Gauck für mehr deutsche Kriegseinsätze
Heiliges Kanonenrohr!
Eine S.P.O.N-Kolumne von Jakob Augstein | "Im Zweifel links"
S!NEDi: photo|karikatur |
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar hatte Gauck schon gesagt, Deutschland solle sich "früher, entschiedener und substanzieller einbringen." Gauck hatte das Wort nicht ausgesprochen, aber seine Zuhörer hatten ihn verstanden. Er sprach vom Krieg. Jetzt dieses Interview. Der Krieg ist eine schwerwiegende Sache. Warum redet der Präsident so oft und so leichtfertig darüber? Denn so muss man das nennen, wenn Gauck sagt, es habe "früher eine gut begründete Zurückhaltung der Deutschen" gegeben, bei internationalen Einsätzen und Konfliktfällen aktiv zu werden. Heute sei das Land aber eine "solide und verlässliche Demokratie", zu deren wachsender Verantwortung gehöre, den Einsatz militärischer Gewalt "als letztes Mittel nicht von vornherein zu verwerfen".
Genau das ist aber in Deutschland offensichtlich nicht der Fall. Die Deutschen "verwerfen" den Einsatz ihres Militärs mitnichten. Sie sind bloß nicht sonderlich erpicht darauf. Dennoch sind zurzeit 4600 Soldaten im Ausland eingesetzt - und zwar in 15 Einsatzgebieten, vom Kosovo, über die Küste des Libanon bis nach Afghanistan und weiter. Das liegt daran, dass sich außer der Linkspartei keine politische Partei grundsätzlich gegen ein militärisches Engagement der Bundesrepublik wendet. Und die Linken stehen nicht gerade kurz vor der Machtübernahme.
All diese Dinge sollte Gauck wissen. Er rennt also Türen ein, die weit offen stehen. Das aber tun nur Leute, die in Wahrheit das ganze Haus umbauen wollen.
Jürgen Todenhöfer hat Gauck auf seiner Facebook-Seite in einer Fotomontage als al-Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri gezeigt |
Die protestantische Selbstgerechtigkeit im Schloss Bellevue
Auf den Koppelschlössern der deutschen Soldaten des Erstens Weltkriegs stand noch "Gott mit uns". Die evangelische Kirche hatte ihren Teil an der "Augustbegeisterung". Der protestantische Theologe Reinhold Seeberg, der später Rektor der Berliner Universität wurde, vertrat bis zum bitteren Ende 1918 die Ansicht: Wer im Zuge der "Verteidigung des Vaterlandes" einen belgischen Soldaten erschießt, der vollstreckt damit das Werk der Nächstenliebe Christi an ihm. So lange ist es noch nicht her mit dem deutschen Dschihadismus. Der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies hat erst vor ein paar Wochen gesagt: "Dieses Erbe ist immer noch nicht genügend aufgearbeitet."
S!NEDi| photo|karikatur: Der brave Soldat Gauck |
Gauck wird dazu nichts beitragen. Im Gegenteil: Er hat die protestantische Selbstgerechtigkeit ins Schloss Bellevue getragen. Unsäglich war schon vor zwei Jahren sein Auftritt in der Führungsakademie der Bundeswehr, wo er die deutsche Fahne beinahe zärtlich berührte und Einblick in seine absonderliche altdeutsch-protestantische Soldatenethik gab, in der es um Dienst und Pflicht und Opfer geht und die in der Feststellung gipfelte: "Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glückssüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen."
Die Grünen sollten sich überlegen, ob sie wirklich für eine zweite Amtszeit dieses Präsidenten votieren wollen. Es wäre an der Zeit zu erkennen: Dieser Mann war ein Missverständnis.
Papst Franziskus hat sich übrigens gerade in einem Zeitungsinterview auch zum Krieg geäußert. Aber in einem ganz anderen Sinne. Er zog die Verbindung zwischen Krieg und Kapitalismus. "Damit das System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben. Einen dritten Weltkrieg kann man jedoch nicht führen, und so greift man eben zu regionalen Kriegen", sagte Franziskus.
Der brave Soldat Gauck, der käme im Leben nicht auf so eine Idee.