Geheimdienst-Skandale
562 Schriftsteller protestieren gegen Totalüberwachung
Sie warnen vor dem Ende der Demokratie: 562 Schriftsteller aus aller Welt protestieren gegen die Angriffe der NSA auf die Freiheit. Nobelpreisträger wie Elfriede Jelinek, Günter Grass, Orhan Pamuk oder J.M. Coetzee argumentieren: "Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei."
"Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter": Aufruf in der "FAZ" - (Bild bitte anclicken) |
562 Schriftsteller, darunter fünf Nobelpreisträger, stellen sich in einem Aufruf gegen die Massenüberwachung der US-Geheimdienste. Unterzeichnet haben den Text unter anderem Umberto Eco, Orhan Pamuk, J.M. Coetzee, Elfriede Jelinek, Günter Grass, T.C. Boyle, Daniel Kehlmann und Henning Mankell.
In dem an diesem Donnerstag weltweit in Zeitungen veröffentlichten Dokument rufen die Unterzeichner zum Widerstand gegen die Verletzung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch US-Geheimdienste auf. Der am internationalen Tag der Menschenrechte veröffentlichte Aufruf warnt vor der Zerstörung der Freiheitssphäre des Einzelnen und der Gefährdung der Demokratie durch Totalüberwachung.
Das Kernargument des Textes ist dieses:
"Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft unter ständiger Beobachtung ist keine Demokratie mehr. Deshalb müssen unsere demokratischen Grundrechte in der virtuellen Welt ebenso durchgesetzt werden wie in der realen."Ein massenhaft überwachender Staat behandele jeden Menschen als Verdächtigen. Das zerstöre die historische Errungenschaft der Unschuldsvermutung.Der Aufruf richtete sich an Bürger, Staaten und Konzerne. Der Appell der Autoren:
Staaten und Konzerne sollen diese Menschenrechte respektieren.
Bürger sollen diese Menschenrechte verteidigen.
Die Vereinten Nationen sollen die zentrale Bedeutung der Bürgerrechte im digitalen Zeitalter anerkennen und eine verbindliche Internationale Konvention der digitalen Rechte verabschieden.
Die Regierungen sollen diese Konvention anerkennen und einhalten.
Jeder kann diesen Aufruf auf der Internetplattform change.org unterzeichnen.
Der Aufruf benennt nicht direkt die US-Regierung und die NSA als Beschuldigte. Die Autorin Juli Zeh, eine der Initiatorinnen, begründet das im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" so: Damit möglichst viele Autoren auf der ganzen Welt den Text unterschreiben, habe man darauf verzichtet, Schuldige zu nennen. Zeh: "In den Vereinigten Staaten gibt es Linksintellektuelle, die Überwachung sehr kritisch sehen, aber sagen: Zum jetzigen Zeitpunkt darf man Präsident Obama nicht kritisieren, ganz egal weswegen, sonst spielt man der Tea Party in die Hände."
Dennoch war der Aufruf den führenden US-Tageszeitungen offenbar zu provokant - in der "New York Times" und "Washington Post" ist der Text bislang nicht erschienen. Juli Zeh sagt, dass die "Washington Post" den Aufruf ein "sehr provokatives Papier" genannt habe. Zeh: "Da haben wir uns kaputtgelacht. Der Aufruf ist allgemein gehalten. Wir haben absichtlich versucht, nicht allzu provokativ zu sein, damit möglichst viele Autoren den Forderungen zustimmen können."
SPIEGEL-ONLINE