Aber was Käßmann sagt, zählt für viele Deutsche immer noch. Bei Kirchentagen wird sie bejubelt, sie wird in Talkshows eingeladen. Ihre Stimme wird gehört. Und von vielen geschätzt.
Jetzt hat sich Käßmann im "Spiegel"-Gespräch (Link anclicken) für die Abschaffung der Bundeswehr ausgesprochen. "Ich fände es gut, wenn die Bundesrepublik auf eine Armee verzichten könnte wie etwa Costa Rica", sagte Käßmann.
Im Moment, das gibt Käßmann selbst zu, sei ihre Position noch eine Utopie - auch wegen der Einbindung Deutschland in der Nato.
Sie registriere allerdings mit Genugtuung, dass die Deutschen bewaffneten Einsätzen enorm skeptisch gegenüberstünden, sagte sie im Gespräch mit dem "Spiegel". "Ich fände es gut, wenn wir als Konsequenz aus den Schrecken des 20. Jahrhunderts sagen: Wir beteiligen uns nicht an Kriegseinsätzen."
Käßmann bekräftigte auch ihre Kritik an Bundespräsident Joachim Gauck. "Der Bundespräsident redet vom Krieg als letztes Mittel, ich rede über den Weg zum Frieden", so Käßmann. "Wir Protestanten können wunderbar streiten über unterschiedliche Positionen."
Auch in die Rüstungspolitik Deutschland mischte sich Käßmann ein. Sie forderte im "Spiegel"-Interview einen Verzicht auf Waffenlieferungen - sowohl an Nato-Staaten oder befreundete Länder wie Israel.
"Meine ganz persönliche Meinung ist, dass ein Land mit der Vergangenheit wie Deutschland sich nicht dadurch hervortun muss, 'schöne' und technisch ausgefeilte Waffen in die ganze Welt zu liefern", sagte Käßmann. "Es steht Deutschland gut an zu sagen: Wir exportieren Frieden und nicht Rüstung."
Margot Käßmann ist Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017. Die Theologin (56) war 1999 bis 2010 Bischöfin der Landeskirche Hannover und Ratsvorsitzende der EKD. Sie trat nach einer Alkoholfahrt von ihrem Amt zurück.
Textquelle: Huffington Post
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Und schon fällt die vereinigte deutsche Journaille in Kommentaren - im Schultschluss mit BP Gauck - über Frau Käßmann und die 67 ostdeutschen Pfarrer her, die mit ihr der gleichen Meinung sind ...
Pazifismus ist nicht angesagt, es muss wieder mal etwas krachen im Gebälk ... - und "Deutschland soll nicht so feige sein" ... Auch im S.P.O.N.-Kommentar (unter der bezeichnenden Rubrik: Der Schwarze Kanal ...) von Jan Fleischhauer in SPIEGEL.DE wird ein ähnlicher fast lächerlich machender Verriss gestartet wie im unten beispielhaft wiedergegebenen Kommentar aus dem TAGESSPIEGEL. Fast scheint es so, als hätten mindestens diese beiden Kolumnisten bzw. Kommentatoren sich vorgestern in der Mittagspause bei einer Currywurst zusammengesetzt, um sich ihre Zeilen abzusprechen ...
Und doch ist in diesen konzertierten Anti-Pazifismus-Argumentationen der so hochgebildeten und kalt kalkulierenden Kommentatoren alles irgendwie beim alten geblieben:
Wie schon im Kosovokrieg wird mal wieder die Propaganda zum Mittel in der Politik. 1999 hatte Außenminister Joschka Fischer, der im Tandem mit dem damaligen Radfahrer und Verteidigungsminister Scharping die Bundeswehr in den Kosovo-Krieg geführt hatte, mit dem erpresserischen Slogan: „Wir haben immer gesagt: ‚Nie wieder Krieg!‘ Aber wir haben auch immer gesagt: ‚Nie wieder Auschwitz!‘“) - und mit der völlig überzogenen Skizzierung eines drohenden Völkermordes (Rudolf Scharping trat in den Massenmedien zudem mit der Schilderung von Gräueltaten auf, die er als belegt bezeichnete: „Schwangeren Frauen wurden nach ihrer Ermordung die Bäuche aufgeschlitzt und die Föten gegrillt.“ ... - wozu aber dann doch am 16. Februar 2001 die Frankfurter Rundschau unter Berufung auf Zeugenaussagen hochrangiger Militärs richtigstellte: "Deutsche Politiker haben sich der Falschinformation und der Lüge bedient, um die Beteiligung der Bundeswehr am Nato-Bombardement in Jugoslawien gegenüber der Öffentlichkeit zu legitimieren."
Dazu stellte Barbara Supp 2010 im Spiegel am Beispiel dieses Fischer'schen Auschwitz-Vergleichs aus 1999 fest: „Und dann sprach Joschka Fischer von einem neuen Auschwitz, das der Serbe Milošević plane und das nur durch Krieg zu verhindern sei. Auschwitz - das äußerste Mittel. Der Kosovo-Krieg, obwohl das Völkerrecht dagegen sprach, sei also gerecht und ohne Alternative. Er hieß ‚humanitäre Intervention’. Wer dagegen war, würde Alliierter der serbischen Mörder sein" - oder - wie jetzt eine dumme unrealistisch verträumte unverbesserlich humanistisch-christliche Pazifistin...
Damals der "Auschwitz-Vergleich" und die "gegrillten Föten" - und heute schreibt Fleischhauer: "Wir müssen uns nur die Mühe machen, im Netz nach den Bildern zu suchen, mit denen die Soldaten des 'Islamischen Staats' die Ernsthaftigkeit ihrer Überzeugung beglaubigen. Man sieht die abgeschlagenen Köpfe, mit denen sie die Plätze der Städte dekorieren, die sie auf ihrem Weg ins siebte Jahrhundert erobert haben. Man sieht die Frau, die ihre Steinigung erwartet, die Gefangenen, die um ihr Leben flehen, bevor sie auf Lastwagen verladen werden, um sie in der Wüste zu exekutieren, die Kreuzigung von Männern, die der Apostasie angeklagt wurden ... Was soll man zu Männern sagen, die einer Frau die Hände auf dem Rücken binden, und dann so lange Steine auf sie werfen, bis sie nur noch ein blutiger Haufen ist?"
Im Westen nichts Neues: Das ist die kriegslüsterne Propaganda von heute - ebenso wenig tatsächlich verifiziert wie damals das "Föten-Grillen" bei Herrn Scharping ...: Aber angesichts dieser "Fakten" müsste doch auch endlich eine Frau Käßmann einknicken ...
Frau Käßmann ist schon in ihrer selbstgesteuerten honorarträchtigen Publicity - für mich wenigstens - echt gewöhnungsbedürftig. Ähnlich wie der Vielschreiber Anselm Grün warf auch Sie einen Text nach dem anderen auf den Büchermarkt - ohne dass man eine spirituelle "Weiterentwicklung" erkennen konnte ...
Aber hier - mit ihrem standhaften Pazifismus, gespeist aus Bergpredigt und christlicher Ethik, erweist sie sich als "Kriegsdienstverweigerin par excellence" und imponiert mir als staatlich gewissensgeprüfter Kriegsdientverweigerer aus 1969 - wie schon damals, Weihnachten 2010, als sie den Afghanistan-Krieg der Bundeswehr unverblümt als "Krieg" bezeichnet hat und ausführte: "Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden. Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und jetzt den Mut, von Alternativen zu reden und mich dafür einzusetzen."
Und schon gute 4 Wochen später waren "wie zufällig" Polizisten in Hannover vor Ort, als Frau Käßmann alkoholisiert bei "Rot"über eine Ampel fuhr (wie sagt man da: ... zur falschen Zeit am falschen Ort ...) - und diese Verfehlung fand schnurstracks ihren sofortigen Weg in die Presse-Schlagzeilen des Boulevard, als habe man nur darauf gewartet ... Ich will hier nichts bagatellisieren - aber wieviele "einfache" und "normale" Menschen fahren wohl unter Alkoholeinfluss bei Rot über die Ampel - ohne dass das in mit Namen in der Presse steht und sofort veröffentlich wird ...- aber natürlich hat da niemand irgend etwas dran "gedreht" ... - und als Bischöfin der EKD war Frau Käßmann damit erledigt ... - aber sie macht nun mutig weiter ... - "Ich aber sage euch: Verzichtet auf Gegenwehr, wenn euch jemand Böses antut! Mehr noch: Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin." (Matth. 5, 39)
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Sie versucht es trotzdem. - nach einem FOTO von DPA | DER TAGESSPIEGEL |
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Frühere EKD-Chefin
Der selbstgerechte Pazifismus der Margot Käßmann
Stell dir vor, Margot Käßmann predigt Pazifismus - und die EKD widerspricht. Die evangelische Theologin und 67 ostdeutsche Pfarrer kritisieren Bundespräsident Joachim Gauck. Damit verhöhnen sie das UN-Prinzip der Schutzverantwortung. Ein Kommentar von Malte Lehming | DER TAGESSPIEGEL (Meinung)
Wer hätte Hitler gestoppt, wenn die Alliierten nicht in der Normandie gelandet wären? Gäbe es einen Staat Israel, wenn dieser sich im Juni 1967 nicht gegen eroberungswütige arabische Nachbarn zur Wehr gesetzt hätte? Waren es nicht Nato-Bomben, die das mörderische Treiben von Slobodan Milosevic, Radovan Karadzic und Ratko Mladic beendeten? Aktuell wiederum sind es die USA, die mit Luftschlägen einen Völkermord im Nordirak verhindern wollen. Soll man sie dafür kritisieren?
Margot Käßmann tut es. Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) lässt kaum eine Gelegenheit verstreichen, Pazifismus zu predigen.
Ausgerechnet zum D-Day-Jahrestag meinte sie, auch gegen Hitler-Deutschland sei ein Krieg nicht gerechtfertigt gewesen – was in den Ohren der betagten Veteranen, die ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus riskiert hatten, wie eine Verhöhnung geklungen haben musste. Im Schulterschluss mit 67 ostdeutschen Pfarrern kritisiert sie Bundespräsident Joachim Gauck, weil dieser Militäreinsätze als letztes Mittel der Politik nicht ausschließen will. Und sie träumt von der Abschaffung der Bundeswehr. „Ich fände es gut, wenn die Bundesrepublik auf eine Armee verzichten könnte wie etwa Costa Rica.“
Margot Käßmann und die Kollateralschäden der Gesinnungsethik
Neu oder originell ist eine solche Position nicht. Auch verdient Anerkennung, dass die Theologin bereit ist, die Konsequenzen daraus in Kauf zu nehmen: Genozid, Mord, Leid und Elend müssen hingenommen werden, wenn ihnen nicht anders als durch Waffengewalt Einhalt geboten werden kann. Die Kollateralschäden einer solchen Gesinnungsethik sind freilich jene Tote, deren Tod hätte verhindert werden können. Wer für das Leben anderer verantwortlich ist, kann sich der Pflicht zur Notwehr nicht ganz so einfach entziehen.
Neu aber ist die Wucht des Widerspruchs, der Käßmann aus eigenen Reihen entgegenhallt. Ihr Nachfolger im Amt, Nikolaus Schneider, verteidigte Gauck. Ein Militäreinsatz könne gerechtfertigt sein, wenn dadurch „massive gewalttätige Auseinandersetzungen gestoppt werden“, sagte er und begründete dies mit Eindrücken aus dem Südsudan. „Wenn man die Lage in einem solchen Land erlebt, dann begreift man, dass es so etwas wie ein Wüten des Bösen und der Gewalt gibt – und dass man auch militärische Kraft braucht, um für einen Raum zu sorgen, in dem sich anderes entwickeln kann.“ Käßmanns Vorgänger, Wolfgang Huber, stellte sich ebenfalls vor Gauck. Der Militärpfarrer von Speyer, Ulrich Kronenberg, warf Käßmann gar eine vor „Selbstgerechtigkeit triefende Hybris“ vor.
Im Jahre 2005 formulierten die Vereinten Nationen das Prinzip der „responsibility to protect“ (Schutzverantwortung). Es verpflichtet die internationale Gemeinschaft zur militärischen Intervention, wenn ein Staat die eigene Bevölkerung vor Massenverbrechen nicht schützen kann. Lediglich darauf hatte sich Gauck bezogen, hielt der Berliner Historiker Heinrich August Winkler, seit mehr als 50 Jahren SPD-Mitglied, Käßmann und den ostdeutschen Geistlichen vor. Deren „fundamentalistischer Protest“ trage „in seinem Innerlichkeitspathos sehr deutsche Züge und macht sie den national gesinnten Pastoren der wilhelminischen Zeit ähnlicher, als ihnen bewusst ist“. Klarer und wahrer geht’s kaum.