Ja - sagt dieser Gnom Rumpelstilzchen im Grimm-Märchen zu der Königstochter - wenn Du meinen Namen errätst - darfst Du dein Kind behalten ...Wir erkennen schemenhaft in diesem Märchen bereits, welch eine Be-Deutung der persönliche Namen hat - mit einem Schlag sind wir bei einer Namensnennung "entpuppt" und identifiziert und es wird etwas "bekannt" - wir werden einmalig - unverwechselbar - wir tragen einen anderen Namen als vielleicht unser Zwillingsbruder - der uns sonst bis aufs I-Tüpfelchen gleicht ... Der Name ist ein machtvolles Merkmal. Er bestimmt unseren Personalausweis - er weist uns an er weist uns aus - ein Vermächtnis der Eltern (NOMEN EST OMEN) - er unterscheidet uns... macht einmalig ... -
Und oft sehen wir im Getümmel ein bekanntes Gesicht - und wir grübeln: "Mensch, wie hieß die doch gleich" ... - Wer war das ... ??? - Und wir bekommen ein eigenartiges suchendes Gefühl - und erst dann, wenn uns dann der korrekte Name wieder eingefallen ist, wenn der uns wieder "präsent" ist, spüren wir direkt sogar eine körperliche Erleichterung ... Jemanden zu kennen, dessen Name uns nicht einfällt, macht unruhig und unsicher ... Manchmal ist es wie in diesem Rumpelstilzchen-Märchen: Der Name eines Wesens nimmt ihm die Unberechbarkeit, kennzeichnet ihn, macht ihn wieder auffindbar - und macht uns damit sicherer in unserer Orientierung ...
Eingangsspruch Haus Patmos, Bethel |
"ICH HABE DICH BEI DEINEM NAMEN GERUFEN - DU BIST MEIN...".
Dieser Spruch stand zu meiner Zeit dort eingemeißelt am Eingang des Hauses Patmos in Bethel, seinerzeit ein Wohnheim für schwerstmehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche, in dem ich damals fast 10 Jahre gearbeitet habe mit den zumeist schwer epilepsiekranken Kindern, die immer dann zu Einzelindividuen aufblühten, wenn wir uns ganz natürlich ihnen oft sprachlos zuwandten und uns auf ihre besondere und oft beglückende nonverbale Kommunkationsschiene einließen, wenn wir ihre Unverwechselbarkeiten lernten zu akzeptieren und zu differenzieren, wenn wir ihre Persönlichkeit achteten - und sie somit einzeln und unverwechselbar bei ihren Namen nannten ...
Wie uns alle hatte Gott natürlich auch diese Kinder gemeint, auch diese Kinder bei ihrem Namen gerufen ...
Bei Gott ist der Begriff der "Inklusion" nie ein Thema - erst durch unser Leistungsdenken und unsere Hybris wurde und wird immer wieder versucht, Menschen mit Schädigungen und Behinderungen auszugrenzen - wenn wir für ihre zweifellos ebenso vorhandenen Fähigkeiten keine Verwendung und kein Verständnis in unserer Gesellschaft entwickeln konnten und können - und ihre Besonderheiten nicht als kulturellen Zugewinn akzeptieren können. Mit einem Ausgrenzen - einer "Exklusion" - ging einher, dass Namen einfach vergessen wurden - und Individuen in der Anonymität verschwanden ...
In der Gedenkkultur zum 1. Weltkrieg und zum 2. Weltkrieg und dem Holocaust und den NS-"Euthanasie-Opfern" werden zwar oft fast unvorstellbare Opferzahlen skizziert, jedoch die Namen der Opfer werden auch von den Archiven und Forschungsinstituten gern ausgeblendet - angeblich "zum Schutz" der noch lebenden Familienmitglieder, die ja jahrhundertelang durch den Familiennamen verbunden bleiben ...: Der Name ist oft auch ein "Genealogischer Ahnenpass" - aber oft genug mit einer deutlichen Bevorzugung der "männlich-väterlichen Linie" ... - und dann ist es gar nicht mehr so weit bis zum Rassedenken und zur Eugenik ... - und zur pränatalen Untersuchung, um möglichst pflegeleichten leistungsfähigen Nachwuchs zu züchten bzw. zu klonen ... - und die "Fehlbildungen", die oftmals erst späterhin die Einzigartigkeit des Individuums ausmachen können, rechtzeitig abzutöten ...
Stolperstein ERNA KRONSHAGE in BI-Sennestadt |
Gunter Demnig sagt aber auch deutlich, der Stolperstein sei kein hochstilisierter Ersatz-Grabstein - und ein alleinlaufender Hund dürfe ihn dann schon einmal beschmutzen und Schneereste können bis zur Schmelze auf ihm liegen, und das "Stolpern" geschehe durch Innehalten und der Kopf(ver)neigung beim Lesen und Buchstabieren des Opfernamens - und dem Wahrnehmen seines Schicksals ...: Die Namen einfach wieder in Alltag integrieren ...
Leucht-Namensband Gütersloh |
"Ring der Erinnerung" mit 580.000 Namen - Video-Still |
Und in diesen Tagen entstand in Nordfrankreich ein Denkmal zum Ersten Weltkrieg mit den eingravierten Namen von 580.000 getöteten Soldaten, den sogenannten "Ring der Erinnerung" am Soldatenfriedhof Notre-Dame-de Lorette in der Nähe von Lens ... - also auch dort in hervorragender typographischer Gestaltung - die Namensnennung von bisher anonymen Gefallenen aus aller Herren Länder ...
"Ring der Erinnerung" mit 580.000 Namen - Video-Still |
PLAYLIST: GEDENKKULTUR - NAMEN NENNEN ....
Vielleicht müssen auch wir hier - bei unserem Sterben - den Trend zum anonymen Urnengrab auf dem ungekennzeichneten grasbewachsenen Gräberfeld nochmal überdenken: aber Gottes Zuspruch bleibt auch für ein solches Grab ohne Namen bestehen:
"ICH HABE DICH BEI DEINEM NAMEN GERUFEN - DU BIST MEIN...".