Sie werden vielleicht lachen -
oder empört Ihren Kopf schütteln -
aber dies ist mein
Weihnachtsgruß 2014 -
mit mehr weihnachtlicher Theologie & Verkündigung -
als im ersten Moment
erkennbar scheint ...
Vor genau 35 Jahren - am 24. Dezember 1979 ertrank Dr. phil. Rudi Dutschke in seiner Badewanne infolge eines epileptischen Anfalls, einer Spätfolge des Attentats*). Am 3. Januar 1980 wurde er auf dem St.-Annen-Kirchhof in Berlin-Dahlem feierlich beigesetzt. Weil dort zunächst kein Grabplatz frei war, hatte der Theologe Martin Niemöller ihm sein Grab überlassen. Etwa 6000 Gäste begleiteten den Trauerzug, Helmut Gollwitzer hielt die Traueransprache. Die Ehrengrabstätte befindet sich in der Reihe 28.
Grabstein Dutschkes auf dem St. Annen-Friedhof in Berlin-Dahlem |
*) Am 11. April 1968 schoss der junge Hilfsarbeiter Josef Bachmann vor dem SDS-Büro am West-Berliner Kurfürstendamm dreimal auf Dutschke. Er traf ihn zweimal in den Kopf, einmal in die linke Schulter. Dutschke erlitt lebensgefährliche Gehirnverletzungen und überlebte nur knapp nach einer mehrstündigen Operation.
Bachmann hatte Ausschnitte aus der Deutschen National-Zeitung bei sich, darunter die Titelzeile „Stoppt den roten Rudi jetzt“ und Fotos von Dutschke. In seiner Wohnung hing ein selbstgemaltes Porträt Adolf Hitlers. Man vermutete daher rechtsextreme Motive eines Einzeltäters. Bachmann hatte seit 1961 Kontakte zu Neonazis in Peine. Von ihnen hatte er die Tatwaffe gekauft, an ihren Schießübungen teilgenommen und bereits zuvor ein Attentat auf Walter Ulbricht mit ihnen ins Auge gefasst. Diese Hintergründe, die erst 2009 aus Unterlagen der DDR-Staatssicherheit und der West-Berliner Polizei öffentlich bekannt wurden, hatte Bachmann bei seiner Vernehmung offen zugegeben. Ob er das Attentat mit anderen geplant haben könnte, wurde nicht ermittelt.
Gedenktafel für Rudi Dutschke am Tatort vor dem Haus Kurfürstendamm 141 |
1968 machten viele Studenten die Springerpresse für das Attentat verantwortlich, da diese zuvor monatelang gegen Dutschke und die demonstrierenden Studenten agitiert hatte. Die Boulevardzeitung Bild etwa schrieb am 7. Februar 1968: „Man darf auch nicht die ganze Dreckarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen.“ Sie rief Tage vor dem Attentat zum „Ergreifen“ der „Rädelsführer“ auf. Bei den folgenden, bis dahin schwersten Ausschreitungen wurden das Gebäude des Springerverlags angegriffen und Auslieferungsfahrzeuge für seine Zeitungen angezündet. Die Molotowcocktails, mit denen die Lieferwagen in Brand gesteckt wurden, hatte der V-Person und Agent provocateur des Berliner Verfassungsschutzes Peter Urbach unter den Demonstranten verteilt.
Dutschke eignete sich Sprache und Gedächtnis in monatelanger Sprachtherapie mühsam wieder an. Zur Genesung hielt er sich ab 1969 in der Schweiz, Italien und Großbritannien auf. Nach vorübergehender Ausweisung von dort konnte er 1970 ein Studium an der Universität Cambridge beginnen. Die Umzugskosten in Höhe von DM 3.000 trug Bundespräsident Gustav Heinemann aus eigener Tasche, wie 1975 bekannt wurde. Nach dem Regierungswechsel 1970 wurde Dutschkes Aufenthaltserlaubnis jedoch aufgehoben. Daraufhin zog er nach Dänemark, wo ihn die Universität Aarhus als Soziologiedozenten anstellte.
Bachmann wurde wegen versuchten Mordes zu sieben Jahren Haft verurteilt. Dutschke nahm brieflich Kontakt mit ihm auf, erklärte ihm, er habe keinen persönlichen Groll gegen ihn, und versuchte, ihm ein sozialistisches Engagement nahezubringen. Bachmann beging jedoch am 24. Februar 1970 im Gefängnis Suizid. Dutschke bereute, ihm nicht öfter geschrieben zu haben: „[…] der Kampf für die Befreiung hat gerade erst begonnen; leider kann Bachmann daran nun nicht mehr teilnehmen […]“. (WIKIPEDIA)
Rudi Dutschke war ein tiefgläubiger Mensch - am 14. April 1963 (an einem Ostersonntag) schreibt Rudi Dutschke in Berlin in sein Tagebuch:
»Jesus ist auferstanden...*) ... Und zu Weihnachten passt dann eben vielleicht besser:... Gott ist in einem Kind im Stall zur Welt gekommen ... *) - und Dutschke fährt dann im Originaltext fort:... Freude u[nd] Dankbarkeit sind die Begleiter dieses Tages; die Revolution, die entscheidende Revolution der Weltgeschichte ist geschehen, die Revolution der Welt durch die allesüberwindende Liebe. Nähmen die Menschen voll die offenbarte Liebe im Für-sich-Sein an, die Wirklichkeit des Jetzt, die Logik des Wahnsinns könnte nicht mehr weiterbestehen.
Der Verstand, so meint K[arl] Jaspers, schafft keine Kommunikation der Menschen, verbindet nur das Bewußtsein der Menschen;
Kommunikation geschieht durch den gemeinsamen Fixpunkt der Gottheit, die Einheit der Menschheit also im gemeinsamen gewußten geahnten Wissen vom Ursprung.
Das Wissen bzw. d[er] Glaube vom Ursprung läßt das Ziel offenbar werden - der Weg der Geschichte könnte der Weg der Freiheit, der Weg zur Befreiung des Menschen werden - Befreiung des Menschen durch das Innewerden der Gottheit; Befreiung durch die Autorität; Freiheit in der Gebundenheit an die durch Jesus offenbarte Liebe.«
(Quelle: Rudi Dutschke: Jeder hat sein Leben ganz zu leben, Die Tagebücher 1963-1979, 2003, S. 17)_____________________________________________________
Explizit zu Weihnachten, am 24.12.1970 in Cambridge (England), schreibt Rudi Dutschke ins Tagebuch:
»Der historisch größte Mythus feiert seinen Jahrestag, im Grunde ist es der Tag der noch nicht abgeschlossenen Befreiung des Menschen. Ganz im Hintergrund steht der Wunsch nach Aufstand.« ...
(Quelle: Rudi Dutschke: Jeder hat sein Leben ganz zu leben, Die Tagebücher 1963-1979, 2003, S. 141)=============================================
*) Wie nah sich doch die Auferstehungsgedanken Dutschkes und das weihnachtliche Geschehen thematisch zum Verwechseln ähnlich sind: Diese Tagebuch-Zeilen Dutschkes könnten genau so gut und inhaltlich fast deckungsgleich zu Weihnachten geschrieben werden - statt Jesus ist auferstanden ... - dann vielleicht: Gott ist in einem Kind im Stall zur Welt gekommen ...
Und wechseln Sie das wahlweise für Ihre nächsten Festtagsgrüße - egal ob zu Ostern oder zu Weihnachten - einfach entsprechend aus ...=============================================
»Wir sind nicht hoffnungslose Idioten der Geschichte, die unfähig sind, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Das haben sie uns jahrhundertelang eingeredet. Viele geschichtliche Zeichen deuten darauf hin, dass die Geschichte einfach nicht ein ewiger Kreisel ist und nur immer das Negative triumphieren muss. Warum sollen wir vor dieser geschichtlichen Möglichkeit halt machen und sagen: Steigen wir aus, wir schaffen es doch nicht, irgendwann geht es mit dieser Welt zu Ende. Ganz im Gegenteil, wir können eine Welt gestalten, wie sie die Welt noch nie gesehen hat, eine Welt, die sich auszeichnet, keinen Krieg mehr zu kennen, keinen Hunger mehr zu haben, und zwar in der ganzen Welt. Das ist unsere geschichtliche Möglichkeit ...«Rudi Dutschke (1940 - 1979) | Dezember 1967 | im Fernsehinterview mit Günter Gaus