklären.
Das Steuerrecht bevorzugt die Reichen
Gauck hat zum Fall Hoeneß gesagt: "Ich finde es nicht unmoralisch, reich zu sein. Ich finde es unmoralisch, unmoralisch reich zu sein." Aber unter den gegebenen Umständen ist in Deutschland jeder Reiche unmoralisch reich.
Das liegt am Steuerrecht. Es bevorteilt die Begüterten. Kapitalerträge werden mit 25 Prozent besteuert während die Steuer auf Einkommen aus Arbeit auf annähernd 50 Prozent steigen kann. In leichter Abwandelung eines Matthäus-Wortes: Wer hat, dem wird nicht genommen.
Aber selbst für Leute wie Hoeneß oder Schwarzer, die auch dieses Viertel für sich behalten wollen, zeigt das Gesetz noch Verständnis: In keinem anderen Rechtsbereich gibt es das Institut der Selbstanzeige, die zur völligen Straffreiheit führt.