aufgewühlt ... |
Michel Houellebecq:
Ohne Religion ist das Leben ein Trauerspiel ...
Michel Houellebecq hat es mit dem Katholizismus versucht. Und mit dem Buddhismus. Bei letzterem habe er sich "furchtbar gelangweilt", sagt der Autor von "Unterwerfung". Ein Gespräch über Religion - ...
Auszug eines Interviews von Alex Rühle, Köln | sueddeusche.de
Sind Sie denn selbst gläubig?
Nein, das ist ja das Tragische. Ich versuche es immer wieder. Seit ich 13 bin, denke ich, das Universum ist so unfassbar - es kann doch nicht sein, dass das alles einfach so da ist. Aber es gelingt mir trotzdem nicht, zu glauben.
Und warum braucht der Mensch die Religion? Zur Absicherung der eigenen Werte?
Ja. Das Leben ist ohne Religion einfach so über alle Maßen traurig.
Bei Ihren Versuchen, wollten Sie da zum Katholizismus konvertieren?
Stimmt, aber es hat nicht geklappt.
Haben Sie es auch noch mit einer anderen Religion versucht?
Buddhismus. Da saß ich rum, starrte die Wand an und habe mich furchtbar gelangweilt.
Ihr Held François konvertiert ja auch. Allerdings zum Islam.
Ursprünglich wollte ich, dass er Katholik wird. Aber ich habe mehrfach versucht, die Szene zu schreiben, und es fühlte sich immer falsch an. Da kam mir die Idee mit dem Islam.
Stimmt es, dass Ihre Mutter, als sie Sie als kleines Kind weggegeben hat, zum Islam konvertiert ist?
Ach die. Die ist alle paar Jahre irgendwo andershin konvertiert.
Und wo ist sie mittlerweile angekommen?
Bei den Russisch-Orthodoxen.
Ihre Mutter hat ein Buch über Sie geschrieben, in dem sie Sie übel beschimpft hat.
Pfffffff.
Okay, zurück zum Buch. War der Konfessionswechsel Ihres Helden die Grundidee?
Nein. Ich habe angefangen mit François, der ja jetzt im Buch Professor ist. Anfangs war er Student und las den ganzen Tag den Autor Joris Karl Huysmans.
Das tut er als Professor auch. Was hat Sie so an Huysmans fasziniert?
Ich war sehr unglücklich und einsam als Student. Wenn ich damals schon Huysmans' Bücher gekannt hätte, wär es mir ganz bestimmt besser gegangen.
Warum denn das?
Weil er so über die Maßen angeekelt ist von der Welt.
Und das soll einem helfen, durchs Studium zu kommen?
Ja, weil es wahnsinnig komisch ist. Er übertreibt so dermaßen, egal ob er jetzt Käse beschreibt, einen Pfarrer oder eine Straße. Das sind so intensive Beschreibungen des Abscheus, dass daraus plötzlich beim Lesen eine irrsinnig intensive Lebensfreude kommt.
Sie sind schon echt bizarr.
Überhaupt nicht. André Breton hat das ganz genauso empfunden. Probieren Sie es aus, es ist wirklich ein Heidenspaß.
Huysmans stand also am Anfang Ihres Romans?
Ja. Der war anfangs totaler Nihilist und Décadent und wurde später Katholik. Das wollte ich mit einem Helden unserer Tage probieren. Dann kam die Liebesgeschichte dazu. Zu dem Zeitpunkt merkte ich, dass um mich herum die Juden das Land verließen. Also habe ich aus der Geliebten eine Jüdin namens Myriam gemacht, die zusammen mit ihrer Familie nach Israel auswandert.
Im letzten Jahre sind 7000 Juden nach Israel gegangen.
Ja. Der Wahnsinn. Wenn die Juden Frankreich verlassen, können wir den Laden eh zumachen.
Warum wird François denn dann später Moslem?
Weil der Islam gerade enormen Aufwind in Europa hat. Und weil ich überzeugt bin, dass im Grunde nur Zivilisationen überleben können, die auf einer Religion fußen.
2002 brachten muslimische Verbände Sie vor Gericht, weil Sie den Islam als "gefährlich" und als "dümmste aller Religionen" bezeichnet hatten. Dem Richter haben Sie erklärt, Sie hassen oder verachten weder die Muslime noch die Araber, sondern nur ihre "dumme Religion". Es würden zwar alle monotheistischen Religionen eher Hass als Liebe predigen und die Bibel sei "voller Passagen, die so langweilig sind, dass man kotzen könnte", aber wenigstens sei in einigen biblischen Texten Poesie zu finden, im Gegensatz zum Koran. Würden Sie das heute auch noch sagen?
Überhaupt nicht. Ich habe mittlerweile den Koran gelesen, hat mir gut gefallen.
Im Buch sagen Sie, Transzendenz sei "ein selektiver Fortpflanzungsvorteil". Wie meinen Sie das?
Wer gläubig ist, bekommt mehr Kinder. Und die Mehrheit setzt irgendwann ihre Werte und Vorstellungen durch.
Aber reden Sie da nicht einem rechtspopulistischen Biologismus das Wort?
Nö.