Eisenbahnfriedhof in Ungarn: "Wir können nicht sicher sein, dass wir die Ersten waren."
(SPIEGEL-DAILY - CLICK ON THE PICTURE)
Interview mit dem Geobiologen
Dirk Schulze-Makuch:
Sind die Dinosaurier ins All geflogen?
VON OLAF STAMPF
Ressortleiter Wissenschaft und Technik DER SPIEGEL
SPIEGEL: Herr Schulze-Makuch, lassen Sie uns ein kleines Gedankenexperiment anstellen: Angenommen, schon die Dinosaurier hätten Häuser gebaut, könnten wir davon heute noch irgendwelche Überreste finden?
Schulze-Makuch: Das ist eine spannende Frage. Die Antwort lautet: sehr wahrscheinlich nicht. Wenn lange vor unserer Zeit irgendeine technische Zivilisation existiert hätte, wäre es nahezu unmöglich, Hinterlassenschaften davon zu entdecken. Wir können also nicht hundertprozentig sicher sein, dass wir die Ersten auf der Erde waren, die eine Industrie betrieben haben.
SPIEGEL: Gibt es denn tatsächlich irgendwelche Hinweise, dass die Dinosaurier schlauer waren, als wir annehmen?
Schulze-Makuch: Nein, aber unterschätzen darf man diese Biester natürlich auch nicht. Die vermutlich intelligentesten aller Dinosaurier stammten aus der Familie der Troodons. Sie hatten ein ungewöhnlich großes Gehirn. Wenn man sich die Arme und die Hände der Troodons anschaut, hätten sie theoretisch durchaus in der Lage sein können, Werkzeuge zu benutzen.
"Selbst Betonkonstruktionen zerfallen irgendwann"
SPIEGEL: Warum wäre es so schwer, Überreste einer vor langer Zeit untergegangenen industriellen Hochkultur zu finden? Bleiben Gebäude, Brücken, Bahngleise oder Maschinen nicht ewig in der Landschaft stehen?
Schulze-Makuch: Keineswegs. Nehmen Sie nur unsere eigenen Hinterlassenschaften. Wenn man lange genug warten würde, bliebe von all unseren schönen Städten nichts mehr übrig. Holz verrottet, Metall verrostet, und auch Kunststoffe werden von Bakterien aufgefressen, wie wir inzwischen wissen. Überall dort, wo Mikroben an Material herankommen, finden unweigerlich Zersetzungsprozesse statt. Selbst Betonkonstruktionen zerfallen irgendwann.
SPIEGEL: Wir sprechen natürlich über sehr lange Zeiträume ...
Schulze-Makuch: In der Tat, die Dinosaurier beispielsweise sind vor 66 Millionen Jahren ausgestorben. Nach einer ähnlich langen Dauer würden sich keine Spuren mehr von Berlin, New York oder Tokio finden lassen. Eine denkbare Ausnahme: verschüttete U-Bahn-Tunnel, die unter der Erde vom Zerfall verschont blieben. Aber auch das wäre nur dann möglich, wenn diese nicht allzu häufig mit Grundwasser in Berührung kämen – das ist aber ein sehr unwahrscheinliches Szenario.
SPIEGEL: Schwer vorstellbar, dass Wolkenkratzer einfach so vom Erdboden verschwinden.
Schulze-Makuch: Mag sein, aber der Zerfall schreitet unweigerlich voran – und zwar meist schneller als gedacht. Nehmen Sie das Denkmal von Mount Rushmore, wo die Köpfe bedeutender amerikanischer Präsidenten aus dem Bergmassiv geschlagen wurden. Diese berühmten, 1941 fertiggestellten riesigen Skulpturen bestehen aus Granitgestein. Doch schon heute, nach nur wenigen Jahrzehnten, sind die Gesichter schlechter zu erkennen als früher. Denn auch Granit verwittert.
SPIEGEL: An welchen Standorten wären die Chancen am größten, dass etwas von uns erhalten bliebe?
Schulze-Makuch: Recht gut werden Bauten in der Wüste konserviert. Deswegen stehen die Pyramiden der alten Ägypter immer noch. Aber diese Monumente sind auch erst ein paar Tausend Jahre alt. Nach einigen Hunderttausend Jahren werden wir die Pyramiden nicht mehr von natürlichen Gesteinsformationen unterscheiden können. Oder sie sind ganz verschwunden – zumal sich in so langen Zeiträumen die Klimazonen verschieben. Auch die Sahara war früher grün. Zu den wenigen Wüsten, die auf der Erde bereits seit vielen Jahrmillionen existieren, gehören die chilenische Atacamawüste und die Wüste Gobi – aber sogar dort gab es schon feuchtere Perioden als heute.
SPIEGEL: Unter welchen Voraussetzungen werden Dinge konserviert?
Schulze-Makuch: Wie gesagt: Je trockener die klimatischen Verhältnisse, desto besser. In der Wüste von Arizona haben wir versteinertes Holz oder Fußabdrücke von Dinosauriern gefunden. Aber in Wahrheit kommen solche Versteinerungen recht selten vor.
SPIEGEL: Ist es so gesehen nicht erstaunlich, dass wir heute überhaupt versteinerte Knochen der Dinosaurier entdecken?
Schulze-Makuch: Gegenfrage: Wie oft stoßen wir wirklich auf Dinosaurierknochen? Wenn man bedenkt, dass diese imposanten Geschöpfe 170 Millionen Jahre lang diesen Planeten beherrschten – hundertmal länger als wir Menschen –, finden wir verdammt wenige Überreste von ihnen.
Handys versteinern nicht
SPIEGEL: Wenn Knochen konserviert werden, und sei es noch so selten – könnte das nicht auch mit technischen Geräten passieren? Wird man in ferner Zukunft versteinerte Handys finden?
Schulze-Makuch: Das ist leider nicht zu erwarten. Wenn Sie heute irgendwo ein Handy vergraben, verwittert es in immer kleinere Teile, bis irgendwann nichts mehr davon übrig ist. Allenfalls mag es im Boden eine geringfügige Anreicherung mit Gold, Silber oder seltenen Erden geben. Knochen übrigens, die aus Kalziumphosphat bestehen, sind unter bestimmten Umweltbedingungen tatsächlich erstaunlich stabil. Wichtig ist, dass es möglichst schnell zu Luftabschluss kommt, beispielsweise indem ein Lebewesen in einem Sumpf versinkt.
SPIEGEL: Würde man nach langer Zeit überhaupt erkennen, dass man auf die Überreste eines künstlich geschaffenen Gegenstands gestoßen ist?
Schulze-Makuch: Das ist genau das Problem. Als junger Student in Gießen habe ich einmal an einer Exkursion in Nordhessen teilgenommen. Plötzlich entdeckten wir im Buntsandstein den Fußabdruck eines Stiefels. Jede Rille war genau zu erkennen – dummerweise in einer Schicht, die mehr als 200 Millionen Jahre alt war. Natürlich konnte das nicht sein, denn in der Trias gab es noch keine Lebewesen, die Stiefel trugen.
SPIEGEL: Und wie war die Erklärung für diese Entdeckung?
Schulze-Makuch: Es gab keine. Wir stuften den vermeintlichen Stiefelabdruck einfach als eine natürliche Struktur ein, die nur wie eine künstliche aussah. Es hat also auch viel mit unserer Erwartungshaltung zu tun, wie wir eine Entdeckung interpretieren.
"Im Vakuum verwittert nichts"
SPIEGEL: Gibt es wirklich nichts, was die Äonen überdauert?
Schulze-Makuch: Es gibt in der Tat nur wenig, was von uns bleibt. Unter Umständen wären Spuren einer früheren technischen Zivilisation zu finden, wenn diese Energie aus Atomkraft gewonnen hätte. Die dabei erzeugte künstliche Radioaktivität wäre noch nach Jahrmillionen vorhanden; allerdings ließe sie sich gar nicht so leicht von der natürlichen Radioaktivität unterscheiden.
SPIEGEL: Das ist alles?
Schulze-Makuch: Nicht ganz. Noch besser wäre es, wenn eine untergegangene Zivilisation Raumfahrt betrieben hätte und schon auf fremden Himmelskörpern gelandet wäre, wo es wie auf unserem Mond keine Atmosphäre gibt; denn im Vakuum verwittert nichts.
SPIEGEL: Bekanntlich sind wir auf dem Mond auf keinerlei fremde Hinterlassenschaften gestoßen ...
Schulze-Makuch: ... was beweist, dass die Dinosaurier nicht ins Weltall geflogen sind. Und ein kleiner Trost für uns: Eines immerhin wird auf jeden Fall von der Menschheit übrig bleiben – die amerikanische Flagge auf dem Mond.
(SPIEGEL-DAILY - CLICK ON THE PICTURE)
Interview mit dem Geobiologen
Dirk Schulze-Makuch:
Sind die Dinosaurier ins All geflogen?
VON OLAF STAMPF
Ressortleiter Wissenschaft und Technik DER SPIEGEL
- Schulze-Makuch, 54, arbeitet an der TU Berlin. Der Astrobiologe erforscht dort Methoden, um außerirdische Lebensformen aufzuspüren. In seinem neuen Buch "The Cosmic Zoo. Complex Life on Many Worlds" ergründet er unter anderem, welche Spuren eine industrielle Hochkultur hinterließe.
SPIEGEL: Herr Schulze-Makuch, lassen Sie uns ein kleines Gedankenexperiment anstellen: Angenommen, schon die Dinosaurier hätten Häuser gebaut, könnten wir davon heute noch irgendwelche Überreste finden?
Schulze-Makuch: Das ist eine spannende Frage. Die Antwort lautet: sehr wahrscheinlich nicht. Wenn lange vor unserer Zeit irgendeine technische Zivilisation existiert hätte, wäre es nahezu unmöglich, Hinterlassenschaften davon zu entdecken. Wir können also nicht hundertprozentig sicher sein, dass wir die Ersten auf der Erde waren, die eine Industrie betrieben haben.
SPIEGEL: Gibt es denn tatsächlich irgendwelche Hinweise, dass die Dinosaurier schlauer waren, als wir annehmen?
Schulze-Makuch: Nein, aber unterschätzen darf man diese Biester natürlich auch nicht. Die vermutlich intelligentesten aller Dinosaurier stammten aus der Familie der Troodons. Sie hatten ein ungewöhnlich großes Gehirn. Wenn man sich die Arme und die Hände der Troodons anschaut, hätten sie theoretisch durchaus in der Lage sein können, Werkzeuge zu benutzen.
Troodon |
"Selbst Betonkonstruktionen zerfallen irgendwann"
SPIEGEL: Warum wäre es so schwer, Überreste einer vor langer Zeit untergegangenen industriellen Hochkultur zu finden? Bleiben Gebäude, Brücken, Bahngleise oder Maschinen nicht ewig in der Landschaft stehen?
Schulze-Makuch: Keineswegs. Nehmen Sie nur unsere eigenen Hinterlassenschaften. Wenn man lange genug warten würde, bliebe von all unseren schönen Städten nichts mehr übrig. Holz verrottet, Metall verrostet, und auch Kunststoffe werden von Bakterien aufgefressen, wie wir inzwischen wissen. Überall dort, wo Mikroben an Material herankommen, finden unweigerlich Zersetzungsprozesse statt. Selbst Betonkonstruktionen zerfallen irgendwann.
SPIEGEL: Wir sprechen natürlich über sehr lange Zeiträume ...
Schulze-Makuch: In der Tat, die Dinosaurier beispielsweise sind vor 66 Millionen Jahren ausgestorben. Nach einer ähnlich langen Dauer würden sich keine Spuren mehr von Berlin, New York oder Tokio finden lassen. Eine denkbare Ausnahme: verschüttete U-Bahn-Tunnel, die unter der Erde vom Zerfall verschont blieben. Aber auch das wäre nur dann möglich, wenn diese nicht allzu häufig mit Grundwasser in Berührung kämen – das ist aber ein sehr unwahrscheinliches Szenario.
SPIEGEL: Schwer vorstellbar, dass Wolkenkratzer einfach so vom Erdboden verschwinden.
Schulze-Makuch: Mag sein, aber der Zerfall schreitet unweigerlich voran – und zwar meist schneller als gedacht. Nehmen Sie das Denkmal von Mount Rushmore, wo die Köpfe bedeutender amerikanischer Präsidenten aus dem Bergmassiv geschlagen wurden. Diese berühmten, 1941 fertiggestellten riesigen Skulpturen bestehen aus Granitgestein. Doch schon heute, nach nur wenigen Jahrzehnten, sind die Gesichter schlechter zu erkennen als früher. Denn auch Granit verwittert.
SPIEGEL: An welchen Standorten wären die Chancen am größten, dass etwas von uns erhalten bliebe?
Schulze-Makuch: Recht gut werden Bauten in der Wüste konserviert. Deswegen stehen die Pyramiden der alten Ägypter immer noch. Aber diese Monumente sind auch erst ein paar Tausend Jahre alt. Nach einigen Hunderttausend Jahren werden wir die Pyramiden nicht mehr von natürlichen Gesteinsformationen unterscheiden können. Oder sie sind ganz verschwunden – zumal sich in so langen Zeiträumen die Klimazonen verschieben. Auch die Sahara war früher grün. Zu den wenigen Wüsten, die auf der Erde bereits seit vielen Jahrmillionen existieren, gehören die chilenische Atacamawüste und die Wüste Gobi – aber sogar dort gab es schon feuchtere Perioden als heute.
SPIEGEL: Unter welchen Voraussetzungen werden Dinge konserviert?
Schulze-Makuch: Wie gesagt: Je trockener die klimatischen Verhältnisse, desto besser. In der Wüste von Arizona haben wir versteinertes Holz oder Fußabdrücke von Dinosauriern gefunden. Aber in Wahrheit kommen solche Versteinerungen recht selten vor.
SPIEGEL: Ist es so gesehen nicht erstaunlich, dass wir heute überhaupt versteinerte Knochen der Dinosaurier entdecken?
Schulze-Makuch: Gegenfrage: Wie oft stoßen wir wirklich auf Dinosaurierknochen? Wenn man bedenkt, dass diese imposanten Geschöpfe 170 Millionen Jahre lang diesen Planeten beherrschten – hundertmal länger als wir Menschen –, finden wir verdammt wenige Überreste von ihnen.
Handys versteinern nicht
SPIEGEL: Wenn Knochen konserviert werden, und sei es noch so selten – könnte das nicht auch mit technischen Geräten passieren? Wird man in ferner Zukunft versteinerte Handys finden?
Schulze-Makuch: Das ist leider nicht zu erwarten. Wenn Sie heute irgendwo ein Handy vergraben, verwittert es in immer kleinere Teile, bis irgendwann nichts mehr davon übrig ist. Allenfalls mag es im Boden eine geringfügige Anreicherung mit Gold, Silber oder seltenen Erden geben. Knochen übrigens, die aus Kalziumphosphat bestehen, sind unter bestimmten Umweltbedingungen tatsächlich erstaunlich stabil. Wichtig ist, dass es möglichst schnell zu Luftabschluss kommt, beispielsweise indem ein Lebewesen in einem Sumpf versinkt.
SPIEGEL: Würde man nach langer Zeit überhaupt erkennen, dass man auf die Überreste eines künstlich geschaffenen Gegenstands gestoßen ist?
Schulze-Makuch: Das ist genau das Problem. Als junger Student in Gießen habe ich einmal an einer Exkursion in Nordhessen teilgenommen. Plötzlich entdeckten wir im Buntsandstein den Fußabdruck eines Stiefels. Jede Rille war genau zu erkennen – dummerweise in einer Schicht, die mehr als 200 Millionen Jahre alt war. Natürlich konnte das nicht sein, denn in der Trias gab es noch keine Lebewesen, die Stiefel trugen.
SPIEGEL: Und wie war die Erklärung für diese Entdeckung?
Schulze-Makuch: Es gab keine. Wir stuften den vermeintlichen Stiefelabdruck einfach als eine natürliche Struktur ein, die nur wie eine künstliche aussah. Es hat also auch viel mit unserer Erwartungshaltung zu tun, wie wir eine Entdeckung interpretieren.
"Im Vakuum verwittert nichts"
SPIEGEL: Gibt es wirklich nichts, was die Äonen überdauert?
Schulze-Makuch: Es gibt in der Tat nur wenig, was von uns bleibt. Unter Umständen wären Spuren einer früheren technischen Zivilisation zu finden, wenn diese Energie aus Atomkraft gewonnen hätte. Die dabei erzeugte künstliche Radioaktivität wäre noch nach Jahrmillionen vorhanden; allerdings ließe sie sich gar nicht so leicht von der natürlichen Radioaktivität unterscheiden.
SPIEGEL: Das ist alles?
Schulze-Makuch: Nicht ganz. Noch besser wäre es, wenn eine untergegangene Zivilisation Raumfahrt betrieben hätte und schon auf fremden Himmelskörpern gelandet wäre, wo es wie auf unserem Mond keine Atmosphäre gibt; denn im Vakuum verwittert nichts.
SPIEGEL: Bekanntlich sind wir auf dem Mond auf keinerlei fremde Hinterlassenschaften gestoßen ...
Schulze-Makuch: ... was beweist, dass die Dinosaurier nicht ins Weltall geflogen sind. Und ein kleiner Trost für uns: Eines immerhin wird auf jeden Fall von der Menschheit übrig bleiben – die amerikanische Flagge auf dem Mond.
also keine angst - irgendwann sind die geklauten daten von deinem handy und deinem pc ganz in echt verschwunden und verwittert auf nimmerwiedersehen ... - mach dir keinen kopp - aus der sicht wie in diesem interview wird einem sowieso seltsam leicht ums herz: mineralien vergehen, pflanzen und tiere verändern sich - nur "das leben" bleibt bestehen - egal ob der tag dann in stunden gemessen wird - und man sich an den gregorianischen kalender erinnern kann: ... c'est la vie - wie auch immer... - S!