Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein; was darüber ist, das ist vom Übel. - Matthäus 5,37 auf Kölsch heißt diese Bibelstelle übersetzt: Arsch huh, Zäng ussenander! |
domradio: Helau statt Alaaf!
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hatte es Anfang des Monats in seiner Predigt an die Karnevalisten noch einmal auf den Punkt gebracht: "Im Karneval wird das Kleine groß, das Schwache stark, und die Herrschenden werden dem Gelächter preisgegeben."Zwar könne der Karneval nicht die Welt verbessern, er nehme aber die Verhältnisse aufs Korn und gebe den Gedemütigten eine Stimme und den Armen Macht. Da schwang wohl auch der fromme Wunsch mit, der Karneval dürfe nicht zu einer reinen Spaßveranstaltung mutieren. Und Woelki erinnerte die Karnevalisten auch an die Morde von Paris.
Vielleicht auch durch diese Worte ermutigt, plante das Festkomitee Kölner Karneval für den Rosenmontagszug einen eigenen Motivwagen, der die Taten von Paris ächten und die Meinungs- und Pressefreiheit hochhalten sollte. Ein eindeutiger, wenn auch recht harmloser Entwurf (s.o.) wurde mit stolzgeschwellter Brust den Medien und den Kölnern vorgestellt.
Nun zieht das Festkomitee den geplanten "Charlie Hebdo"-Wagen zurück. Man stehe zwar immer noch zur Aussage des Entwurfs. Aber: "Wir möchten, dass alle Besucher, Bürger und Teilnehmer des Kölner Rosenmontagszuges befreit und ohne Sorgen einen fröhlichen Karneval erleben." Und ein Wagen, der „die Freiheit und leichte Art des Karnevals einschränkt“, sei nicht gewollt.
Was für eine fadenscheinige Argumentation. Es sollte doch nie das Hauptziel des Karnevals sein, im allgemeinen (Voll-)Rausch alle Sorgen, Nöte und Ungerechtigkeiten zu vergessen. Droht nun der offizielle Kölner Karneval endgültig zu einer reinen Kommerzveranstaltung zu verkommen, bei der jegliche kritischen oder subversiven Töne in vorauseilendem Gehorsam unterbunden werden, um der Touristik und der Gastronomie bloß nicht das große Geschäft zu verderben? Das wäre ein Armutszeugnis.
Mutig war der Kölner Karneval freilich noch nie, erst vor wenigen Jahren erinnerte eine vielbesuchte Ausstellung des Stadtmuseums an das unrühmliche Verhalten in der NS-Zeit, als antisemitische Wagen beim Rosenmontagszug bejubelt und Juden in der Bütt verächtlich gemacht wurden. Auch die Mär von der NS-kritischen Kölner Bürgerschaft ist schon lange widerlegt.
Wir Kölner schauen ja immer mit leichter Verachtung auf den Düsseldorfer Karneval. Heute wird deutlich: zu Unrecht. Denn dort geht es seit langem nicht nur – wie in Köln beim Karneval oder in München beim Oktober-fest – darum, den Hektoliter-Verbrauch an Bier zu steigern und die Stadtkassen zu füllen. Nein, dort ist es gute Tradition, auf mutigen Karnevalswagen Missstände mit deutlichem Spott und Hohn an den Pranger zu stellen.
Also: Nicht nur, weil Düsseldorf die zweitwichtigste Stadt in unserem Erzbistum ist, rufen wir heute aus voller Überzeugung "Helau" und nicht "Alaaf"!
Ein schönes und hoffentlich sonniges Wochenende wünscht für die ganze domradio.de-Redaktion,
Ralf Walter | domradio - Online-Redakteur
domradio.de - Newsletter vom 30.01.2015................................................................
Was war das für ein Aufschrei nach den Karikaturistenmorden von Paris: WIR SIND CHARLIE - JE SUIS CHARLIE hallte es allerorten von den Populisten-Wortführern Gauck und Merkel bis hin in kirchliche Kreise und Spontandemonstrationen in allen großen Städten des Landes: Alle waren plötzlich für uneingeschränkte Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Freiheit der politischen Kritik, der Satire und der Karikatur, Freiheit des Glaubens und der sexuellen Orientierung usw.: die "Inklusion" hatte schon in allen Teilen der Gesellschaft ihren triumphalen Einzug gehalten - und man trug den Buntstift aus der Schulschreibmappe des Kindes voller Stolz und Trotz gegen Andersdenkende am Revers ...
Ja - rief man voller Abscheu und Entrüstung mit zittriger Stimme aus - das "war nicht 'nur' ein Anschlag auf CHARLIE HEBDO, das war ein Anschlag auf die Demokratie, auf die kulturellen Werte der freien westlichen Welt" - nur vergleichbar mit NINE-ELEVEN 2001 ....
Hehre Worte - und doch nur Schall & Rauch - und nur wieder ein schnüffelnd schmatziges Schweinchen, was durch die Medien gejagt wurde: Das fing schon an - als uns die Tagesschau zeigte, wie mutig Frau Merkel und Herr Gabriel und Herr Steinmeier die Marschkolonne der aberhunderttausend Trauernden und Gedenkenden in Paris im Gleichschritt mit anführten (dieses Blog berichtete ...) - sie sich aber in Wirklichkeit lediglich für ein "Gruppenbild mit Dame" ganz abseits in eine Seitenstraße für eine Viertelstunde versammelten für einen Fototermin mit der Weltpresse und den Medien für alle Kameras und Selfie-Knipser, die dann von den Bildredaktionen zu Hause geschickt zusammengeschnitten werden sollten und brav auch ohne jeden Kommentar zusammengeschnitten wurden - sodass aus einem jämmerlichgen Haufen der ewig Zaudernden die Spitze in der todesmutigen Marschkolonne wurde ... - Selbst frühere Propagandaminister inszenierten so etwas irgendwie "gekonnter" ...
Nun - und so ähnlich verlief es jetzt auch in Köln bei der Vorbereitung des Rosenmontagsumzugs: Die pfiffige aber an sich harmlose Entwurfskarikatur für einen Pro-CHARLIE-Wagen wurde "aus Sicherheitsbedenken" zurückgezogen, nachdem der Entwurf mit vielen Tausend Stimmen bei einer Abstimmung zum Bau ausdrücklich gekürt wurde ...
Von wegen: "Arsch huh, Zäng ussenander!" - ein berühmter Kölner hat vor zig Jahren bereits jesacht: „Wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?“ und auch „Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Daach klüger zo werden“. Es gibt da noch eine ganze Menge ähnlicher kölscher Redensarten ...: Ja - der Kölsche Klüngel benötigte schon immer ein Übermaß an Opportunismus und "Anpassung" - heute so - morgen anders: flexibel musst Du sein ... - Charaktereigenschaften, die bei manch einer amtierenden Politikerin unserer Tage fast einen Kölschen Stammbaum und Background in ururalter Zeit vermuten lassen könnten ...
Foto: DPA | sz.de Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein; was darüber ist, das ist vom Übel. - Matthäus 5,37 |