Quantcast
Channel: nunc|hic
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2576

Dresdner Rede 2012 | Ingo Schulze | Eine Partikelschau | Folge 2

$
0
0


Am 26. Februar 2012 - also vor gut einem Jahr - hat der Schriftsteller Ingo Schulze im Rahmen der “Dresdner Reden 2012” *) im Dresdner Schauspielhaus eine Rede unter der Überschrift “Unsere schönen neuen Kleider | Gegen die marktkonforme Demokratie – für demokratiekonforme Märkte” gehalten. Die vollständige Rede gibt es als pdf bei den Nachdenkseiten zum Download. Die 26 Seiten durchzulesen lohnt sich auf jeden Fall. Ingo Schulze übernimmt in diesem Text die Rolle des Kindes aus dem Märchen “Des Kaisers neue Kleider”, das ausruft: “Aber der hat doch nichts an”. Er spricht eine Wahrheit aus, die niemand gern hören will. 

Ich werde in den nächsten Tagen plakativ einige Kernsätze dieser Rede hier ins Blog posten und mit meinen Möglichkeiten versuchen, sie zu illustrieren ... - einfach um Sie neugierig zu machen - aber auch um Sie aufzuschrecken, denn klammheimlich scheint es unserer noch jungen Demokratie in Deutschland an den Kragen zu gehen ...




Wenn ich eine Geldanleihe riskiere mit hohen Zinsen, dann muss ich auch wissen, dass ich auch gar keine Zinsen bekomme oder ein Teil meines Geldes oder gar alles weg sein kann. Wenn ich mich aufs Spekulieren verlege, dann muss ich auch das Risiko tragen. Sobald ich aber eine Bank bin, gilt das offenbar nicht mehr. Wenn dieBank etwas gewinnt, dann gehört es ihr, wenn sie sich verspekuliert, werden die Verluste von der Gemeinschaft übernommen. Und keiner der Akteure wird bestraft oder sonst zur Rechenschaft gezogen. Der einzige Banker, der vor Gericht steht, ist der Chef der Hypo Real Estate, aber nicht als Angeklagter sondern als Kläger, weil ihm offenbar noch etliche Millionen zustehen. 




Kann es nicht sein, möchte ich die Experten fragen, dass es verschiedene Interessen gibt? Dass es diejenigen gibt, die daran verdienen und jene, die es bezahlen? Könnte es nicht sein, dass wir nicht alle im selben Boot sitzen? Dass wir nicht alle über unsere Verhältnisse gelebt haben? 
In den letzten zehn Jahren ist der Reallohn um zwei Prozent gefallen, zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland besitzen zwei Drittel des Gesamtvermögens, die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung hingegen (etwa 35 Millionen Menschen) besaß im Jahr 2007 mit 103 Milliarden Euro nur 1,4 Prozent des Gesamtvermögens und damit weniger als die zehn reichsten Deutschen im selben Jahr, nämlich 113,7 Milliarden Euro.  
Und diese Entwicklung hält an. Laut UNICEF lebt jedes sechste Kind in Deutschland in Armut, das Deutsche Kinderhilfswerk schätzt die Zahl der in Armut lebenden Kinder gar auf sechs Millionen. 
Wir haben uns daran gewöhnt, dass in nahezu allen öffentlichen Bereichen, ganz gleich ob Bund, Land oder Kommune, die Budgets von Jahr zu Jahr gekürzt werden. Immer weniger Geld ist für die öffentlichen Belange vorhanden. Und dies, obwohl unser Bruttoinlandsprodukt – mit Ausnahme weniger Jahre –, über Jahrzehnte kontinuierlich gewachsen ist. 






Während den einen jeder Cent vorgerechnet wird, werden auf der anderen Seite Milliardenbeträge in Windeseile aus dem Ärmel gezaubert, für die im Zweifelsfalle das Gemeinwesen geradezustehen hat.

Ingo Schulze in der "Dresdner Rede 2012"

(Fortsetzung folgt)



Viewing all articles
Browse latest Browse all 2576


<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>