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Papst-Interview: GOTT SUCHEN | impulse für die woche -106 | Auszug aus einem sensationellen Interview

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Repro: Aufmacher für ein paar Stunden auf  SPIEGEL-ONLINE


Drei Tage vor der Bundstagswahl rückt der Bericht über ein sensationelles Interview mit Papst Franziskus - geführt von Antonio Spadaro SJ, Chefredakteur der italienischen Jesuiten-Zeitschrift "La Civiltà Cattolica" - in SPIEGEL-ONLINE für ein paar Stunden an die erste Aufmacher-Position der Internet-Seite.

Im SPIEGEL geschieht so etwas nicht allzu oft - schon gar nicht in politisch so turbulenten Zeiten: also muss es dieses Interview in seinen verblüffenden und offenen Aussagen doch "faustdick hinter den Ohren" haben, um so hoch und aktuell von den SPIEGEL-ONLINE-Redakteuren eingestuft zu werden.

Lesen Sie deshalb den diesbezüglichen SPIEGEL-Beitrag hier: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/papst-franziskus-neuer-umgang-mit-schwulen-abtreibung-und-verhuetung-a-923415.html


Ich zitiere aus diesem Papst-Franziskus-Interview die kontemplativen Passagen über die "Suche nach Gott" in dieser Zeit:



Gott suchen, um ihn zu finden, ihn finden, um ihn immer zu suchen: nunc|hic - jetzt|hier ... 

„Es gibt de facto die Versuchung, Gott in der Vergangenheit zu suchen oder in den Zukunftsmöglichkeiten. Gott ist sicher in der Vergangenheit, denn man findet ihn in den Abdrücken, die er hinterlassen hat. Er ist auch in der Zukunft, als Versprechen. Aber der - sagen wir - ,konkrete Gott‘ ist heute. Daher hilft das Jammern nie, nie, um Gott zu finden. Die Klage darüber, wie barbarisch die Welt heute sei, will manchmal nur verstecken, dass man in der Kirche den Wunsch nach einer rein bewahrenden Ordnung, nach Verteidigung hat. Nein - Gott kommt im Heute entgegen.“

„Gott zeigt sich in einer geschichtsgebundenen Offenbarung, in der Zeit. Die Zeit eröffnet Prozesse, der Raum kristallisiert sie. Gott findet sich in der Zeit, in den laufenden Prozessen. Es ist nicht nötig, die zeitgebundenen Möglichkeiten, auch wenn sie auf lange Dauer bestehen, gegenüber den tatsächlichen Abläufen zu privilegieren. Wir müssen eher Prozesse in Gang bringen als Räume besetzen. Gott offenbart sich in der Zeit und ist gegenwärtig in den Prozessen der Geschichte. Das ist der Grund dafür, Handlungen zu privilegieren, die neue Dynamiken hervorrufen. Es verlangt auch Geduld und Warten.“

„Die Begegnung mit Gott in allen Dingen ist kein empirisches ‚Heureka‘. Wenn wir Gott begegnen wollen, wollen wir ihn - im Grund - sofort mit empirischen Methoden feststellen. So begegnet man Gott nicht. Man findet ihn eher in dem leichten Hauch des Elias. Die Sinne, die Gott wahrnehmen, sind diejenigen, die Ignatius ‚spirituelle Sinne‘ nennt. Ignatius verlangt, die geistliche Sensibilität zu öffnen, um Gott zu begegnen - jenseits einer rein empirischen Annäherung. Nötig ist eine kontemplative Haltung: Es ist das Gefühl, dass man auf dem rechten Weg des Verstehens und des Liebens gegenüber Dingen und Situationen geht. Das Zeichen dafür, dass man auf dem rechten Weg ist, ist das Zeichen des tiefen Friedens, des geistlichen Trostes, der Liebe zu Gott und allen Dingen in Gott.“

„Ja, beim diesem Suchen und Finden Gottes in allen Dingen bleibt immer ein Bereich der Unsicherheit. Er muss da sein. Wenn jemand behauptet, er sei Gott mit absoluter Sicherheit begegnet und nicht berührt ist von einem Schatten der Unsicherheit, dann läuft etwas schief. Für mich ist das ein wichtiger Erklärungsschlüssel. Wenn einer Antworten auf alle Fragen hat, dann ist das der Beweis dafür, dass Gott nicht mit ihm ist. Das bedeutet, dass er ein falscher Prophet ist, der die Religion für sich selbst benützt. Die großen Führer des Gottesvolkes wie Moses haben immer Platz für den Zweifel gelassen. Man muss Platz für den Herrn lassen, nicht für unsere Sicherheiten. Man muss demütig sein. Die Unsicherheit hat man bei jeder echten Entscheidung, die offen ist für die Bestätigung durch geistlichen Trost.“

„Das Risiko beim Suchen und Finden Gottes in allen Dingen ist daher der Wunsch, alles zu sehr zu erklären, etwa mit menschlicher Sicherheit und Arroganz zu sagen: ‚Hier ist Gott.‘ Dann finden wir nur einen Gott nach unserem Maß. Die richtige Einstellung ist die von Augustinus: Gott suchen, um ihn zu finden, ihn finden, um ihn immer zu suchen. Und häufig findet man nur tastend, wie man in der Bibel liest. Das ist die Erfahrung der großen Väter des Glaubens, die unser Vorbild sind. Man sollte das 11. Kapitel des Briefes an die Hebräer lesen: Abraham ist aufgebrochen, ohne zu wissen, wohin er gehen soll - im Glauben. Alle unsere Vorfahren im Glauben starben im Blick auf die verheißenen Güter - aber immer von Ferne ... Unser Leben ist uns nicht gegeben wie ein Opernlibretto, in dem alles steht. Unsere Leben ist Gehen, Wandern, Tun, Suchen, Schauen … Man muss in das Abenteuer der Suche nach der Begegnung eintreten und in das Sich-Suchen Lassen von Gott, das Sich-Begegnen-Lassen mit Gott.“

„Denn Gott ist voraus, Gott ist der immer Voraus-Seiende … Gott ist ein wenig wie die Mandelblüte in Deinem Sizilien, Antonio [gemeint ist der Interviewer Antonio Sparado SJ], die immer als erste blüht. 


Mandelblüte in Sizilien | foto: sizilien-magazin

Das lesen wir bei den Propheten. Daher begegnet man Gott beim Gehen, auf dem Weg. Hier könnte einer sagen: Das ist Relativismus. Ist es Relativismus? Ja, wenn man ihn schlecht versteht - wie einen verschwommenen Pantheismus; nein, wenn man ihn im biblischen Sinn versteht, für den Gott immer eine Überraschung ist. Daher weißt du nie, wo und wie du ihn triffst. Nicht du fixierst Zeiten und Orte der Begegnung mit Ihm. Man muss daher die Begegnung erkennen, ausmachen. Dafür ist die Unterscheidung grundlegend.“

„Wenn der Christ ein Restaurierer ist, ein Legalist, wenn er alles klar und sicher haben will, dann findet er nichts. Die Tradition und die Erinnerung an die Vergangenheit müssen uns zu dem Mut verhelfen, neue Räume für Gott zu öffnen. Wer heute immer disziplinäre Lösungen sucht, wer in übertriebener Weise die ‚Sicherheit‘ in der Lehre sucht, wer verbissen die verlorene Vergangenheit sucht, hat eine statische und rückwärts gewandte Vision. Auf diese Weise wird der Glaube eine Ideologie unter vielen. Ich habe eine dogmatische Sicherheit: Gott ist im Leben jeder Person. Gott ist im Leben jedes Menschen. Auch wenn das Leben eines Menschen eine Katastrophe war, wenn es von Lastern zerstört ist, von Drogen oder anderen Dingen: Gott ist in seinem Leben. Man kann und muss ihn in jedem menschlichen Leben suchen. Auch wenn das Leben einer Person ein Land voller Dornen und Unkraut ist, so ist doch immer ein Platz, auf dem der gute Same wachsen kann. Man muss auf Gott vertrauen.“ - Papst Franziskus


Auszüge aus dem Interview von Papst Franziskus mit Antonio Spadaro SJ: Quelle: Online-Zeitschrift "Stimmen der Zeit" (ggf. Link anclicken)



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