Frühes Sonnensystem:
Kosmische Geschosse trafen Asteroid Vesta
Vor rund vier Milliarden Jahren erlebte der Himmelskörper Vesta einen heftigen Asteroidenbeschuss. Die Einschläge trafen nach neuen Erkenntnissen von Wissenschaftlern den verhinderten Planeten dabei mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit.
DPA / NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS / DLR / IDA / PSI | SPIEGEl-ONLINE
Auch Giganten sind im All nicht sicher: Der Asteroid Vesta trägt Spuren eines ungewöhnlich heftigen Bombardements. Der drittgrößte Himmelskörper im Asteroidengürtel, mit 500 Kilometern Durchmesser, muss vor rund vier Milliarden Jahren selbst einem intensiven Asteroidenbeschuss ausgesetzt gewesen sein, berichten Forscher um Simone Marchi vom Southwest Research Institute in Boulder (US-Staat Colorado).
Die kosmischen Geschosse haben Vesta dabei mit ungewöhnlich hohen Geschwindigkeiten von mehr als 360.000 Kilometern pro Stunde getroffen, schreiben sie im Fachmagazin "Nature Geoscience". Typischerweise seien Kollisionen nur halb so schnell.
Die Forscher um Marchi haben Meteoriten untersucht, die von Vesta stammen. Sie weisen ein Alter von 3,4 bis 4,1 Milliarden Jahren auf, was in etwa mit der Zeit des heftigen Meteoritenbeschusses unseres Mondes übereinstimmt, obwohl sich Vesta unter ganz anderen dynamischen Bedingungen bewegt. Die Wissenschaftler nehmen daher an, dass das gesamte innere Sonnensystem damals einem intensiven Asteroidenbeschuss ausgesetzt war.
Mehr als zehn Kilometer pro Sekunde
Simulationsrechnungen zeigen, dass die typische Kollisionsgeschwindigkeit von fünf Kilometern pro Sekunde nicht ausreicht, um genug Material aufzuschmelzen. Stattdessen müssen die Geschosse Vesta mit mehr als zehn Kilometern pro Sekunde getroffen haben, wodurch 100 bis 1000 Mal so viel Material hocherhitzt wird. Durch das Erhitzen entweicht gefangenes Argon-Gas, wodurch diese geologische Uhr auf Null gestellt wird. Die Forscher können den Zeitpunkt des letzten Erhitzens - und damit das Alter - solcher Gesteine über das Verhältnis der Argon-Varianten (Isotope) Ar-39 und Ar-40 bestimmen.
Vermutlich seien damals zahlreiche Asteroiden durch die Schwerkraft der großen Gasplaneten auf stark elliptische Bahnen mit hohen Geschwindigkeiten geschossen worden. Manche Theorien der Entwicklung des Sonnensystems gehen davon aus, dass Jupiter in der Frühzeit des Systems weiter nach innen gewandert ist, während die anderen Gasriesen nach außen drifteten. Diese Migration könnte einen mehrere hundert Millionen Jahre anhaltenden, heftigen Asteroidenbeschuss des inneren Sonnensystems ausgelöst haben.
Nördliche Hemisphäre von Vesta: Zahlreiche kleinere Krater künden von Einschlägen auf dem Asteroiden. Foto: REUTERS/ NASA/ JPL-Caltech | SPIEGEL-ONLINE |
Der Asteroid Vesta umkreist die Sonne im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Mit einem Durchmesser von mehr als 500 Kilometern ist er dort das drittgrößte bekannte Objekt. Entdeckt wurde Vesta zwar schon im Jahr 1807 von dem Bremer Astronomen Heinrich Olbers. Doch erst seit die Raumsonde "Dawn" den Himmelskörper im Jahr 2011 erreichte, weiß die Menschheit etwas mehr über den von Kratern übersäten Riesen.
Erst im Februar berichteten Forscher von zwei verheeredenen Einschlägen, die der Protoplanet erlebt haben muss. Ein Team um Martin Jutzi von der Universität Bern in der Schweiz hat diesen Doppelschlag am Computer simuliert - und kann damit die heutige Oberflächenform des Asteroiden erklären. Die Berechnungen erlauben auch einen Blick ins Innere des verhinderten Planeten. Die Forscher berichteten über ihre Arbeit im britischen Wissenschaftsblatt "Nature".
nik/dpa/SPIEGEL-ONLINE