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Martin Luther King: 50 Jahre danach - Der Traum ist noch nicht zu Ende geträumt ...

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Bild: AFP/tagesanzeiger.ch

50 Jahre später ... | Bild: AFP/SPIEGEL-ONLINE













Gedenk-Demo für Martin Luther King: 

Amerikas unerfüllter Traum

Aus Washington berichtet Marc Pitzke | SPIEGEL-ONLINE

"Ich habe einen Traum." Vor 50 Jahren hielt der US-Bürgerrechtler Martin Luther King seine berühmte Rede am Lincoln Memorial. Nun demonstrierten erneut Zehntausende meist Schwarze in Washington. Ihre Forderungen zeigen: Die Ungleichheit lebt fort.

Ein halbes Jahrhundert ist es her, doch Joseph Braud sieht alles noch genau vor sich. "Wir waren viel mehr Menschen als heute", erinnert sich der pensionierte Arzt aus New Orleans. "Und es gab diese dummen Barrikaden nicht."

Braud, 87, lehnt an einer solchen Barrikade, in der ersten Reihe einer Flut aus Zehntausenden, die sich an diesem strahlenden Samstag über Washingtons Prachtmeile, die National Mall, ergießt. Damals, vor 50 Jahren, stand Braud viel weiter hinten, konnte die Redner hören, aber nicht sehen. Diesmal ist er extra früh aufgestanden, damit er nichts verpasst.
Viel hat sich verändert seit den Tagen des offenen Rassenhasses und jener historischen Massenkundgebung, die in den berühmtesten Worten des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King mündete. "Ich habe einen Traum", rief King den Massen 1963 von den Stufen des Lincoln Memorials aus zu - einen Traum von Gleichheit, Freiheit und Einheit der Rassen.


Bild: REUTERS/SPIEGEL-ONLINE


"Wir haben allerhand erreicht", sagt Braud. "Doch Dr. Kings Traum ist noch nicht erfüllt."

Das ist der Tenor der meisten, die hier den anstehenden 50. Jahrestag des "Marsches auf Washington" feiern, zum Auftakt einer ganzen Festwoche. Junge, Alte, Schwarze, Weiße: Zehntausende folgten dem Aufruf von Aktivistengruppen und Gewerkschaften, Kings Vermächtnis zu würdigen - und fortzuführen.

Denn die Ungleichheit lebt weiter, in der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Politik. Die Hauptanliegen der Demonstranten sind denn auch identisch mit denen vor 50 Jahren: "Jobs and Freedom", steht auf den Plakaten - Jobs und Freiheit.

"Wir Afroamerikaner kämpfen weiter mit den gleichen Problemen", sagt Stefanie Williams, die mit dem Bus aus St. Louis gekommen ist, eine 18-Stunden-Odyssee. Dass Kings Forderungen auch heute oft unerfüllt bleiben, bezeugten Fälle wie der Tod des Teenagers Trayvon Martin: "Keine Gerechtigkeit - kein Frieden."

In der Tat bieten die USA 50 Jahre nach Kings Manifest ein durchwachsenes Bild. Der Anteil der Schwarzen, die in Armut leben, hat sich seit 1963 zwar halbiert, während sich der Anteil derer mit High-School-Abschluss verdreifacht hat. Doch viele leben auch heute noch in Ghettos, gehen auf segregierte Schulen, sind dauerarbeitslos oder darben am kümmerlichen Mindestlohn. Fast die Hälfte der US-Gefängnisinsassen sind Schwarze, in den Südstaaten sind es sogar bis zu 75 Prozent.

Eric Holder, Amerikas erster schwarzer Justizminister, nennt das in seiner Rede "die Mankos unserer Nation", verweist zugleich aber auf die enormen Fortschritte: Ohne die Bürgerrechtsbewegung "stünde ich nicht hier" - und säße Barack Obama nicht im Weißen Haus.

Der Wahlsieg Obamas, der am Mittwoch selbst eine große Ansprache plant, sei nur "eine Anzahlung" gewesen, sagt der demokratische Kongressabgeordnete John Lewis, 73, der letzte noch lebende Redner von 1963. "Noch gibt es zu viel Schmerz und Leid in Amerika."


Martin Luther King | Bild: today.uconn.edu


Lewis muss es wissen. Damals mit 23 der Jüngste auf dem Podium am Lincoln Memorial, hatte er sich blutig schlagen lassen für die Sache. Sein Geist ist ungebrochen: "Wir haben einen neuen Kampf zu kämpfen", ruft er. "Ich bin nicht müde, ich bin nicht erschöpft, ich bin nicht bereit, mich zu setzen und aufzugeben!"

So denkt auch die nächste Generation. "Dinge ändern sich nur, wenn wir unsere Stimme erheben", weiß Theresa Stahling aus New York. Sie zählt die vielen Kontroversen auf, die allein dieses Jahr zeigten, wie gespalten die Nation bleibt: Trayvon Martin und die "Notwehrgesetze", die Aushöhlung des Wahlrechts, dubiose Polizeikontrollen.

"Das moralische Gewissen unseres Landes fordert uns heraus", ruft Newarks Bürgermeister Corey Booker, ein aufstrebender Star-Politiker, der mit einer fulminante Rede hier seinen Anspruch auf eine große politische Zukunft unterstreicht - und auf eine Führungsposition in einer Bewegung, der es sonst an Nachwuchstars mangelt. "Wir können uns nicht leisten, uns zurückzulehnen."

Ein Redner nach dem anderen schlägt in diese Kerbe - vom Bürgerrechtler Al Sharpton, der die Kundgebung organisiert hat, über Martin Luther King III., den ältesten Sohn Kings, bis hin zu Trayvon Martins Eltern. Kings rethorische Gabe besitzt keiner von ihnen, es macht nichts: Singend marschieren sie danach vom Lincoln Memorial am Martin-Luther-King-Mahnmal vorbei zum Washington Monument, in Sichtlinie des Weißen Hauses.

Der jüngste Redner diesmal ist Asean Johnson, ein neunjähriger Schüler aus Chicago, der dort mit seinen selbstbewussten Auftritten Furore gemacht hat. Johnson, der kaum ans Mikrofon reicht, plädiert für ein faireres Schulsystem: "Jedes Kind verdient eine tolle Schulbildung!"

In 50 Jahren dürfte Johnson der Starredner der nächsten Großdemo hier zu Ehren Kings sein.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/martin-luther-king-gedenken-in-washington-a-918443.html


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