nachgespürt |
Nackt in Hitlers Badewanne
Die ungeheuerliche Bildikone von Lee Miller
bzw. David E. Scherman
Am Tag, als Hitler sich umbrachte, posierte Miller in seiner Badewanne - nachdem sie zuvor die Leichenberge in Dachau fotografierte - Foto David E. Scherman ... |
Es ist ein banales Bild. Eine Frau sitzt in einer Badewanne. Es ist ein ungeheuerliches Bild: Ein berühmtes US-amerikanisches Fashion-Model, die Kate Moss ihrer Tage, sitzt in Hitlers Münchner Badewanne. Mitten im Krieg, an dem Tag, an dem Hitler sich umbrachte, am 30. April 1945. Die junge Frau wäscht sich in koketter Pose den Nacken, neben der Wanne steht ein Hitler-Foto, davor die neoklassizistische Figur einer nackten Idealfrau. Alles ist perfekt inszeniert, alles ist total verwirrend – Glamour, Schock und Mythos fallen hier zusammen.
Wie konnte so ein Foto entstehen? Warum fühlen wir uns von ihm noch heute provoziert? Und wer, bitte, ist diese Frau?
Sie hieß Elizabeth, genannt »Lee«, Miller, und ihre 1977 in Alkoholismus und Depression zu Ende gegangene Lebensgeschichte liest sich wie das Drehbuch zu einem echt guten Hollywood-Biopic. Es geht um Kindesmissbrauch, Mode, Kunst, Sex, Feminismus, Exotik, Krieg, Drogen und einen ungeliebten Sohn, der die kranke Mutter schließlich rehabilitiert.
Die Welten von Populärkultur und Avantgarde waren bei Lee Miller aber nie zu trennen, sie vereinte beides wie keine andere. Sie war nicht nur eines der schönsten Gesichter ihrer Zeit und eine hemmungslose Lebefrau, sondern auch durchtriebene Surrealistin und wagemutige Berufsfotografin. Im »Badewannen«-Bild laufen alle diese Leben zu einem fulminanten ikonischen Bildwerk zusammen.
Nicht umsonst hängte es documenta-13-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev in das »Brain« ihrer Großschau, wie sie die kleine zentrale Ausstellung in der Rotunde im Fridericianum nannte. Sie sah in dem Foto einen »mythischen« Moment, in dem Lee Miller stellvertretend versucht, die Menschheit von ihren Sünden reinzuwaschen.
Lee Miller: Dachau |
Lee Miller: Dachau |
An ihr haftet schließlich noch der Staub des gerade befreiten KZs Dachau, durch das sie nur wenige Stunden zuvor als eine der ersten Fotografen gegangen war. Eine sehr poetische Interpretation. Man könnte auch an schieres Besatzergehabe denken, an eine klassische Triumphgeste, wie man sie kennt vom Sturz von Diktatoren, zuletzt etwa in der Ukraine.
David E. Scherman in der Wanne - Foto: Lee Miller |
Damals war sie Anfang 20 – und hatte schon eine eigene Karriere und mehrere Schicksalsschläge hinter sich.
Kriegsberichter-Presse-Ausweis von Lee Miller |
Text aus: art - das kunstmagazin - 4/2015 - ab S. 34 | Text: Almuth Spiegler
(C) siehe auch hier
Tja - diese - ich nenn es denn mal "Kaltschnäuzigkeit" - die man bei solche einem extremen Motiv-Abbildungsprogramm wohl in sich tragen muss, wenn man an einem Tag zunächst das KZ Dachau mit den Leichenbergen als erste Fotoreporterin besucht - um dann in die Privatgemächer des "Führers" weiterzufahren - um dort mit dem Fotografen-Kumpel David E. Scherman "Wasserspiele" zu inszenieren in der dortigen Badewanne ...: Man kann die so zustandegekommenen Fotoikonen dann deuten als ein notwendiges "Reinwaschen" vom Anblick und der Psycho-Belastung durch die Leichenberge - oder als einen dringend benötigten ebenso extremen emotionalen "künstlerischen" Tagesausgleich - oder eben - wie oben angedeutet - als Besatzer-/Sieger-Pose und Inbesitznahme mit fast militärischer Option und extra kalkulierter und propagandistisch ausgeklügelt in Szene gesetzter Show ... - die gut an Agenturen vermarktet sicherlich ne Menge Kohle bringen kann ... - aber tatsächlich einfühlsame Sensibilität für das, was da tatsächlich zu Tage trat, muss man als solche Art Kriegsberichterstatter wohl in jedem Falle wegstecken können - und je nach Marktlage und Bedarf in jedem Fall einfach "draufhalten" - oder so ???...