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Krim-Krise: Jakob Augstein - und der Gaspreis ...

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Ich möchte mal wieder aus der neuesten Jakob Augstein SPIEGEL-ONLINE-Kolumne "Im Zweifel links" zitieren - die Reihenfolge der einzelnen Abschnitte habe ich nach meinen Lese- und Meinungsprioritäten sinngemäß umgestellt:



Die "FAZ" jubelte noch vor einer Woche: "Außenminister Steinmeier hat schon kurz nach seiner Rückkehr ins Auswärtige Amt seine Autorität unter Beweis gestellt." Das Lob galt dem Abkommen zwischen ukrainischer Regierung und Opposition, an dem Steinmeier mitgewirkt hatte - es war verfrüht. Ganz am Anfang einer neuen deutschen Außenpolitik werden ihr gleich die Grenzen aufgezeigt. Aber Diplomatie ist Wahrnehmungsvermögen, so hat es der Altmeister Kissinger gesagt. Man muss die Welt auch mit den Augen der anderen sehen. Die anderen, das wären hier die Russen gewesen.

Wie sah es wohl für russische Augen aus, als der amerikanische Senator John McCain im Dezember von der Tribüne des Unabhängigkeitsplatzes in Kiew hinabrief: "Ukrainisches Volk! Das ist euer Moment! Die Freie Welt ist mit euch! Amerika ist mit euch!" Und wie sah es für russische Augen aus, als der Boxer Klitschko und die Gas-Oligarchin Timoschenko sofort nach dem Staatsstreich eine Einladung zum bevorstehenden Treffen der Europäischen Volkspartei nach Dublin erhielten?


S!NEDi's Wladimir Putin
Was hat der Westen erwartet? Wladimir Putin ist zwar ein Schurke, aber auf die Krim kann Russlands Präsident nicht verzichten. Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier hätten das wissen müssen. Wenn so die neue deutsche Rolle in der Welt aussieht - lieber nicht...

Deutschland ist "zu groß, um die Weltpolitik nur zu kommentieren." Frank-Walter Steinmeier hat das neulich gesagt. Jetzt sehen wir, was der Außenminister meint. In Kiew hat Deutschland nicht nur kommentiert, sondern sich tätig eingemischt. Das Ergebnis ist ein diplomatisches Desaster.

Wir mögen unseren Außenminister, wenn er versichert, es finde um die Ukraine "kein geopolitisches Schachspiel" statt, die Ukrainer sollten selbst ihre Zukunft bestimmen dürfen. Aber Wladimir Putin denkt weder in den Kategorien der demokratischen Selbstbestimmung noch denen der digitalen Globalisierung. Für ihn ist die Ukraine ein Glacis: ein Schutzwall, der die eigene Festung umgibt. Darum hebt hier auch kein "Kalter Krieg" an. Diese Wurzeln gehen tiefer. Das ist "The Great Game", von dem Rudyard Kipling erzählt hat, das Große Spiel über die Vorherrschaft in Zentralasien, das im 19. Jahrhundert Großbritannien und Russland spielten.
[Und schon rudert unser tapfere Frank-Walter - unser lippischer Super-Diplomat - wieder kräftig zurück: "Europa befindet sich ganz ohne Zweifel in der schärfsten Krise seit dem Mauerfall. 25 Jahre nach dem Ende der Blockkonfrontation ist die Gefahr einer erneuten Spaltung Europas real. Täglich spitzt sich die Lage in der Ukraine weiter zu."]
S!NEDi's Frank-Walter Steinmeier
Waren Steinmeier und Kanzlerin Merkel unbedarft, oder wollten sie besonders raffiniert sein? Wollten sie den Ukrainern helfen - oder den Schurken Putin in seine Schranken weisen? Beide Rechnungen werden nicht aufgehen. Spaltung oder Krieg - die Ukrainer werden einen hohen Preis dafür zahlen, dass sie den Verlockungen des Westens erlegen sind. Auch Deutschland trägt dafür Verantwortung.

Was hat man im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt von Russland erwartet, als man das Angebot eines EU-Assoziierungsabkommens mit Kiew betrieb? Als man die ukrainische Opposition ermunterte, gegen den - immerhin gewählten - Despoten Janukowitsch aufzustehen? Als man die Putschregierung - so muss man die neuen Herren von Kiew wohl nennen - ohne Zögern anerkannte?

Putin will kein Partner des Westens sein

Putin will kein Partner des Westens sein. Er baut an seinem eurasischen Großreich. Das gegenseitige Misstrauen ist grenzenlos. Mit guten Gründen auf beiden Seiten. Aber hier bricht ein realer Interessenkonflikt auf. Ukraine, das bedeutet Grenze. Sie verläuft hier zwischen Ost und West und sie zerteilt das Land in einen Spalt, der nie geschlossen wurde.

Der amerikanische Geostratege Zbigniew Brzezinski hat im Jahr 1998 geschrieben, die Ukraine mache den Unterschied, ob Russland "im Wesentlichen ein asiatischer imperialer Staat" ist, der sich mit Konflikten in Zentralasien herumschlagen muss - oder ein "mächtiger imperialer Staat, der Europa und Asien umfasst".

Das internationale Recht spielt da eine untergeordnete Rolle - wie es auch bei den amerikanischen Drohnenangriffen an der Grenze zu Pakistan - und darüber hinaus -  der Fall ist, oder bei der israelischen Besetzung des Westjordanlands, oder bei Chinas willkürlichen Grenzziehungen im Südchinesischen Meer. Wenn es um die Verteidigung der eigenen Interessen geht, zeigt sich nicht nur Russland wenig zimperlich.

Aber selbst wenn Putin der "lupenreine Demokrat" wäre, der er nie war - zumindest auf die Krim könnte er gar nicht verzichten. Und gerade die Deutschen sollten das wissen. Es war immerhin eine deutsche Prinzessin, der man später als Zarin Katharina II. den Beinamen "die Große" gab und deren Geliebter Fürst Potjomkin 1783 die Krim in Besitz nahm, "von nun an und für alle Zeiten". Und es war der deutsch-baltische General Eduard Iwanowitsch von Totleben, dem Alexander II. zu verdanken hatte, dass die Feste Sewastopol im Krim-Krieg wenigstens ein Jahr lang dem englisch geführten Angriff widerstand.

Vielleicht hat der Westen es die ganze Zeit auf die Teilung des Landes in eine westliche und eine östliche Hälfte angelegt. Lieber eine halbe Ukraine auf unserer Seite als die ganze auf russischer? Dann wäre die deutsche Außenpolitik deutlich ausgekochter als Steinmeier aussieht. Immerhin, die Welt käme glimpflich davon, wenn diese Krise mit einer Abspaltung der Krim enden würde.

soweit Jakob Augstein ...
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Und schon setzt die Angstmache ein -  und das Hufgescharre geht los - wann wohl auch der Sprit-Preis "re-agiert" ... ????:

"Aktien, Rubel und Öl stürzen ab, die Investoren flüchten in Gold und Staatsanleihen: Der Umbruch in der Ukraine löst Schockwellen auf den Finanzmärkten aus", meldet die sueddeutsche.de

"Die Krim-Krise hat weltweit Schockwellen an den Finanzmärkten ausgelöst: Die Aktienmärkte in Russland und der Ukraine brachen um mehr als zehn Prozent ein, auch der Deutsche Aktienindex (Dax) verlor drei Prozent. Der russische Rubel fiel auf einen historischen Tiefstand. In ihrer Unsicherheit flüchteten die Investoren in sicherere Anlagen wie Gold und deutsche Staatsanleihen. "Wie so häufig in Krisenzeiten setzt nicht die eigentliche Krise den Aktien zu, sondern die Verunsicherung", sagte Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus Peregrine & Black. Es handle sich um eine nie dagewesene Krise, sagte Analyst Patrick Jacq von der französischen Bank BNP Paribas. Deshalb könnten die Turbulenzen an den Aktienmärkten andauern. Trotzdem erwarten die Experten nicht, dass der Konflikt die Konjunktur weltweit zum Absturz bringt."

"Krim-Krise könnte Gaspreis hochtreiben", meldet die NEUE WESTFÄLISCHE in ihrem Lokalteil Bielefeld ...
"Während die Maschen der Gasnetze nur begrenzt ineinander greifen, ist der Markt eng verwoben. "Käme es zu einer Verknappung, könnten die Preise bundesweit anziehen", sagt Gasmarkt-Experte Holger Mengedodt.

Etwa 70 Prozent der russischen Erdgaslieferungen nach Westeuropa werden durch die Ukraine transportiert. Vor allem Süddeutschland hängt an diesen Leitungen. Das russische Gas, das nach Bielefeld strömt, kommt durch Pipelines, die durch Polen oder die Ostsee führen. "Andere Länder haben zudem die Möglichkeit, ihre Förderung zu erhöhen", meint Mengedodt.

Schon 2012 war es zwischen Russland und der Ukraine zum Streit um Leitungsrechte und Gasrechnungen gekommen. "Seitdem sind in Deutschland drei weitere Gasspeicher in Betrieb genommen worden", so Mengedodt. Insgesamt gebe es 51 Speicher. Und die seien derzeit zu 60 Prozent gefüllt. Deutschland habe die größte Speicherkapazität in der EU - insgesamt 23 Milliarden Kubikmeter. Das reiche, um das Land drei Monate lang zu versorgen. "Auch wenn Gaslieferungen aus Russland als Folge der Krim-Krise komplett ausfallen würden, reichen die derzeitigen Vorräte dafür aus, dass das fast ein halbes Jahr lang ohne Folgen für die Versorgung bleibt", rechnet Mengedodt.

Aber: Der Gasvorrat sei in Folge des warmen Winters auf einem "historischen Höchststand". Im Februar 2013 seien lediglich 41 Prozent der unterirdischen Speicher - etwa alte Bergwerke oder ausgebeutete Gasfelder - gefüllt gewesen."

Quellen: aus: Jakob Augstein | SPIEGEL-ONLINE-Kolumne "Im Zweifel links" | sueddeutsche.de © 2014 Neue Westfälische | Sebastian Kaiser, Dienstag 04. März 2014


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