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NEOM

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NAHER OSTEN

HIMMEL & SAND
Eine Stadt, 33 Mal größer als New York

Riad/Dubai/Kairo – Die Herrscher der Arabischen Halbinsel formulieren Visionen für revolutionäre Mammutprojekte: hochmoderne Städte - als Vorbilder in Infrastruktur, Ökologie und Lebensqualität.

Von Gil Yaron | WELT.de

Geht es nach Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed Bin Salman, dann hat die Zukunft der Menschheit in einem Küstenstreifen zwischen schneebedeckten, 2500 Meter hohen Bergen und den weißen Sandstränden des Roten Meeres begonnen. Für den Prinzen ist dieser dünn besiedelte Landstrich „die leere Seite, die die Menschheit benötigt, um ihr nächstes Kapitel zu schreiben“. Vor wenigen Wochen begann hier die Errichtung einer neuen Stadt.

Neom heißt das Mammutprojekt, für das kein Superlativ zu pompös scheint. Es sei eine Stadt, die „geschaffen wurde, um Menschen endgültig vom Stress zu befreien“, heißt es in der Werbung. Hier beginne ein neues Leben mit künstlicher Intelligenz, mit autonomen Autos, die Staus verhindern, und Drohnen, die Online-Einkäufe liefern, während man sich am Sandstrand erholt. Der Energiebedarf soll aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden, während Landwirte in der Umgebung gesundes Gemüse anbauen – hydroponisch, also ohne Erde.

Der Rest der Welt mag den Nahen Osten als Problemherd betrachten. Seine Herrscher formulieren indes Visionen für revolutionäre Mammutprojekte. In Ägypten errichtet Präsident Abdel Fatah al-Sisi eine neue Hauptstadt. Dubai, wo bereits der höchste Wolkenkratzer der Welt und das größte Einkaufszentrum der Welt stehen, will 2028 die Ziggurat-Pyramide einweihen, den weltweit größten autarken Wohnkomplex, für rund eine Million Bewohner, auf einer Grundfläche von 2,3 Quadratkilometern. Und Abu Dhabi arbeitet seit 2008 an Masdar City, einer Stadt, die als ökologisches Vorbild dienen soll.

Hunderte Milliarden Dollar fließen in diese Projekte. Sie sollen Probleme lösen, zukunftsweisend sein, die Massen begeistern. Ganz nebenbei setzen sie den Herrschern noch zu Lebzeiten ein Denkmal. Aber werden sie den Hoffnungen gerecht, oder versenken Autokraten hier nur den Wohlstand ihrer Völker im Sand?

Dass die Städte der arabischen Welt neue Impulse brauchen, ist unumstritten. „Kairo entspricht den Ansprüchen der Ägypter nicht mehr. Überall ist Stau, die Infrastruktur bricht zusammen“, sagt Khaled al-Husseini. Der Ex-General ist Sprecher von ACUD, ein Zusammenschluss von Ägyptens Militär und dem Bauministerium, der al-Sisis neue Hauptstadt bauen soll.

Tatsächlich wächst Kairo schneller als jede andere Großstadt der Welt. Allein im vergangenen Jahr kamen zu den rund 20 Millionen Einwohnern 500.000 neue hinzu, im Jahr 2050 könnten hier 40 Millionen Menschen wohnen. Schon jetzt sei Kairo „überbevölkert“, meint Husseini. „Es gibt keinen Generalbebauungsplan, alles ist hässlich – das ist unmenschlich.“

Mitte 2019 soll das neue Kairo, für das es noch keinen offiziellen Namen gibt, – als Antithese der 1000 Jahre alten Hauptstadt eingeweiht werden. Werbevideos veranschaulichen al-Sisis Vision: Sanft schwebt die Kamera über das 700 Quadratkilometer große Areal – siebenmal größer als Paris – und zeigt eine ultramoderne Stadt mit neuen glitzernden Regierungsgebäuden, einem Opernhaus und Museen. Hinzu kommen der mit 345 Metern höchste Wolkenkratzer Afrikas und ein Vergnügungspark, viermal größer als Disneyland.

Fünf bis sechs Millionen Ägypter sollen hier eines Tages wohnen, rund um den „grünen Fluss“, ein Stadtpark doppelt so groß wie der Central Park. Die Wüste, die sich hier heute befindet, erscheint nur am fernen Horizont.

Dafür gibt es hier alles in Fülle, was in Kairo fehlt: Neben 2000 Schulen sollen 600 medizinische Einrichtungen entstehen. Die größte Kirche Ägyptens wird bereits gebaut, für die koptischen Christen. „Wir haben das Recht zu träumen. Und das ist unser Traum“, sagt Husseini.

Schon mahnen Kritiker, hier entstehe ein Getto für Superreiche. Der Quadratmeterpreis der bereits fertigen 30.000 Wohnungen liegt bei 400 Euro, das Durchschnittsgehalt ägyptischer Beamter indes bei 220 Euro im Monat. Die werden also in Kairo zurückbleiben, deren Ressourcen geplündert werden.

Zwei Wasserwerke sollen der neuen Hauptstadt später 1,5 Millionen Kubikmeter Wasser pro Tag liefern – auf Kosten anderer Städte, die schon jetzt unter Wassermangel leiden. Kurzfristig schafft die Bautätigkeit zwar 1,5 Millionen Arbeitsplätze, langfristig dürfte die neue Hauptstadt aber keines der Grundprobleme Ägyptens lösen.

Kairo selbst drohen verheerende Konsequenzen. „Wenn bei einem Neubau keine polyzentrischen Modelle verfolgt werden, sondern alle Funktionen auf eine neue Stadt übertragen werden, droht dem alten Standort Verwahrlosung“, sagt Christa Reicher.

NEOM - big think
Sie ist Professorin für Städtebau an der TU Dortmund, die enge Kontakte zur arabischen Welt pflegt. Laut Husseini gibt es noch keine Pläne dafür, wie die ganzen Regierungsgebäude mitten in Kairo genutzt werden sollen, die bald leer stehen.

Und was, wenn al-Sisi das Geld ausgeht? Bislang erhielt ACUD knapp zehn Milliarden Euro – obwohl das Projekt mindestens 40 Milliarden kosten soll. Doch Ägypten ist ein bitterarmer Staat, der gerade erst bei der Weltbank einen Kredit von zwölf Milliarden Dollar aufnehmen musste, um sich vor dem Bankrott zu retten. Ob die neue Hauptstadt jemals fertiggestellt werden kann, ist fraglich.

Anders im saudischen Neom. Kronprinz Bin Salman will hier 500 Milliarden Dollar investieren. Seine Vision ist grandios. Die neue Stadt soll 33 Mal größer werden als New York, mit einer „Lebensqualität, welche die aller Metropolen weltweit übertrifft“.



Er setzt auf Standortvorteile: Neom liegt unweit des Suezkanals, durch den zehn Prozent des Welthandels fließen, und nur sieben Flugstunden von 70 Prozent der Erdbevölkerung entfernt. Die Stadt im Länderviereck zwischen Saudi-Arabien, Jordanien, Israel und Ägypten soll ein internationales Drehkreuz werden.

Neom ist futuristisch angelegt. Der Energiebedarf soll ausschließlich aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Der Sonnenstaat Saudi-Arabien könne mit heutiger Solartechnik mit nur sechs Prozent seiner Oberfläche die ganze Welt mit Strom versorgen, behauptet einer der Investoren. Die Stadt soll als globales Zentrum für Biotechnologie und erneuerbare Energien dienen. Doch der lange Strand allein wird keine Unternehmer herlocken.

In den Werbevideos joggen Frauen in ärmellosen Sportshirts allein durch grüne Parks – kaum etwas erinnert daran, dass sich dieser Ort sich im streng religiösen Saudi-Arabien befindet. In einem Land, in dem keine Kirchen errichtet werden dürfen und Häretiker hingerichtet werden, erfreut sich das imaginäre Neom der „größten kulturellen Vielfalt, die die Welt zu bieten hat“.

„Wir werden 98 Prozent von dem umsetzen, was in anderen Städten der Welt zu finden ist, nur zwei Prozent bleiben unmöglich, wie eine Aufhebung des Alkoholverbots“, gelobte Bin Salman. Dazu will er ein eigenes Rechtssystem für die Stadt schaffen, das er gemeinsam mit Investoren formuliert. So soll die Stadt zu einem „riesigen urbanen Testlabor für neue Technologien“ werden.

Experten bezweifeln, dass Salmans hohe Ambitionen und tiefe Taschen genügen, um diese Träume umzusetzen. Die Region ist voller gescheiterter Mammutprojekte. In Ägypten träumte Anwar al-Saddat schon 1978 von einer neuen Hauptstadt. Doch „Saddat City“ stagnierte, als der Präsident 1981 ermordet wurde und blieb ein Trabant Kairos.

Saudi-Arabien eröffnete 2005 die „König Abdullah Economic City“ als „eines der größten Wirtschaftszentren der Welt“. Statt zwei Millionen Einwohnern leben dort heute nur knapp 5000 am Hafen, dessen Schiffsverkehr von Dubai übertroffen wird.

„Neue Städte sind oft künstliche Visionen, die mit den spezifischen Rahmenbedingungen vor Ort sehr wenig zu tun haben. Ihre Gründung geschieht unter Annahmen, die sich stark von ökonomischen und gesellschaftlichen Realitäten unterscheiden“, sagt Städteplanerin Reicher.

Das wird nirgends deutlicher als in Abu Dhabi. Als das Emirat 2008 Masdar City in Angriff nahm, sprach man von der ersten Stadt weltweit, welche die Umwelt nicht verschmutze. Ein modernes öffentliches Transportsystem sollte Menschen in kleinen, selbstfahrenden Zügen zwischen 1500 Stationen pendeln lassen. Doch nach zehn Jahren gibt es nur zwei Haltestellen.

Statt 50.000 wohnen hier nur 1300 Einwohner, zumeist Studenten. Nur sieben Prozent der insgesamt 3,7 Millionen Quadratmeter Baufläche wurden fertiggestellt. Nachts ist Masdar City eine Geisterstadt. Wenn die Stadt 2030 endlich fertig sein wird, soll die Hälfte ihres Strombedarfs aus Abu Dhabis regulärem Netz gedeckt werden. Ein Grund für die schleppende Umsetzung sei die Skepsis von Investoren bezüglich der Planungssicherheit, heißt es: Die autokratischen Herrscher könnten das Projekt jederzeit kippen.

„Wunsch und Wirklichkeit liegen bei solchen Projekten weit auseinander. Das hat mit den großspurigen Visionen der Gründer zu tun“, meint Reicher. Vor allem der Hang zum Futurismus könnte dem Nahen Osten zum Verhängnis werden. Nur 1,2 Prozent der jungen Saudis werden in naher Zukunft laut Schätzung der OECD einen akademischen Abschluss haben. Ihnen fehlt das Know-how, Hightech-Städte zu warten.

Es fehlen demokratische Strukturen

Reicher zöge deshalb „Nachverdichtung bestehender Städte“ vor: Es wäre besser und effizienter, das Geld in bereits existierende Strukturen zu investieren. Erfolg rühre vor allem von der Schaffung demokratischer Strukturen, die es der Bevölkerung ermöglichen, Pläne an Bedürfnisse anzupassen.

Städteplaner wie Federico Cugurullo loben an Projekten wie Masdar City deshalb vor allem die Lowtech-Aspekte, wie die engen, schattigen Gassen der Innenstadt. Sie sind dank ihrer Bauweise im Sommer bis zu 20 Grad kühler als die Wüste – eine ideale Lösung für heiße Städte in aller Welt.

Neu ist daran freilich nichts: Die Planer ahmten schlicht die Altstädte von Aleppo in Syrien und Schibam im Jemen nach. „Dieser Jahrhunderte alte, traditionelle Urbanismus ist nachhaltig“, meint Cugurullo. Und wohl auch zukunftsweisender als die neuen arabischen Metropolen.

DIE WELT © Axel Springer SE. Alle Rechte vorbehalten



gestern habe ich einen artikel abgedruckt zur zukunftsentwicklung unserer medizin & gesundheit - heute gibt es hier die science-fiction-ideen für die metropolen von morgen. mit gigantischen pyramidenähnlichen bauten mitten in der wüste, in denen millionen menschen leben oder hausen oder pyramidisieren sollen ...

ich meine - will der gemeine arabisch- bzw. europäische mensch in 50 jahren so wohnen wollen: postanschrift: neom - saudi-arabien ...

und da - wo der wüstensand platz machen soll für gigantische metropolen - versanden hier in mitteleuropa die alten ausgedienten städte ... birken auf dem prinzipal-markt in münster und farnkraut auf dem alten markt in bielefeld - und mitten in hannover werden wölfe erlegt ...

ach - wer's glaubt wird selig ... - aber es soll hinterher niemand sagen, er hätte das nicht wissen können... -S!

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