Quantcast
Channel: nunc|hic
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2576

Michel Houellebecq: Original & Charlie-Karikatur | UNTERWERFUNG

$
0
0


ORIGINAL & CHARLIE-KARIKATUR
Houellebecq-Karikatur auf dem Titel von "Charlie Hebdo": "Die Prophezeiungen des Weisen Houllebecq: '2015 verliere ich meine Zähne... - und 2022 mache ich Ramadan.'" Im Interview sagte Houellebecq nun: "Die Karikatur ist nicht übel." | S!NEDi-Montage aus AP/dpa-Bildmaterial | SPIEGEL-FOTOSTRECKE
Nur gut hundert Meter entfernt von der Keupstraße mit ihren Dönerläden und türkischen Fachgeschäften, 2004 Schauplatz eines verheerenden NSU-Attentats, liegt in einem ehemaligen Industrieareal die Ausweichspielstätte des Kölner Schauspielhauses.

Fast nichts lässt darauf schließen, dass hier am Montagabend der Schriftsteller seinen Auftritt hat, über den derzeit diskutiert wird, wie über keinen anderen: Michel Houellebecq, Inbegriff des unbotmäßigen, provokant auftretenden französischen Intellektuellen.

Hinge nicht an einem der Schiffscontainer ein aus irgendeiner Theaterrequisite übrig gebliebenes Schild mit dem Spruch "Bück dich". Der würde sich auch als Kurzfassung von Houellebecqs neuem Roman "Unterwerfung" eignen - in sexueller wie in politischer Hinsicht. Geht es bei Houellebecq doch auch um Sex und um Politik, um einen 2022 neu gewählten muslimischen Präsidenten Frankreichs und um einen muslimischen Gelehrten, der den "Shades of Grey"-Vorläufer "Die Geschichte der O." ebenso begeistert liest wie den Koran.

Drinnen auf der Bühne wirkt Houellebecq, wie fast immer bei öffentlichen Auftritten gekleidet in die Houellebecq-Uniform aus Parka, Gesundheitsschuhen und Schlabberhose (dazu trägt er diesmal eine Art Jeanshemd), wie seine eigene Karikatur: ein heruntergekommener Weiser aus dem Abendland, der auf dem Titelblatt des letzten "Charlie Hebdo" vor dem Terrorangriff zu sehen war.

Zu Beginn verliest er eine kurze Erklärung: Sein Roman sei nicht islamophob. Selbstverständlich aber habe man das Recht, ein islamophobes Buch zu schreiben. Nuschelnd, verschnupft, leise sprechend, schiebt er etwas nach, das sich anhört wie: "Ich hätte fast gewollt, dass mein Buch islamophob ist." Eine klassische Houellebeq-Provokation, das für ihn typische Spiel mit dem politisch Nicht-Schicklichen.

Houellebecq ist schwer greifbar, gefällt sich in der Kunst des Halb-, Beinahe- oder Gar-nicht-Antwortens, beschwört die Krise Frankreichs, ohne sie recht zu erklären. Als der Interviewer wissen möchte, was den rechtsextremen Front National für viele Franzosen so attraktiv mache, antwortet Houellebecq nach gewissem Schweigen: "Gute Frage. Ich würde gern eine Zigarette rauchen."

aus einem SPIEGEL-ONLINE-KULTUR-Artikel von Sebastian Hammelehle 

In "Unterwerfung" entwirft der Schriftsteller ein Bild der Agonie westlicher Gesellschaften, keinesfalls aber ein islamfeindliches Zerrbild. Gleichwohl sagte Houellebecq in Köln: "Es muss erlaubt sein, ein islamophobes Buch zu schreiben." | S!NEDi-Bildbearbeitung aus einem REUTERS-FOTO | SPIEGEL-FOTOSTRECKE


Die Kindheit ist vorbei, die Spiele sind gemacht;
Vor lauter Gewohnheit und Verzicht
Haben wir die Schreie der Leidenschaft erstickt;
Wir bewegen uns aufs Endspiel zu.
Michel Houellebecq 
aus dem Gedicht: "verlängertes wochenende in ZONE 6"

Viewing all articles
Browse latest Browse all 2576


<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>